Transgene Fruktan-Kartoffel – Mögliche Auswirkungen auf den Kartoffelkäfer

(2001 – 2004) Justus-Liebig Universität Giessen, Institut für Allgemeine und Spezielle Zoologie – Arbeitsgruppe: Zelluläre Erkennungs- und Abwehrprozesse (ZEAP)

Thema

Fruktan-Kartoffeln haben einen veränderten Kohlenhydrat-Stoffwechsel. So produzieren sie erhöhte Gehalte an löslichen Zuckern mit neuen Zuckerkomponenten.

Die veränderte Kohlenhydratsituation in der Kartoffel stellt eine neue Nahrungsqualität für Schaderreger dar. Sie lässt daher Veränderungen bei der Futterverwertung der Fruktan-Kartoffel vermuten und kann auf diese Weise den Allgemeinzustand und damit die Fitness fressender und saugender Schadinsekten beeinflussen.

Im vorliegenden Projekt sollte speziell der Fitness des Kartoffelkäfers als bedeutendstem Schädling der Kartoffel nachgegangen werden.

Zusammenfassung

Die bisherigen Daten deuten darauf hin, dass keine auffälligen Änderungen in den trophischen (Ernährungs-) Beziehungen zwischen den unterschiedlichen transgenen Fruktan-Kartoffellinien und dem Kartoffelkäfer (Herbivor) auftreten. Die Physiologie des Kartoffelkäfers wird durch den Fraß an den transgenen Fruktan-Kartoffeln somit vermutlich nicht wesentlich verändert. Infolge davon ist mit keinem erhöhten Risiko in der Verschiebung der Schädlingshäufigkeit zu rechnen.

Versuchsbeschreibung

Die Fitness des Kartoffelkäfers (Leptinotarsa decemlineata) soll über die Parameter Fortpflanzung und Eiproduktion sowie Fähigkeit zur Infektionsabwehr überprüft werden. Fortpflanzung und Infektionsabwehr sind physiologisch sehr energieaufwändige Prozesse. Eine veränderte Futterqualität kann zu einer geringeren oder erhöhten Fortpflanzungsrate und/oder zu einer Schwächung bzw. Stärkung des Immunsystems gegenüber Mikroben und Parasitenführen.

In den Jahren 2003 und 2004 wurden die Untersuchungen im Gewächshaus durch Arbeiten auf dem Versuchsfeld der Biologischen Bundesanstalt (BBA) Kleinmachnow in Dahnsdorf begleitet.

Larven und frisch geschlüpfte Käfer beim Reifungsfraß

Aufzucht der Tiere. Die Untersuchungen wurden an verschiedenen Entwicklungsstadien des Kartoffelkäfers (Larven, Puppen und Imagines (fertig ausgebildete Insekten)) durchgeführt. Als Nahrung wurde - jeweils im Vergleich - Blattmaterial von transgenen Fruktan-Kartoffel-Linien und der konventionellen Ausgangssorte zur Verfügung gestellt. Die Kartoffelkäferzucht für die Laborversuche wurde im Gewächshaus auf einer isogenen Kartoffel-Linie durchgeführt. Die Eigelege, bestehend aus 20-30 Eiern, wurden in separaten Versuchskästen auf die Blätter der einzelnen transgenen Kartoffel-Linien gesetzt. Für die Untersuchungen wurden Tiere des letzten Larvenstadiums sowie frisch geschlüpfte Käfer im Reifungsfraß und geschlechtsreife Tiere verwendet.

Ergebnisse

Blutbild. Insekten besitzen ein offenes Kreislaufsystem, in dem die Blut- und Gewebeflüssigkeit (Hämolymphe) ungehindert zwischen den Organen zirkulieren kann. In der Hämolymphe werden Nahrungsstoffe transportiert sowie Fremdkörper immunologisch abgetötet, verdaut (phagocytiert) oder eingekapselt. Das jeweilige „Blutbild“ der untersuchten Individuen gibt Aufschluss sowohl über die Ernährungssituation (Zuckerwerte) als auch die Immunreaktionen auf Pathogene.

Abb.1 Plasmatocyten (Hämocyten- (Blutzell-)Typ mit Zellausläufern) stellen mit bis zu 95% den größten Anteil der Gesamt- Hämocyten-Population in der Hämolymphe (Blut- und Gewebeflüssigkeit) des Kartoffelkäfers.

Abb.2 Bei antibakterieller Aktivität der Hämolymph-Proben infizierter Tiere entstehen sog. Hemmhöfe im Agar (Pfeil).

Abb.3 Plasmatocyten nehmen mittels Phagocytose Bakterien (Pfeil) aus der Hämolymphe auf. Bei der Phagocytose werden Bakterien- oder Pilzsporen durch bewegliche Fresszellen aufgenommen, verdaut und auf diese Weise unschädlich gemacht.

Abb.4 Bakterien- Kulturplatten mit Abstrichen aus dem Darm

Eischlauch mit einer fast ablagebereiten Eizelle eines Kartoffelkäferweibchens

Abb.5 Eischlauch mit einer fast ablagebereiten Eizelle eines Kartoffelkäferweibchens

Abb.6 Die Auftrennung von Hämolymphproben zur Darstellung des Vitellogenins beim Kartoffelkäferweibchen

Hämocyten (Blutzellen) sind beim Kartoffelkäfer leicht zu gewinnen und zeigen eindeutige Veränderungen in der Zusammensetzung nach Infektionen mit Pathogenen. Mit Hilfe von Gewebeuntersuchungen und zellbiologischen Analysen konnten die unterschiedlichen Hämocyten-Typen des Kartoffelkäfers differenziert und zum Teil einer spezifischen Funktion zugeordnet werden. Bisher konnten keine Unterschiede im Blutbild zwischen Tieren, die als Nahrung mit konventionellen bzw. gentechnisch veränderten Kartoffelpflanzen gefüttert wurden, festgestellt werden.

Gesamtzahl der Hämocyten (Blutzellen). Im letzten Larvenstadium bis zu Beginn des Puppenstadiums ist ein kontinuierlicher Anstieg der Anzahl der Hämocyten zu beobachten. Die Hämocytenzahl nimmt in der Puppenphase wieder stark ab. Nach einer Injektion mit Bakterien (Micrococcus luteus) verändert sich die Gesamtzahl der Hämocyten. Sie ist bei infizierten Tieren - je nach Entwicklungsstadium - ganz unterschiedlich zu unbehandelten Kontrolltieren. Ein Vergleich der Hämocyten-Gesamtzahl von Larven, die auf verschiedenen transgenen Linien und den Wildtypen aufgezogen wurden, zeigte keine Unterschiede. Dagegen war die Blutzell-Gesamtzahl bei Tieren auf einer anderen untersuchten konventionellen Kartoffelsorte signifikant höher als die Hämocytenzahl der Larven von transgenen Pflanzen und ihres Wildtyps.

Bestimmung der antibakteriellen Aktivitäten. Die Abwehrkraft gegenüber Bakterien und Pilzen wird auch anhand des Hämolymphe-Protein-Spektrums festgestellt. Zu diesem Zweck wurden Larven und Imagines auf konventionellen und den gentechnisch veränderten Fruktan-Kartoffeln aufgezogen, mit ausgewählten Testbakterien und -pilzen infiziert und nach definierten Zeiten ihre Hämolymphe auf antimikrobiell wirkende Aktivität getestet. Da die antimikrobiellen Faktoren in der Regel Proteine sind, kann man auch anhand der Änderung des Hämolymph-Protein-Spektrums eine induzierte Abwehrreaktion erkennen. In der Hämolymphe des Kartoffelkäfers konnte 24 Stunden nach einer Bakterien-Infektion (mit Micrococcus luteus) antibakterielle Aktivität gegen verschiedene pflanzenassoziierte Bakterien nachgewiesen werden. Die Untersuchungen lieferten bislang keinen Hinweis auf Unterschiede in den antibakteriellen Aktivitäten der Hämolymphe zwischen Tieren auf konventionellen bzw. gentechnisch veränderten Kartoffellinien.

Phagocytose-Aktivität. Wichtige zelluläre Reaktionen der Infektionsabwehr bei Insekten sind Phagocytose und Einkapselung von Fremdkörpern. Bei der Phagocytose werden Bakterien oder Pilzsporen durch bewegliche Fresszellen aufgenommen, verdaut und auf diese Weise unschädlich gemacht. Über einfache Injektionsversuche mit fluoreszenzmarkierten Mikroben kann die Phagocytose-Leistung überprüft werden. Für die zelluläre Immunantwort der Kartoffelkäfer sind die beiden Hämocyten-Typen „Plasmatocyten“ und „granuläre Zellen“ verantwortlich. Plasmatocyten können mittels Phagocytose (siehe Abb.3) Bakterien eliminieren. Zur Untersuchung wurden Kartoffelkäferlarven im letzten Stadium mit dem Bakterium Bacillus megaterium infiziert und mit nicht- infizierten Kontroll-Larven verglichen. Hierbei konnten keine Unterschiede festgestellt werden.

Untersuchungen zur Darmflora. Die Zusammensetzung der Bakterien- Darm-Mikroflora wurde in Korrelation zum Fraß auf den Kartoffellinien erfasst (siehe Abb.4) und Bakterienisolate hinsichtlich ihrer Sensitivität gegenüber den antibakteriellen Hömolymphfaktoren getestet. Bisher konnten keine Unterschiede zwischen den Versuchstieren auf transgenen und isogenen Kartoffel-Linien festgestellt werden.

Veränderungen in der Reproduktionsleistung des Kartoffelkäfers. Für die Bestimmung des Reproduktionsstatus wurde der Reifungsgrad der Ovarien (siehe Abb.5) und der Dotterprotein- (Vitellogenin)-Gehalt der Hämolymphe von Käferweibchen (roter Pfeil siehe Abb.6) ermittelt. Diese Parameter sind eindeutig und einfach zu bestimmen. Die Untersuchungen fanden sowohl an Käferweibchen aus Klimakammerversuchen wie Feldproben statt. Veränderte Proteingehalte als Folge der genetischen Veränderungen der Futterpflanze sind bei den Gewächshausversuchen nicht festgestellt worden.