Virusresistente gentechnisch veränderte Kartoffeln – Genetische Stabilität und die Möglichkeit der Entstehung neuer Viren

(2000 – 2003) Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ) (seit 2008 Julius Kühn-Institut (JKI)), Institut für Resistenzforschung und Pathogendiagnostik, Aschersleben

Thema

Um virusresistente Pflanzen zu erzeugen, werden mit Hilfe gentechnischer Methoden Teile des Genoms von Pflanzenviren in das pflanzliche Genom übertragen. Diese Pflanzen sind die natürlichen Wirte der Viren. Ein Erfolg versprechender Ansatz ist z. B. das Einbringen von Genomabschnitten, die für das Hüll- Protein des Virus codieren. Durch die Transkription dieser Genomabschnitte werden in der Pflanze Mechanismen ausgelöst, die vor Virenbefall schützen.

Pflanzen werden im Freiland von verschiedenen Viren befallen. Bei diesen Mischinfektionen können die Viren Genomabschnitte und ihre Hüllproteine untereinander austauschen. Umgibt sich ein Virus mit fremden Hüllproteinen, so wird dies als Transkapsidierungbezeichnet. Bei der viralen Rekombination werden dagegen Genomabschnitte zwischen den Viren oder ihren Stämmen ausgetauscht. Werden nun Genomabschnitte von Viren auf gentechnischem Wege in die Pflanze eingebracht, so kann dies mit einer natürlichen Virusinfektion verglichen werden. Demzufolge sind auch virale Rekombinationen möglich. Dieser Prozess wurde im Projekt näher untersucht.

Im vorliegenden Projekt wurden Gensequenzen des Potato virus Y (Kartoffel Y-Virus, PVY) in Kartoffeln übertragen. Zielsetzung des Projektes war es herauszufinden, ob dieser gentechnische Ansatz nachteilige Folgen für die Umwelt hat:

  • Werden andere, die Pflanze befallende Viren beeinflusst und kommt es zur Bildung neuer virulenter(er) Virusstämme?
  • Verändern Stresssituationen die Genaktivität der eingeführten Sequenzen?
  • Gibt es Auswirkungen auf die Populationsdichte und das Artenspektrum von Blattläusen, die als Überträger (Vektoren) der Viren dienen?

Zusammenfassung

Virale Rekombinationen. In transgenen Kartoffeln, die virale Gensequenzen des PVY-Stammes exprimieren, konnten Rekombinationen mit infizierenden PVY-Virusstämmen festgestellt werden. Ob diese neuen Virusstämme virulenter sind und natürlich resistente Wirte befallen können, bedarf weiterer Untersuchungen.

Keine Rekombinationen wurden dagegen festgestellt zwischen unterschiedlichen (heterologen) Virusarten. So wurden die in die Kartoffeln übertragenen Gensequenzen des PVY-Stammes nicht von infizierenden PVA-Isolaten aufgenommen.

Auswirkungen von Stressfaktoren. Wird die Pflanze Stresssituationen ausgesetzt, kann dies die Translationsaktivität beeinflussen. Stress durch Überdosierung von Pflanzenschutzmitteln führte zu einer verringerten Translationsaktivität des Transgens.

Veränderungen in der Virusanfälligkeit. Es wurde keine generelle Veränderung der Anfälligkeit gegenüber anderen Viren als dem Zielvirus PVY festgestellt. Nur in Einzelfällen zeigte eine transgene Linie eine erhöhte Infektionsrate mit dem Nichtzielvirus PLRV.

Veränderungen im Virusvektor-Spektrum (Blattläuse). Es wurden keine Effekte der transgenen Linien auf die Populationsdichte und das Artenspektrum der Blattläuse festgestellt.

Versuchsbeschreibung

Untersuchungen zur viralen Rekombination

Virale Rekombinationen scheinen besonders häufig bei Potyviren, zu denen das untersuchte PVY zählt, aufzutreten. Werden nun Genomabschnitte dieser Viren auf gentechnischem Wege in die Pflanze eingebracht, ist zu prüfen, ob auch zwischen transgener RNA und viraler RNA Rekombinationen zu beobachten sind.

Zu diesem Zweck wurden die transgenen Pflanzen mit verschiedenen Viren oder Virenstämmen infiziert. Es wurden zum einen PVY-Stämme verwendet, die zu den eingeführten Transgenen weitgehend homologe Sequenzen aufweisen und im anderen Fall Potato virus A, das heterologe Gensequenzen zeigt, aber zur selben Familie wie das PVY gehört und ebenfalls natürlich in der Kartoffel vorkommt. Nach dem Austrieb der Knollen wurde den Pflanzen virale RNA entnommen und über ein genetisches Fingerprinting nach Rekombinationen gesucht.

Transkapsidierungen – Auswirkung von Stressfaktoren

Werden in den gentechnischen Strategien zur Virusresistenz Hüllproteine exprimiert, so besteht das Risiko von Transkapsidierungen, also dem Austausch von transgenen Hüllproteinen mit solchen die Pflanze infizierender Viren. Durch den Einsatz nicht oder nur minimal translatierbarer Hüllproteine könnte dieses Risiko gemindert werden. Frühere Untersuchungen haben ergeben, dass es offensichtlich für den Aufbau einer Immunreaktion ausreicht, wenn nur die RNA und nicht das Hüllprotein selber ausgebildet wird.

Es sollte untersucht werden, ob unter Stressbedingungen die Translation beeinflusst wird. Stress wurde im Versuch über die Gabe hoch dosierter Pflanzenschutzmittel simuliert. Ebenso wurde untersucht, ob die transgene DNA im Wirt Mutationen unterworfen ist. Diese Mutanten können die Quelle neuer Sequenzen sein, die dann ins Virusgenom gelangen.

Veränderungen im Virusspektrum

Reagieren Pflanzen mit einer Resistenz gegen Viren, so können sich daraus in der Folge Veränderungen im Virusspektrum ergeben.

So wäre vorstellbar, dass bestimmte Viren oder Viren-Stämme verdrängt werden, andere dagegen vermehrt auftreten und neue phytopathologische Probleme hervorrufen. Beobachtungen (Monitoring) derartiger möglicher Veränderungen sollten sowohl das PVY-Virus, gegen das die transgene Resistenz gerichtet ist, als auch alle anderen in Mitteleuropa anzutreffenden, durch Blattläuse übertragbaren Viren umfassen.

Veränderungen im Virusvektor-Spektrum (Blattläuse)

Durch die gentechnische Veränderung kann es möglicherweise zu Veränderungen im pflanzlichen Stoffwechsel kommen. Durch veränderte Zusammensetzungen der Inhaltsstoffe im Phloem (Nährstoffleitgewebe der Pflanze), von dem sich die Blattläuse ernähren und das in der Regel wenig Aminosäuren aufweist, könnten diese Pflanzen für Blattläuse sowohl attraktiver als auch weniger interessant - sogar toxisch - werden. Daher wurden die Populationsgrößen und das Artenspektrum der Blattläuse vergleichend über die gesamte Vegetationsperiode erfasst.

Ergebnisse

Rekombination zwischen Transgen (PVY-stämmig) und infizierendem PVY-Stamm

Unter Freilandbedingungen konnte ein erster Hinweis auf eine Rekombination zwischen transgener und viraler RNA in Abwesenheit jeglichen selektiven Drucks gefunden werden. So wurden in einer Versuchsanlage, in der nur ein Virustyp des Y-Virus (der PVYO-Stamm) vorkam, eine Rekombination zwischen diesem und der transgenen RNA, die auf einem PVYN-Stamm basiert, gefunden. Die einzige Quelle der PVYN-Sequenz war in dieser Anlage das Transgen.

In weiteren Freilandexperimenten wurden in transgenen Kartoffeln insgesamt sechs Rekombinationen zwischen der RNA unterschiedlicher PVY-Stämmen gefunden. Solche Rekombinanten ließen sich nie in den nicht-transgenen Kartoffeln nachweisen. Die Rekombinationsrate zwischen Virusstämmen scheint somit in transgenen Pflanzen erhöht zu sein.

Rekombination zwischen transgener PVY-RNA und PVA-Stämmem

Rekombinationen zwischen transgener PVY-RNA mit der RNA infizierender PVA-Stämme wurden nicht beobachtet.

Allerdings wiesen die transgenen Pflanzen nur einen geringen Befall mit dem PVA auf, da sie gegen dieses Virus im Freiland anscheinend eine hohe transgene Resistenz aufwiesen.

Transkapsidierungen – Auswirkungen von Stressfaktoren

Mutationen: Die Untersuchungen zeigten, dass die transgene DNA über längere Zeiträume im Wirtsgenom unverändert bleibt. Dadurch ist die Gefahr gering, dass durch Mutationen aus nicht translatierbarer rekombinanter RNA doch translatierbare Formen entstehen könnten. Allerdings führte Stress durch Überdosierung von Pflanzenschutzmitteln zu einer verringerten Translationsaktivität des Transgens.

Stress: Stresssituationen durch Überdosierung von Pflanzenschutzmitteln führten zu einer Beeinflussung und zwar Verringerung der Translationsaktivität des Transgens.

Veränderungen in der Virusanfälligkeit

In Freilandversuchen zeigte eine transgene Linie eine stark erhöhte Infektionsrate mit dem Nichtzielvirus PLRV. Eine generelle Veränderung der Empfindlichkeit gegenüber Nichtzielviren durch die gentechnisch erzeugte Virusresistenz gab es jedoch nicht. In einigen Fällen wurde die transgene Virusresistenz jedoch von hochvirulenten Stämmen des PVY überwunden. Der Anbau transgener Pflanzen mit unvollständiger Resistenz kann also zu Verschiebungen im Stammspektrum des Zielvirus führen.

Veränderungen im Virusvektorspektrum (Blattläuse)

Das Spektrum im Befall mit Blattlausarten zeigte im Lauf der Versuchsdauer 2000-2003 jahresbedingte Veränderungen, aber keine gesicherten Unterschiede zwischen transgenen Linien und den konventionellen Kartoffelsorten. Das Verhältnis von Larven zu Erwachsenen, Ausdruck des Reproduktionserfolges, und die Populationsdichte auf transgenen und nicht-transgenen Pflanzen änderte sich ebenfalls nicht und lässt auf das Fehlen toxischer Effekte des Transgens schließen.