Verwilderungspotenzial von Rapspflanzen

(2004 – 2009) Universität Osnabrück, Biologie, Spezielle Botanik, Osnabrück

Thema

Raps (Brassica napus) hat die Fähigkeit, außerhalb des Anbaus zu verwildern und kann mit nah verwandten Arten auskreuzen. Der Genfluss von der Kulturart in verwilderte Populationen und/oder in Wildarten birgt das Problem, dass beim Anbau transgener Rapssorten die veränderten Eigenschaften in den Genpool der wilden Verwandten übertragen werden können.

Vorliegende Fallstudie untersucht die Fähigkeit von Raps zur Verwilderung und zur Hybridisierung mit nahen Verwandten – mit speziellem Augenmerk auf die lokalen Gegebenheiten und das Vorhandensein von potenziellen Kreuzungspartnern im Untersuchungsgebiet in Nordwestdeutschland.

Zusammenfassung

Insgesamt wurden 113 Brassica-Populationen im Zeitraum von 2004-2008 analysiert, darunter 78 verwilderte Rapspopulationen. Achtzig Prozent der in den ersten beiden Jahren kartierten Populationen konnten in mindestens einem der Folgejahre wiedergefunden werden. Dies zeigt, dass solche Populationen in der Lage sind, mehrere Jahre zu überdauern. Durch molekulare Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass verwilderte Populationen genetisch divers sind und Genfluss sowohl zwischen angebauten Rapssorten und verwilderten Populationen als auch innerhalb der verwilderten Populationen stattfindet. Raps kommt mit zahlreichen potenziellen Kreuzungspartnern am selben Standort vor. So konnten beispielsweise natürliche Hybridisierungen zwischen Raps und Rübsen nachgewiesen werden.

Neben dem „normalen“ diploiden Rübsen wurden auch tetraploide Rübsen (mit doppelter Genomgröße) gefunden, die ebenfalls verwildern. Diese Rübsensorten werden regelmäßig im Osnabrücker Raum in Blühstreifenmischungen angepflanzt und verwildern aus dem Anbau. In diesen Mischungen befinden sich oftmals eine Reihe weiterer nah verwandter Arten. In einem Freilandversuch konnte gezeigt werden, dass Raps und tetraploide Rübsen in erheblichem Maße miteinander kreuzen können und die resultierenden Hybride lebensfähig und vermehrungsfähig sind. Bei der Abschätzung des Genflusses von Raps in nahe Verwandte auf Landschaftsebene sollte das Auftreten von tetraploiden Rübsen unbedingt beachtet werden.

Versuchsbeschreibung

Probenahme: Sammeln von Saatgut einer Rapspopulation in einem Beet am Straßenrand

Sammeln von Saatgut einer Rapspopulation in einem Beet am Straßenrand

Tetraploider Rübsen als Durchwuchs am Ackerrand

Tetraploider Rübsen als Durchwuchs am Ackerrand

Vergleich der Blütengröße von diploidem Rübsen (links), tetraploidem Rübsen (Mitte und Raps (rechts)

Vergleich der Blütengröße von diploidem Rübsen (links), tetraploidem Rübsen (Mitte) und Raps (rechts)

ruderaler Raps auf dem Grünstreifen einer Landstraße

Ruderaler Raps auf dem Grünstreifen einer Landstraße

Monitoring von Raps und nahen Verwandten im Raum Osnabrück

Im Untersuchungsgebiet (Raum Osnabrück, Niedersachsen) wurden zwischen 2004 und 2008 113 Brassica-Bestände untersucht, darunter 78 verwilderte Rapspopulationen. Alle Fundorte wurden jährlich zur Blütezeit auf ihr Bestehen und zum Zeitpunkt der Fruchtreife noch einmal auf erfolgreichen Saatgutansatz hin untersucht. Außerdem wurden Daten zum Standort, der Populationsgröße und der Kreuzblütler-Begleitfora aufgenommen. Von den Pflanzen wurde Blattmaterial sowie Saatgut für weitere Untersuchungen gesammelt.

Molekulargenetische Untersuchungen verwilderter Rapspopulationen

Verwilderte Rapspopulationen wurden mit molekularen Fingerprint-Analysen untersucht und mit aktuell im Osnabrücker Raum angebauten Winterrapssorten sowie einer Sommerraps- und einer Steckrübensorte verglichen. So können Rückschlüsse auf die Verwandtschaft und den Genfluss zwischen den verwilderten Populationen und den Sorten gezogen und Quellen von verwilderten Populationen identifiziert werden.

Molekulargenetische und zytologische Analysen potenzieller Hybride

Raps ist selber ein tetraploider Hybrid, ursprünglich entstanden aus den diploiden Arten Rübsen (Brassica rapa) und Kohl (Brassica oleracea). Typische Hybridnachkommen zwischen einem tetraploiden und einem diploiden Elter sind triploid. Mittels eines optischen Verfahrens, der Durchflusszytometrie, können die Hybride aufgrund ihrer unterschiedlichen Genomgröße unterschieden werden.

Die Ergebnisse wurden mit molekularen Methoden bestätigt.

Hybridisierungen zwischen tetraploiden Rübsen und Raps

Tetraploide Rübsensorten werden als Zwischenfrüchte angebaut, sind Bestandteil verschiedener Saatgutmischungen für Blühstreifen und Wildäcker (zusammen mit Raps, diploiden Rübsen, weißem Senf und Rettich) und können verwilderte Populationen etablieren. Unterschiede in der Genomgröße verschiedener Rübsensorten wurden bis vor kurzem hinsichtlich des Auskreuzungspotenzials mit Raps nicht beachtet. Erste Kreuzungsversuche zwischen Raps und tetraploiden Rübsen zeigen vermehrungsfähige Hybride der ersten Generation. In einem Freilandversuch wurde ermittelt, ob Raps mit tetraploiden Rübsen unter natürlichen Bestäubungsbedingungen kreuzt. Die Nachkommenschaft wurde mit molekulargenetischen und zytologischen Methoden untersucht

Ergebnisse

Monitoring und Überdauerung von Raps

Raps ist eine der am häufigsten angebauten Kulturpflanzen im Osnabrücker Raum und bildet regelmäßig verwilderte Populationen an Straßenrändern, Beeten und Grünstreifen, auf Brachflächen, in Neubaugebieten sowie an Bahngleisen. Außerdem kann Raps nach dem Anbau auf dem Feld oder am Feldrand als Unkrautraps auftreten.

Sechzehn der 78 verwilderten Rapspopulationen konnten nur im ersten Jahr aufgefunden werden. An den anderen 61 Fundorten (80%) wuchsen in mehr als einem Jahr Rapspflanzen. Von diesen waren 21 Fundorte in zwei, 24 in drei, 12 in vier und vier in allen fünf Jahren mit Raps besiedelt. Einige Populationen verschwanden für ein oder zwei Untersuchungsjahre und tauchten dann wieder auf. Das geschieht dann, wenn der widerstandsfähige Rapssamen in tieferen Bodenschichten in eine Keimruhe verfällt. Gelangt dieser wieder an die Oberfläche, ist er noch nach Jahren keimfähig. Die verwilderten Rapspopulationen hatten ihre Hauptblütephase parallel zum angebauten Winterraps, je nach Witterung ab Anfang April bis Ende Mai. Zwei Populationen blühten im Hochsommer, Einzelpflanzen bis in den November. Insbesondere kamen verletzte Pflanzen später im Jahr erneut zur Blüte. Der Anteil der verwilderten Populationen mit erfolgreichem Samenansatz betrug im Mittel 42,5 Prozent. Das Abreifen der Schoten wurde vor allem durch Mähen der Grassstreifen und andere Pflegemaßnahmen verhindert.

Molekulargenetische Untersuchungen verwilderter Rapspopulationen

Die genetische Variation innerhalb der verwilderten Rapspopulationen ist deutlich höher als die Variation der _B. napus__Sorten. Die wichtigste Quelle für die hohe genetische Vielfalt verwilderter Rapspopulationen ist die Einschleppung unterschiedlicher Rapssorten. Unbekannte genetische Merkmale deuten auf weitere Quellen – wie die Überdauerung alter Sorten – hin. Kreuzungen zwischen den unterschiedlichen Sorten zeigen, dass verwilderte Rapspopulationen durch Nachkommen aus den eigenen Samen überdauern und somit unabhängig von Samen-Neueinträgen sein können.

Monitoring von potenziellen Kreuzungspartnern

Neben Raps (Brassica napus) werden im Untersuchungsgebiet auch Rübsen (Brassica rapa, diploid und tetraploid) und Kohl (Brassica oleracea) angebaut. Beide Arten verwildern und treten in verwilderten Populationen gemeinsam mit Raps auf. Weiterhin wurden als nah verwandte Arten Hederich (Raphanus raphanistrum), Rettich (Raphanus sativus), Ackersenf (Sinapis arvensis) und weißer Senf (Sinapis alba) sowie Mauer-Doppelsame (Diplotaxis muralis) und schmalblättrige Doppelsame (Diplotaxis tenuifolia) an denselben Standorten wie Raps gefunden. Bis auf letztere Art treten sie in gemeinsamen Beständen mit Raps auf. Alle genannten Arten zeigen in ihrer Blühphase zumindest teilweise Überschneidungen mit angebautem oder verwildertem Raps.

Molekulargenetische und zytologische Analysen potenzieller Hybride

In Mischpopulationen von Raps und Rübsen konnten triploide Nachkommen detektiert werden. Diese zeigen morphologische und molekulare Merkmale beider Elternarten und belegen Hybridisierungsereignisse. Die Pollenfruchtbarkeit der Hybride liegt im Mittel bei 58 Prozent. Rübsen-Pflanzen mit molekularen Rapsmerkmalen geben erste Hinweise auf Introgression (d.h. die fortgeschrittene Integration) von Rapsmerkmalen in die Rübsen.

Hybridisierungen zwischen tetraploidem Rübsen und Raps

Im Freilandversuch fand Genfluss zwischen Raps und tetraploidem Rübsen unter natürlichen Bestäubungsbedingungen in erheblichem Maße statt. Unter den Nachkommen von tetraploiden Rübsen zeigten 67 (von 205 molekular untersuchten) Pflanzen molekulare Merkmale des potenziellen Vaters Raps. Bezogen auf die Gesamtzahl der Pflanzen ergibt sich eine Hybridisierungsrate von mindestens 13 Prozent. Die männliche Fertilität der Hybride war mit durchschnittlich 80,6 Prozent relativ hoch verglichen mit Hybriden zwischen Raps und diploiden Rübsen. Neben tetraploiden Hybriden konnten auch hexaploide Hybride durch Beteiligung von unreduzierten Keimzellen eines Elters gefunden werden. Im Osnabrücker Land kommt tetraploider Rübsen etwa genauso häufig vor wie diploider Rübsen. Hinsichtlich des Genflusses von Raps zu Rübsen sollte das Vorkommen von tetraploiden Beständen deshalb unbedingt Beachtung finden.