Erstellung eines Modells zu Gentransfer und Verwilderung bei transgenen Zuckerrüben

(1998 – 2000) Justus-Liebig-Universität Gießen, Biometrie und Populationsgenetik

Thema

Aufgabe ist die Entwicklung eines mathematischen Modells, mit dessen Hilfe verschiede Fragen beantwortet werden können, die mit einem möglichen großflächigen Anbau gentechnisch veränderter Zuckerrüben zusammenhängen.

Das Modell soll helfen, den Genfluss bei einem großflächigen Anbau transgener Zuckerrüben, aber auch anderer Pflanzen abzuschätzen.

Zusammenfassung

Das entwickelte Modell simuliert die zu erwartenden Auskreuzungsfrequenzen. Es liefert Ergebnisse, die mit experimentellen Daten gut übereinstimmen.

  • Mit Hilfe des Modells können Sicherheitsaspekte bei der Planung von Versuchsanlagen berücksichtigt werden. Bei Auskreuzungsversuchen liefert es Angaben zu der erforderlichen Zahl von Stichprobenuntersuchungen.
  • Das Modell ist kleinräumig anwendbar in Bezug auf einzelne Individuen und Populationen. Es kann aber auch den Genfluss und seine Auswirkungen auf größere Regionen (max. 30 x 30 qkm) simulieren. Die Ergebnisse können bei der Gestaltung eines zukünftigen Monitoring-Programms helfen.

Versuchsbeschreibung

Um die zur Entwicklung des Modells notwendigen Daten zu erhalten, wurden keine eigenen Versuche durchgeführt. Das Modell basiert auf Daten anderer Versuche sowie auf Literaturangaben.

Das Modell berücksichtigt folgende Parameter: Genotyp, Schosserhäufigkeit, Anzahl der Pollen und der Samen, Distanz der Samenausbreitung, Keimfähigkeit, Überwinterung und Fruchtfolge.

Um den Genfluss sowohl in der räumlichen wie in der zeitlichen Dimension abzubilden, besteht das Modell aus zwei Modulen.

Modul: Vertikaler Gentransfer

Im Modul zum vertikalen Gentransfer wird die Auskreuzung transgener Pollen in andere Populationen (Wild- und Kulturarten) in Abhängigkeit von Entfernung und Wind abgeschätzt.

Modul: Populationsinterne Dynamik

Dieses Modul beschreibt die Konsequenzen für eine Rüben-Population, in der das Transgen möglicherweise erhalten bleibt und damit einen Veränderungsprozess innerhalb der Population in Gang setzt (Populationsdynamik). Je nach Überwinterung, Keimung und Konkurrenzkraft der Jungpflanzen wird für die nächste Vegetationsperiode berechnet, wie sich die Verteilung der verschiedenen Pflanzen-Individuen ändert. Diese Daten gehen wieder in das Modul zum vertikalen Gentransfer ein.

Das Modell ist mit dem Geographischen Informationssystem (GIS) verknüpft. Dadurch können Karten über Landnutzung und Verbreitung von Wildrüben einbezogen werden.

Ergebnisse

Das am Beispiel von Zuckerrüben entwickelte Modell ist geeignet, in konkreten Einzelfällen den möglichen Genfluss von transgenen Kulturpflanzen in Wildpopulationen abschätzen.

Modul vertikaler Gentransfer

Dieses Modul wurde anhand experimenteller Daten überprüft. Es stimmt für größere Entfernungen gut mit den beobachteten Werten überein. Unter 20 Meter errechnet das Modell jedoch zu hohe Auskreuzungswahrscheinlichkeiten.

Das Modul kann außerdem zur Verbesserung von Stichprobennahmen bei Auskreuzungsversuchen genutzt werden. In Abhängigkeit von der Entfernung liefert es die Anzahl der Stichproben, die erforderlich ist, um mindestens ein Auskreuzungsereignis nachweisen zu können.

Populationsinterne Dynamik

Derzeit stehen nicht genügend Daten zur Populationsdynamik von Zuckerrüben zur Verfügung. Daher konnte das Modul nur anhand theoretischer Betrachtungen überprüft werden.

Das Modell ist geeignet, verschiedene Prozesse zu simulieren. Es muss allerdings weiter entwickelt und mit konkreten Daten „geeicht“ werden. Erst danach sind unter entsprechend gewählten Bedingungen tragfähige Aussagen möglich.

Modell Genfluss Zuckerrüben / Wildrüben über 10 Jahre: Kultursorte Zuckerrübe (blau), Wildrüben (grün), Hybride aus Wild- und Kulturrüben (orange)

Beispiel: Einfluss einer Kultursorte auf benachbarte Wildpopulationen

Mit Hilfe des Modells wird simuliert, welchen Einfluss eine bestimmte Zuckerrüben- Kultursorte auf benachbarte Wildrüben bei unterschiedlichen Anbauweisen hat.

  • Bei einem einmaligen Anbau der Zuckerrüben treten außerhalb der Anbauflächen einige Hybridpflanzen (Kreuzungen von Wild- und Zuckerrüben) und vereinzelte Zuckerrüben auf, die aber nach sechs Jahren wieder verschwinden (oben).
  • Bei einem permanenten Anbau verdrängt die Zuckerrübe die Wildrüben völlig (Mitte).
  • Bei einer Fruchtfolge, in der alle drei Jahre Zuckerrüben angebaut werden, treten über 50 Prozent Hybride auf. Wild- und Kulturrüben halten sich in etwa die Waage (unten).