Entwicklung eines neuen Sicherheitssystems für die Produktion von Proteinen in Pflanzen mit veränderten Viren

(2001 – 2004) Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) (seit 2008 Julius Kühn-Institut (JKI)), Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit; Braunschweig

Thema

Mit Hilfe von modifizierten Viren können Pflanzen dazu gebracht werden, bestimmte Proteine zu produzieren. Mit solchen Verfahren kann eine hohe Protein-Ausbeute erreicht werden - wirtschaftlich interessant vor allem, wenn künftig in Pflanzen hochwertige Proteine wie etwa Pharmawirkstoffe synthetisiert werden sollen.

Der Einsatz modifizierter Viren wirft jedoch neue Sicherheitsfragen auf. Es gibt Bedenken, dass sich die modifizierten Viren ausbreiten und weitere Pflanzen infizieren könnten.

Aufgabe dieses Forschungsvorhabens war es, Kombinationen von modifizierten Viren und darauf zugeschnittenen transgenen Pflanzen zu entwickeln und zu erproben. Damit soll die unerwünschte Ausbreitung der Viren verhindert werden.

Das Verfahren soll eine Synthese von Proteinen in Pflanzen ohne Sicherheitsbedenken ermöglichen.

Informationen zum Verfahren:

Schematische Darstellung: Nutzung eines viralen Volllängenklons zur Bildung von Fremdprotein in Pflanzen

Zusammenfassung

Mit dem ersten System (top10/TetVP16, s.u.) wurde eine regulierte Expression des viralen Volllängenklons in transgenen Pflanzen erreicht. Verbleibendes Risiko: Die in diesen Pflanzen gebildeten Viruspartikel sind in Wildtyp-Pflanzen vermehrungsfähig. Allerdings funktioniert die Regulation der Genexpression nicht perfekt.

Das zweite System funktioniert wie geplant. Das Transport-defekte Virus kann ausschließlich transgene Pflanzen, die das Transportprotein exprimieren, systemisch infizieren. So wird ein unerwünschtes Verbreiten des Virus zuverlässig verhindert und eine sichere Synthese von Fremdproteinen mittels viraler Volllängenklone ermöglicht.

Versuchsbeschreibung

Bei der Entwicklung des Sicherheitssystems wird ein Volllängenklon des Kartoffel-Virus X (PVX) verwendet. Der Volllängenklon trägt ein Reporter-Gen (GUS-Gen) als Beispiel für ein zu produzierendes Fremdprotein. GUS ist ein Enzym, das einen farblosen Farbstoff in einen blauen Farbstoff umsetzen kann. So lässt sich durch einen einfachen Färbetest überprüfen, ob das GUS-Protein in der Pflanze produziert wird.

Ansatz 1: Ein Volllängenklon wird so verändert, dass er in einer normalen Pflanze keine Infektion erzeugen kann. Der viralen DNA-Sequenz wird ein Promotor (top 10) vorgeschaltet. Dieser Promotor wird nur dann „eingeschaltet“, wenn ein bestimmtes Protein (TetVP16) vorhanden ist. Da dieses Protein normalerweise in Pflanzen fehlt, kann kein Virus entstehen.

Das zur Aktivierung des modifizierten Volllängenklons notwenige „Schaltprotein“ ist jedoch in transgenen Tabakpflanzen vorhanden. Diese werden ausschließlich zu diesem Zweck erzeugt.

Erst wenn ein top10-kontollierter Volllängenklon mittels Agroinfektion in diese transgene Tabakpflanze eingebracht wird, aktiviert das in der Pflanze gebildete TetVP16-Protein den top10-Promotor. Die Folge: die virale Sequenz wird abgelesen und Virus-Protein - einschließlich des gewünschten Fremdproteins - wird in der Pflanze gebildet.

Dieser Ansatz funktioniert auch, wenn der top10-kontrollierte Volllängenklon gleichzeitig mit dem Gen für das TetVP16-Protein in nicht-transgene Tabakpflanzen eingeführt wird und es zu einer transienten Expression (vorübergehend, nicht-stabil) des TetVP16-Proteins kommt.

Der Nachteil dieses Ansatzes ist, dass sich das Virus verbreiten kann, nachdem es in einer TetVP16 exprimierenden Pflanze gebildet wurde.

Ansatz 2: Es soll daher ein System mit einem höheren Sicherheitsniveau entwickelt werden, bei dem eine Verbreitung des Virus außerhalb der transgenen Pflanze ausgeschlossen ist.

Dies wird durch Entfernung des viralen Transportprotein-Gens erreicht, welches für die systemische Ausbreitung des Virus in der Pflanze zuständig ist. Das veränderte Virus ist dann nicht mehr in der Lage sich in normalen (Wildtyp-) Pflanzen auszubreiten. Wird dieses Transport-defekte Virus dagegen in transgene Pflanzen eingebracht, die das virale Transportprotein exprimieren, kann dieser „Defekt“ behoben werden, so dass diese Pflanzen systemisch durch das Virus infiziert werden.

Verfahren und Sicherheitssystem sollen auf andere Virus/Wirt-Systeme übertragen und zur Produktion von Fremdproteinen eingesetzt werden. Zudem wird die biologische Sicherheit der beiden Ansätze untersucht.

Ergebnisse

Wildtyp-Tabakpflanze nach Infektion mit unverändertem Volllängenklon

GUS-Expression = systemische Infektion durch PVX GUS in Wildtyp-Pflanze

Wildtyp-Tabakpflanze nach Infektion mit Transport-defektem Volllängenklon

keine GUS-Expression = keine systemische Infektion durch PVX GUS Δ25k in Wildtyp-Pflanze

Transgene Tabakpflanze, die das Transportprotein selber produziert, nach Infektion mit Transport-defektem Volllängenklon

GUS-Expression = systemische Infektion durch PVX GUS Δ25 nach „Reparatur“ des Transportdefektes in der transgenen Pflanze

Ansatz 1: Mit Hilfe des top10/TetVP16-Systems wurde eine regulierte Expression des viralen Volllängenklons in TetVP16-exprimierenden Pflanzen erreicht. Verbleibendes Risiko: Die in diesen Pflanzen gebildeten Viruspartikel sind in Wildtyp-Pflanzen vermehrungsfähig.

Über einen längeren Beobachtungszeitraum hat sich allerdings gezeigt, dass die Regulation der Genexpression über das „Schaltprotein“ TetVP16 nicht perfekt funktioniert. Der top10 Promoter, der die „Ablesung“ nur bei Anwesenheit des „Schaltproteins“ freigeben sollte, ist keine ausreichende „Hürde“. Wenn der virale Volllängenklon bei der Agrobakterieninfektion ins Pflanzengenom integriert wird, scheint es auch vorzukommen, dass pflanzeneigene Promotoren einen Start der Ablesung verursachen. Derzeit wird versucht, die Funktionalität des top10 Promotors mit zusätzlichen „Stop“-Sequenzen zu verstärken.

Ansatz 2: Es wurden Volllängenklone hergestellt, bei denen das für die systemische Infektion notwendige Transportprotein zerstört wurde (PVX GUS Δ25). Zusätzlich wurden transgene Tabakpflanzen (Nicotiana benthamiana) hergestellt, die dieses virale Transportprotein-Gen tragen.

Es konnte gezeigt werden, dass das System wie geplant funktioniert.

  1. Bei Infektion der nicht-transgenen Tabakpflanze mit Agrobakterien, die den viralen Volllängenklon incl. dem Gen für das Transportprotein tragen (PVX GUS), kommt es zu einer systemischen, d.h. die ganze Pflanze betreffenden Infektion.
  2. Infiziert man die nicht-transgene Tabakpflanze mit dem Agrobakterium, das den Volllängenklon ohne Transportprotein-Gen (PVX GUS Δ25) trägt, bleibt eine systemische Infektion aus.
  3. Infiziert man nun transgene Tabakpflanzen, die selber das Transportprotein produzieren mit Agrobakterien, die den Volllängenklon ohne Transportprotein-Gen (PVX GUS Δ25) tragen, kommt es wieder zu einer systemischen Infektion.

Symptombild bei Tabakpflanzen 21 Tage nach Infektion (oben)

Blatt aus dem oberen Bereich der jeweiligen Pflanze nach GUS-Test (unten)

Da das Transport-defekte Virus ausschließlich transgene Pflanzen, die das Transportprotein exprimieren, systemisch infizieren kann, wird eine unerwünschte Verbreitung des Virus zuverlässig verhindert und eine sichere Synthese von Fremdproteinen mittels viraler Volllängenklone ermöglicht.