Die Bedeutung von Landschaftsstrukturen für die Entwicklung eines anbaubegleitenden Monitoring.

(2001 – 2004) Büro für Landschaftsökologie und Umweltstudien (BLaU-Umweltstudien), Göttingen

Thema

Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen (GVP) mit Anbaugenehmigung müssen nach der europäischen Richtlinie 2001/18/EU durch ein anbaubegleitendes Monitoring im Hinblick auf unerwartete Umwelteffekte beobachtet werden. Je nach Pflanzenart und Anbauverfahren wären z.B. deren spezifische Vermehrungs-, Überdauerungs- und Ausbreitungsmöglichkeiten in Anbaugebieten zu prüfen. Die zumeist in regional verschiedenartigen Agrarlandschaften liegenden Anbaugebiete sind geprägt durch ein Mosaik unterschiedlicher, oft nah beieinander liegender und strukturbildender Lebensräume (Habitate). Einige der nicht-landwirtschaftlich genutzten Habitate besitzen ackerähnliche Eigenschaften und können Ausweichlebensräume für Nutzpflanzen sein.

Durch gentechnisch veränderte Sorten können in Abhängigkeit von den eingeführten Genen unter Umständen Beeinflussungen der Umwelt eintreten, besonders wenn die Sorten durch das neue Merkmal verbesserte Verwilderungs- und Überdauerungseigenschaften erhalten. Ausgehend von bisherigen Beobachtungen sind in hiesigen Anbaugebieten Umwelteffekte vorrangig bei blühenden und fruchtenden Arten wie Raps und Getreide möglich. Beispiele für neue u.U. verhaltensändernde Eigenschaften können sein:

  • Krankheits-/Schädlingsresistenzen,
  • Beeinflussungen von Stoffwechselleistungen,
  • morphologische Marker mit Auswirkungen auf den Phänotyp,
  • Stärkung der Winterhärte.

Führen die neuen Eigenschaften zu Änderungen des Verhaltens von Nutzpflanzenarten, leiten sich für ein anbaubegleitendes Monitoring im Hinblick auf den „Schutz ökologischer Systeme“ und den „Erhalt der Biodiversität“ folgende Handlungsfelder ab:

  • Überwachung des Ausbreitungsverhaltens,
  • Untersuchungen zur Veränderung von Lebensgemeinschaften,
  • Kontrolle von Beeinflussungen der Artenvielfalt.

Zum Aspekt „Landwirtschaft“ zählen folgende Handlungsfelder:

  • neuartige Anbaumethoden,
  • Einfluss auf Pflanzenschutzmittel-Bilanzen,
  • veränderte Planzeneigenschaften.

Bei der Implementierung eines Monitoring-Netzwerkes zur Registrierung der genannten Einflussfaktoren auf Agrarlandschaften sollte im Interesse einer effizienten Flächenauswahl und zur Erzielung ökologisch aussagefähiger Ergebnisse die Möglichkeit geschaffen werden, beide Aspekte gleichzeitig zu prüfen.

Folgende Fragen waren zu klären:

  • Wie sind Landschaftsstrukturen und Lebensräume beschaffen, die u.U. für eine Ausbreitung und Ansiedlung von Raps und Getreidearten geeignet sind?
  • Wo sind sie zu finden?
  • Welche Lebensräume einer Kulturlandschaft bieten günstige Bedingungen für eine Kreuzung zwischen Raps und wildverwandten Arten?
  • Wo liegen regionale Anbauschwerpunkte der relevanten Kulturarten?

Ausgehend von diesen Fragen sollte ein Netzwerk aus geeigneten Landschaftsausschnitten (Agrarlandschafts-Messnetz) die räumliche Basis eines anbaubegleitenden Monitorings bilden. Kriterien für die Auswahl geeigneter Landschaftsausschnitte wurden mit Hilfe empirischer Verfahren entwickelt. Zusätzlich sind in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF e.V., Müncheberg) modellhafte Ansätze verfolgt worden.

Zusammenfassung

Am Beispiel von 22 je neun Quadratkilometer großen Agrarlandschaftsausschnitten wurden Kriterien für die Einrichtung eines Netzes von Flächen aufgestellt, die für ein vergleichendes anbaubegleitendes Monitoring von angebauten gv-Pflanzen geeignet sind. Die Messnetzflächen sollen zur Indikation potenzieller Umweltwirkungen in und außerhalb landwirtschaftlicher Nutzflächen (z.B. zur Erkennung von Ausbreitungstendenzen) dienen.

Ein auf landwirtschaftliche und Umweltbelange abzielendes Monitoring-Netz sollte aus ausreichend großen Landschaftsausschnitten bestehen. Bei der Auswahl bildet der Anteil gestörter Flächen ein entscheidendes Kriterium. Je größer deren Bedeutung, desto mehr steigt die Chance zur Ansiedlung blühender und fruchtender Kulturarten außerhalb landwirtschaftlicher Nutzflächen.

Versuchsbeschreibung

Landschaftsanalysen

In sechs Landschaften Brandenburgs (Fläming, Nuthetal, Barnimer Platte, Oderbruch, Uckermark, Prignitz) wurden 22 je neun Quadratkilometer große Landschaftsausschnitte zur Charakterisierung der regionalen Anbau- und Lebensraumverhältnisse ausgewählt. Verteilung, Größe und Typen der landwirtschaftlich und nicht-landwirtschaftlich genutzten Ökosysteme wurden kartiert und beschrieben. Nicht-genutzte Lebensräume sind entweder linienförmig (z.B. Weg-, Straßen-, Graben- und Ackerränder) oder flächig ausgebildet (Brachflächen, Ecken von Ackergewende, Lagerplätze, usw.). Vegetationsaufnahmen bildeten das Rückgrat der über drei Jahre hinweg wiederholten Kartierungen. Mit Hilfe von digitalen Luftbildern und einer speziellen CAD-Software wurden die erhobenen Daten statistisch aufbereitet und landschaftstypische Merkmale abgeleitet.

Dauerbeobachtungen

Vorrangig auf Ackerflächen wurden Dauerbeobachtungsflächen eingerichtet. Vegetationskartierungen dienten zur Anzeige von Veränderungen auf der Ebene der Pflanzengesellschaften. Die Basis der Aussagen über Veränderungen sollte der Vergleich zwischen Anbausystemen mit bzw. ohne gentechnisch veränderte Nutzpflanzen in derselben Region bilden. Aufgrund des starken Rückgangs von Freisetzungsvorhaben seit dem Jahr 2000 war der Vergleich jedoch nur sehr eingeschränkt möglich. Primär erfolgten die Untersuchungen auf herkömmlich bewirtschafteten Flächen (Status-quo-Erfassung). Als Indikatoren für Veränderungen dienten zusätzlich phänologische Erhebungen und Ähnlichkeitsabschätzungen.

Aufwandsermittlung und Optimierung

Weitere Ziele des Projektes bestanden in der Ermittlung der personellen, technischen und finanziellen Ressourcen sowie der Auslotung von Möglichkeiten zur Aufwandsverringerung, z.B. durch Messnetzoptimierung. Dies geschah in Zusammenarbeit mit dem Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) und der Firma „BioMath“.

Ergebnisse

Landschaftsanalysen

Je nach Landschaft zeigen sich oft regionaltypische Landnutzungen. Gleiches gilt auch für die Ausstattung mit nicht-landwirtschaftlich genutzten Biotopen (Abb. 1). Unter letzteren sind für ein umweltorientiertes anbaubegleitendes Monitoring vor allem störungsgeprägte Lebensräume von Bedeutung, z.B. Lagerplätze, Böschungen, Weg-, Straßen-, Grabenränder, Ackerränder, selten benutzte Wege und Anbauflächen von bestimmten Sommerkulturen. Sie besitzen stellenweise offene Bodenoberflächen, da sie durch menschlichen Einfluss regelmäßig gestört werden. Herrschen derartige Bedingungen an einem Standort, können sich auch konkurrenzschwache einjährige Nutzpflanzen außerhalb eines Ackers behaupten.

Ackerbrache mit Ausfallgetreide und Ausfallraps

Ausfall-Raps am Rand eines Weizenfeldes

Durchwuchsraps in einem erntereifen Erbsenfeld

Ruderalstreifen zwischen Feldweg und Acker, bewachsen u.a. mit Ausfallweizen

Flächenanteile gestörter Biotope

Abb. 1: Flächenanteile gestörter Biotope der Rangstufen 2 und 3 in brandenburgischen Tallandschaften, im Oderbruch, in den zentralen Plattenlandschaften Brandenburgs, in der Prignitz und der nördlichen Uckermark (Die Balkengröße zeigt das Mittel, die Länge der Fehlerbalken die Varianz der drei Erhebungsjahre).

Gliederung gestörter Lebensräume

Gestörte Lebensräume zeigen eine Abstufung im Vorkommen einjähriger (annueller) Arten. Je ackerähnlicher die Verhältnisse, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Nutzpflanzen - deren Samen zumeist durch Transportverluste dorthin gelangen - ebenso wie manche wildverwandte Unkrautarten an diesen Stellen angetroffen werden.

Die Kartierergebnisse legen die Erstellung einer Rangfolge nach der Eignung der nicht-landwirtschaftlichen Habitate für Nutzpflanzen nahe. Eine Einteilung der Lebensräume in vier Kategorien:

  • kein Auftreten (Kategorie 0),
  • seltenes Auftreten (Kategorie 1),
  • gelegentliches Auftreten (Kategorie 2) und
  • häufiges Auftreten (Kategorie 3)

gibt die Wahrscheinlichkeit für die Ansiedlung von Kulturarten außerhalb landwirtschaftlicher Flächen wider. Für ein anbaubegleitendes Monitoring ist die Untersuchung von gestörten Biotopen der Kategorien 2 und 3 zu empfehlen.

Bedeutung gestörter Lebensräume in Agrarlandschaften

Die Ergebnisse der Inventur gestörter Biotope in den 22 Landschaftsausschnitten zeigt Abb. 1. Danach ist die ursprüngliche Einteilung nach räumlich streng festgelegten Landschaften nicht in jedem Fall sinnvoll. Sind Landschaftsausschnitte durch bestimmte Standortfaktoren, z.B. Bodennässe oder – trockenheit geprägt, dominieren diese Faktoren die Anbaubedingungen stärker als deren räumliche Lage.

Basierend auf den 22 Landschaftsausschnitten liegt der relative Anteil gestörter Biotope im Schnitt zwischen vier und fünf Prozent mit allerdings starker Varianz. Der Anteil gestörter Areale beträgt in der nördlichen Uckermark im Durchschnitt 1,9 Prozent, in Rädekow (Zentral- und Ostbrandenburgische Moränenplatten) 12,2 Prozent. Niedrige Werte sind typisch für besonders strukturarme, hohe Werte für reich strukturierte Landschaften.

Um die Variabilität landwirtschaftlicher Nutzungen und der Lebensräume für ein auf landwirtschaftliche und Umweltbelange abzielendes Monitoring-Netz zu berücksichtigen, sollte es aus spezifisch ausgewählten und ausreichend großen „Messnetzpunkten“ bestehen.

Dauerbeobachtungen

Nur in zwei Fällen konnten Dauerbeobachtungsflächen auf und neben Freisetzungsstandorten eingerichtet werden, alle anderen befanden sich auf herkömmlich bewirtschafteten Flächen. Ihr Pflanzenbesatz wurde während der drei Versuchsjahre an mindestens drei Terminen pro Jahr vegetationskundlich aufgenommen. Da es sich bei den Versuchen mit gv-Pflanzen um mehrjährige Untersuchungen mit Phosphinotricin-tolerantem (HR-)Raps und/oder (HR-)Mais handelte, zeigte sich in Nachfolgejahren das Problem des Rapsdurchwuchses. Im Vergleich mit herkömmlichen Herbiziden ist eine Minderung der Pflanzenartenvielfalt jedoch keine zwangsläufige Folge des Phosphinotricin-Einsatzes.

Auswahl von Landschaftsausschnitten für ein Monitoring-Netzwerk

Bei der Auswahl von Agrarlandschaftsausschnitten für ein Monitoring-Netzwerk sind mehrere Aspekte zu berücksichtigen. Mit zunehmender Größe der mit einer Kulturart bestellten Fläche in einem Landschaftsausschnitt steigt die Wahrscheinlichkeit, in gestörten Lebensräumen außerhalb von Feldern Kulturpflanzen anzutreffen. Ein hoher oder geringer relativer Flächenanteil einer (gentechnisch veränderten) Kulturart in einer Region gibt somit einen ersten Hinweis auf die Bedeutung eines Gebietes als „Messnetzpunkt“. Ein zusätzliches Kriterium sollte der Anteil gestörter Flächen in einem Landschaftsausschnitt sein (s.o.). Werden beide Kriterien mit jeweils hohen Werten für die Auswahl herangezogen, entsteht ein Netz von Landschaftsausschnitten im Sinne eines „worst-case-szenario“. Ein derartiges Messnetz kann am ehesten Verbreitungstendenzen bei Kulturarten anzeigen.

Vorgehen bei der Auswahl von Flächen für ein Raps-Monitoring

Abb. 2: Vorgehen bei der Auswahl von Flächen für ein Raps-Monitoring aus der Gesamtheit der 22 untersuchten Landschaftsausschnitte (Zusammenführung der Drei-Jahres-Mittelwerte von relativer Rapsanbaufläche und relativem Anteil gestörter Lebensräume in einer XY-Grafik – jeder Punkt repräsentiert den 3-Jahresdurchschnittswert eines Landschaftsausschnittes)

Das Vorgehen bei der Auswahl von Messnetzflächen für ein Raps-Monitoring zeigt Abb. 2. Darin ist für jeden Landschaftsausschnitt der Anteil der mit Raps bestellten Flächen sowie der Anteil gestörter Flächen in einem zweidimensionalen Koordinatensystem dargestellt. Zur Unterstützung des Auswahlverfahrens dient je eine horizontale und eine senkrechte (Grenz-)Linie. Die senkrechte Linie zeigt den mittleren Anteil der Rapsanbauflächen an der landwirtschaftlichen Nutzfläche über alle Landschaftsausschnitte und Untersuchungsjahre. Er liegt bei etwa elf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LNF). Die waagerechte Linie repräsentiert den mittleren Anteil aller gestörten Flächen an der LNF über die 22 Landschaftsausschnitte und Untersuchungsjahre (etwa 3,4 Prozent der LNF). Im vorliegenden Fall würde die Auswahl auf die drei oberhalb der beiden roten Linien gelegenen Landschaftsausschnitte fallen. Grundsätzlich wären noch weitere Entscheidungskriterien denkbar. Allerdings kommt den beiden vorgestellten Faktoren vor dem Hintergrund des mit dem Projekt verfolgten Zieles - eines an ökologischen Kriterien orientierten Flächenauswahlverfahrens - eine vorrangige Bedeutung zu.