Das Ausbreitungsverhalten von Rapspflanzen

(2001 – 2004) Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) (seit 2008 Julius Kühn-Institut (JKI)), Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und Biologische Sicherheit, Braunschweig

Thema

Kulturpflanzen besitzen unabhängig von einer gentechnischen Veränderung ein gewisses Verwilderungspotenzial. Auffallend ist in diesem Zusammenhang der Raps (Brassica napus), der sehr häufig an Ruderalstandorten entlang von Wegrändern und Bahngleisen vorkommt.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens sollten verwilderte Kruziferenpflanzen - wie Raps und seine Artverwandten - von Ruderalstandorten morphologisch sowie molekulargenetisch charakterisiert werden. Hierdurch erhoffte man sich Aufschluss über das Ausbreitungs- und Verwilderungsverhalten von Rapspflanzen.

Darüber hinaus sollte überprüft werden, ob sich Rapsgene im Genpool verwandter Wildpflanzen etablieren können.

Für die Untersuchungen wurden keine gentechnisch veränderten Rapspflanzen freigesetzt, sondern die an Ruderalstandorten vorkommenden Kruziferen-Populationen untersucht.

Zusammenfassung

Ziel des Projektes war es, das Verwilderungspotenzial von Ruderalraps abzuschätzen und Basisdaten zur Frage der Etablierung von Genen aus Raps in verwandten Wildkruziferen zu gewinnen.

  • Insgesamt wurden 74 Standorte mit teils mehreren Ruderalraps-Fundstellen kartiert und untersucht. An etwa der Hälfte der Standorte trat Ruderalraps nur in einem von vier Untersuchungsjahren auf. Wie molekulargenetische Untersuchungen zeigten, handelte es sich auch bei mehrjährigen Funden häufig um Neueinträge. Nur in wenigen Bodenproben von Ruderalstandorten wurde ein Rapssamenpotenzial gefunden.
  • Entgegen der derzeitigen Anbausituation kamen an Ruderalstandorten relativ häufig Pflanzen mit hohem Glucosinolatgehalt im Samen vor.
  • Unter Freilandbedingungen kreuzbare Wildkruziferen wurden im Untersuchungsgebiet nicht gefunden. Die auf Ruderalstandorten identifizierten Ackersenf-Populationen waren, wie es für Wildpflanzen typisch ist, genetisch weitaus variabler als der nur kurzzeitig verwilderte Ruderalraps.

Versuchsbeschreibung

Rapsvorkommen an einem Ruderalstandort

Rapsvorkommen an einem Ruderalstandort

Entnahme von Proben zur molekulargenetischen Analyse

Entnahme von Proben zur molekular- genetischen Analyse

Entnahme von Bodenproben zur Erfassung des Samenreservoirs

Kartierung und botanische Bestimmung der Kruziferenpflanzen

In einer ausgewählten Region Niedersachsens wurden in den Jahren 2001-2004 über einen Zeitraum von mehreren Monaten pro Jahr Kruziferenpflanzen an verschiedenen Ruderalstandorten morphologisch identifiziert. Es wurden Proben zur molekulargenetischen Analyse und Kultivierung im Gewächshaus entnommen und die Fundstellen kartiert.

Bestimmung des Rapssamen- potenzials im Boden

In den Jahren 2002 und 2003 wurden an jeweils dreißig ausgewählten Standorten Bodenproben entnommen, um das Vorhandensein einer Rapssamenbank im Boden zu untersuchen. Die lebensfähigen Rapssamen wurden im Keimungsversuch bestimmt. Für molekulargenetische Untersuchungen wurden von den ausgekeimten Pflanzen Blattproben entnommen.

Populationsdynamik von Ruderalraps und Wildkruziferen

Zur Abschätzung des Vermehrungspotenzials wurden populationsdynamisch relevante Kenngrößen wie Wachstum, Entwicklung und Samenbildung der Ruderalpflanzen mittels geeigneter Schlüssel bewertet. Es wurden Modellversuche mit Keimpflanzen unter verschiedenen Standortbedingungen durchgeführt und mit Hilfe des so ermittelten Bewertungsschlüssels für jeden Standort das Vermehrungspotenzial von Raps und Wildkruziferen abgeschätzt.

Molekulargenetische Untersuchungen

Für die genetische Darstellung der verwandtschaftlichen Verhältnisse der gesammelten Kruziferenpflanzen, bekannten Rapssorten und verwandten Wildarten wie Rübsen, Hederich oder Ackersenf wurden molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt. Auf dieser Basis sollte das Wissen über die Populationsdynamik und den Genfluss bei Raps und verwandten Kruziferenarten erweitert werden.

Analyse des Erucasäure- und des Glucosinolatgehalts

Ein hoher Gehalt an Erucasäure machte früher das Öl der Rapssamen bitter, giftige Glucosinolate machten sie als Tierfutter unbrauchbar. Durch Züchtung enthält der heutige Kulturraps nur geringe Mengen dieser Inhaltsstoffe (so genannte 00-Sorten). Ausnahmen sind erucasäurereiche Sorten, die in begrenztem Umfang noch angebaut werden.

Durch spektroskopische Analysen wurde der Gehalt an Erucasäure und Glucosinolat in Samen von Sortenraps und von dem in den Jahren 2001 und 2002 beprobten Ruderalraps untersucht.

Ergebnisse

Kartierung und botanische Bestimmung der Kruziferenpflanzen

Raps: Ein Großteil der 54 Rapsfundorte des ersten Boniturjahres 2001 blieb 2002 ohne Ruderalraps. Aufgrund der geringen Wiederfindungsrate (20 Standorte=37 Prozent) wurden die Untersuchungen im zweiten Jahr auf zusätzliche zwanzig Standorte ausgeweitet. Im Frühjahr 2003 wurden lediglich an neun der im Vorjahr bewachsenen Standorte Rapspflanzen gefunden, entsprechend einer Wiederfindungsrate von nur 23 Prozent, was auf ungünstige klimatische Verhältnisse und hohen Schädlingsbefall zurückgeführt werden kann. 2004 lag die Wiederfindungsrate bei 55 Prozent.

Elf Prozent der Standorte des Jahres 2001 waren in 2002 nicht, in 2003 dagegen wieder bewachsen.

Ackersenf: In den Untersuchungsjahren 2001-2003 wurde lediglich Ackersenf als potenziell - im Freiland jedoch nur mit extrem niedriger Wahrscheinlichkeit - kreuzbare Wildkruziferenart in relevanten Populationsstärken an mehreren Ruderalstandorten gefunden. Für die molekulargenetische Untersuchung standen Proben von Einzelpflanzen aus den Jahren 2002 und 2003 von insgesamt 18 Standorten zur Verfügung. An fünf dieser Standorte (entsprechend 28 Prozent) wurde in beiden Jahren Ackersenf gefunden und beprobt.

Bestimmung des Rapssamenpotenzials im Boden

Nur in wenigen Bodenroben - fast ausschließlich in solchen, die von einem in der Nähe einer Ölmühle gelegenen Standort stammten - konnten keimende Rapspflanzen nachgewiesen werden.

Als besonders auffälliges Ergebnis lässt sich hervorheben, dass an vielen Fundorten mit einer großen Anzahl Rapspflanzen im Jahr 2001, und damit einem hohen erwarteten Samenaufkommen, in den Folgejahren keine Pflanzen nachgewiesen werden konnten. Die Vermutung, dass das eigenständige Ausbreitungs- und Verwilderungspotenzial von Ruderalraps als hoch einzuschätzen sei, kann aufgrund dieses sich in drei Folgejahren wiederholenden Ergebnisses nicht bestätigt werden.

Populationsdynamik von Ruderalraps

Die Anzahl gebildeter Samen von Ruderalraps pro Fundort war sehr variabel und konnte in einzelnen Fällen sehr hohe Werte erreichen. Für das Etablierungsvermögen von Pflanzenpopulationen ist allerdings auch entscheidend, ob die gebildeten Samen am Fundort überhaupt ausreichende Chancen zur Keimung und zur Entwicklung vorfinden. Hier lässt sich aufgrund der Ergebnisse der Modellversuche die Schlussfolgerung ziehen, dass generell die Etablierungsmöglichkeiten als gering einzustufen sind; lediglich offene, kiesige Standorte bieten eine gute Anfangsentwicklung.

Das aus theoretischen Berechnungen für die Untersuchungsjahre abgeschätzte Etablierungsvermögen stimmte nur teilweise mit den in der Untersuchung festgestellten Häufigkeiten von Raps-Vorkommen überein. Mögliche Ursache für diese Diskrepanz ist die fehlende Berücksichtigung von Faktoren wie Witterungsverhältnisse, Samenverluste durch Fraßfeinde oder neue Sameneinträge bei der populationsdynamischen Modellierung.

Molekulargenetische Untersuchungen

Ruderalraps: Nach den molekulargenetischen Untersuchungen ist im Folgejahr nur in Einzelfällen von einem Wiederauflaufen oder einem Neueintrag von Rapspflanzen der gleichen Sorte auszugehen. Bei der Mehrzahl der Fundorte muss ein Neueintrag unterschiedlicher Sorten von Raps in den aufeinander folgenden Jahren angenommen werden. Ein Teil der Einzelpflanzen ließ sich bestimmten, oft den in Niedersachsen häufig angebauten Rapssorten, zuordnen. Insgesamt zeigte sich, dass Ruderalraps ebenso wie Sortenraps genetisch wenig variabel ist – ein bekannter Effekt der Pflanzenzüchtung.

Wildkruziferen: Die an Ruderalstandorten auftretenden Ackersenf-Populationen unterschieden sich molekulargenetisch deutlich von Raps. Verglichen mit Ruderalraps war der untersuchte Ackersenf genetisch viel variabler, sowohl innerhalb der Fundorte als auch im Vergleich der Fundjahre. Es zeigte sich weiterhin, dass sich die Mehrzahl der untersuchten Pflanzen standortspezifisch genetisch gruppieren lässt.

Analyse des Erucasäure- und des Glucosinolatgehalts

Bei der Untersuchung von Samenproben aus 2001 und 2002 mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) wurden überwiegend Glucosinolat- und Erucasäure-Werte gefunden, die den derzeit in Deutschland auf ca. 97 Prozent der Flächen angebauten 00-Sorten entsprechen. Entgegen der derzeitigen Anbausituation traten jedoch auch in erheblichem Umfang Pflanzen mit hohen bzw. erhöhten Gehalten an Erucasäure und/oder Glucosinolaten auf, zum Teil an den gleichen Standorten in aufeinander folgenden Jahren. Während der Anteil der erucasäurereichen, glucosinolatarmen Ruderalrapsfunde in etwa dem Umfang der im Kontraktanbau befindlichen Erucasäure-Rapssorten entsprach, ist das Auftreten von hohen Glucosinolat- bei niedrigen Erucasäuregehalten besonders hervorzuheben. Das Vorkommen dieses Ruderalrapstyps könnte auf zeitlich schon weit zurückliegende Transportverluste von Samen glucosinolatreicher Sorten oder auf Hybridisierungen zwischen verschiedenen Sortentypen zurückzuführen sein. Möglicherweise gibt es für diesen Rapstyp, der in Deutschland zuletzt Ende der 1980er Jahre angebaut wurde, auf Grund seiner Inhaltsstoffe eine bessere Überdauerungsfähigkeit.

In mehreren Fällen konnten Pflanzen mit hohen Erucasäure- und niedrigen Glucosinolatgehalten entsprechenden Sorten zugeordnet werden. Keine Sortenzuordnung war dagegen möglich bei Ruderalrapspflanzen mit hohen Erucasäure- und Glucosinolatwerten.