Transgene Fruktan-Kartoffel – Stresstoleranz und Fitness im Vergleich mit konventionellen Kartoffellinien

(2001 – 2004) Justus-Liebig Universität Giessen, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung I

Thema

Ziel des Vorhabens war es, die Ertragsbildung und die Fitness von Fruktan bildenden Kartoffellinien im Vergleich zu konventionellen Sorten zu analysieren.

Folgende Fragestellungen bzw. Hypothesen standen im Mittelpunkt der Untersuchungen:

  • Führt die Akkumulation von Fruktanen und leichtlöslichen Zuckern in den Knollen zu einer erhöhten Kältetoleranz und dadurch zu einer verbesserten Überwinterung der Kartoffel im Freiland?
  • Sind dadurch ökologische Konsequenzen zu erwarten, in der Art, dass die jetzt überwinternde Kartoffelknolle als Reservoir für Schaderreger (Viren) dient?
  • Ist bei der Kultivierung von Fruktan bildenden Kartoffeln mit einer Zunahme an Durchwuchspflanzen (Unkrautkartoffeln) zu rechnen?
  • Zeigen Fruktan bildende Knollen einen veränderten Entwicklungsverlauf, sind sie stresstoleranter oder – anfälliger?
  • Sind Fruktan bildende Kartoffeln unter Feldbedingungen zu einer Vermehrung über Samen fähig?
  • Führt der veränderte Kohlenhydrat-Stoffwechsel in der Fruktan bildenden Kartoffel zu einer anderen Zusammensetzung der Inhaltsstoffe in den Blättern? Falls ja, hat dies Folgen für den Blattbereich besiedelnde Schadinsekten wie den Kartoffelkäfer?

Zusammenfassung

Die Untersuchungen zur Fitness von gentechnisch veränderten Fruktan bildenden Kartoffeln haben gezeigt, dass eine vegetative Vermehrung und eine mehrjährige Überdauerung von Kartoffeln unter Feldbedingungen möglich ist. Es bestehen jedoch keine Unterschiede zwischen konventionellen und gentechnisch veränderten Linien. Auch Kartoffelsamen besitzen eine hohe Keimfähigkeit. Die sich daraus entwickelnden Pflanzen sind jedoch sehr empfindlich gegenüber Frost und nicht in der Lage, Winterperioden zu überstehen. Ein Defizit an Wasser und an Pflanzennährstoffen (N, P, K) führt zu morphologischen, physiologischen und inhaltsstofflichen Veränderungen der Pflanzen. Diese führen allerdings nicht zu erhöhten Umweltrisiken von gentechnisch veränderten Fruktan bildenden Kartoffeln.

Fruktan-Kartoffeln haben einen verkürzten Haupttrieb und eine verzögerte Jugendentwicklung, wodurch eventuell eine vermehrte Unkrautbekämpfung notwendig wird.

Versuchsbeschreibung

Zu den benannten Fragestellungen wurden Untersuchungen sowohl unter Freiland- wie Gewächshausbedingungen durchgeführt.

Auf der Basis einer Vielzahl von phänotypischenund ertragsrelevanten Prüfmerkmalen wurden am Standort Gießen (Universität) folgende Fragestellungen untersucht:

Gefäßversuche mit Fruktankartoffeln

Gefäßversuch mit Fruktan-Kartoffeln in der Forschungsstation Rauischholzhausen (Justus-Liebig-Universität Gießen)

  • Keimungs- und Überdauerungsverhalten von Knollen und Samen (Gefäß- und Feldversuche)
  • Reaktion auf Trockenheit (Gefäßversuche)
  • Reaktion auf Nährstoffmangel (Stickstoff (N), Phosphor (P) und Kalium (K) (Gefäßversuche).

Die Untersuchungen fanden an ausgesuchten transgenen Linien im Vergleich zu Wildtyp und konventionellen Sorten statt.


Ergebnisse

Kartoffeldurchwuchs aus überwinterten Knollen

Kartoffeldurchwuchs aus überwinterten Knollen

Kartoffelbeeren, die keimfähige Samen enthalten

Kartoffelbeeren, die keimfähige Samen enthalten

Kartoffelpflanzen im Jugendstadium, die über Samen vermehrt wurden

Über Samen vermehrte Kartoffelpflanzen im Jugendstadium

Kalium-Mangel-Symptome an Blättern gentechnisch veränderter Kartoffeln

Kalium-Mangel-Symptome an Blättern gentechnisch veränderter Kartoffeln

Überdauerungsverhalten

Kartoffelknollen können unter heimischen Bedingungen den Winter bei geringer Frosteindringtiefe des Bodens überdauern. Diese Kartoffelpflanzen stellen dann ein Unkraut dar und können als Reservoir für Pathogene in der Folgefrucht dienen. Zwischen konventionellen Kartoffeln und gentechnisch veränderten Fruktan-Kartoffeln bestanden keine Unterschiede im Überdauerungsverhalten der Knollen im Boden.

Vermehrung über Samen

Kartoffeln sind sowohl unter Gewächshaus- als auch unter Freilandbedingungen in der Lage generative Vermehrungsorgane (samenhaltige Beeren) zu bilden, die auch keimfähig sind. Zwischen den Sorten bzw. Genotypen bestehen Unterschiede in der Größe und Triebkraft der Samen. Unter Gewächshausbedingungen waren nach einer Keimdauer von etwa zwei Wochen 80 bis 100 Prozent der ausgelegten Samen keimfähig. Die Samen konventioneller Sorten besaßen die gleiche Keimfähigkeit wie die Samen gentechnisch veränderter Kartoffellinien.

Frosteinwirkung (-17°C) auf trockene Samen beeinträchtigte nicht die Keimfähigkeit der Samen. Frosteinwirkung auf gequollene Samen führte dagegen zu einem drastischen Verlust ihrer Keimfähigkeit.

T2-Pflanzen - die zweite Generation der Nachkommen der Transformanten, die über Samen vermehrt wurden - können moderate Kälte (-2°C) nach vorheriger Akklimatisation überstehen und sich regenerieren. Zwischen konventionellen und gentechnisch veränderten Linien bestanden keine Unterschiede in der Wirkung des Frostes.

Reaktion auf Trockenheit

Trockenstress führt bei Kartoffeln zu morphologischen und physiologischen Veränderungen der Pflanzen. Wassermangel bewirkte eine starke Abnahme der Knollen- und Krautmasse und eine Zunahme der Wurzeln und Ausläufer. Die Stärke- und Fruktangehalte in den Knollen waren unter Wassermangel erhöht. Die gentechnisch veränderten Kartoffeln zeigten keine abweichenden Reaktionen auf Trockenstress gegenüber konventionellen Sorten.

Reaktion auf Nährstoffmangel (N, P, K)

Der Mangel an den Nährstoffen Stickstoff, Phosphor und Kalium führte auch bei transgenen Kartoffeln zu charakteristischen Mangelsymptomen an den Pflanzen. Die Knollenerträge waren bei Nährstoffmangel deutlich reduziert. Der Mangel an Stickstoff führte zu einer Beschleunigung des Reifeverlaufes der Pflanze und zu vergleichsweise erhöhten Stärkegehalten in den Knollen. Der Mangel an Kalium bewirkte einen erhöhten Gehalt an löslichen Zuckern in den Blättern und einen erhöhten Stärkegehalt in den Knollen.

Die Transformanten zeigten eine gegensätzliche Wirkung auf K-Mangel. Einfachtransformanten (ein Gen wurde übertragen) vermindern in den Blättern den Fruktangehalt, während Doppeltransformanten (zwei Gene wurden übertragen) die Gehalte an Fruktanen erhöhen.

Konkurrenzverhalten der Pflanzen

Gentechnisch veränderte Fruktan-Kartoffeln besitzen einen verkürzten Haupttrieb und weisen eine verzögerte Jugendentwicklung auf. Diese Eigenschaften lassen auf ein verringertes Konkurrenzverhalten der Pflanzen schließen, z. B. gegenüber Unkräutern im Feldbestand, was bedeutet, dass diese Kartoffelpflanzen eventuell Nachteile gegenüber Wildpflanzen besitzen und dadurch der Bedarf an Unkrautbekämpfungsmaßnahmen (Herbizide, mechanische Pflege) höher sein könnte.

Inhaltsstoffe

Gentechnisch veränderte Fruktan-Kartoffeln besitzen in den Knollen einen geringeren Stärkegehalt. Der Rückgang der Stärke wird durch die Bildung von Fruktanen kompensiert, deren Gehalt in den Knollen bis zu fünf Prozent der Trockenmasse betragen kann.

Die Blätter gentechnisch veränderter Kartoffelpflanzen enthielten gegenüber der unveränderten Ausgangssorte das Zweifache an löslichen Kohlenhydraten, davon 0,5 bis 0,9 Prozent Fruktane in der Trockenmasse.