Erste Freisetzung in Deutschland – Begleitende Sicherheitsforschung zu gentechnisch veränderten Pflanzen (Petunien)

(1990 – 1993) Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (MPI), Abteilung Genetische Grundlagen der Pflanzenzüchtung, Köln

Thema

Im Jahr 1990 wurde am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln der erste Freilandversuch mit gentechnisch veränderten Pflanzen (Petunien) in Deutschland durchgeführt. Durch den Freilandversuch sollte folgende Fragestellung experimentell bearbeitet werden:

  • Kann die genetische Information von Pflanzen im Boden überdauern und falls dies so ist, kann sie in das Erbgut von Bodenbakterien eingebaut werden (horizontaler Gentransfer)?

Um diese Fragestellungen beantworten zu können, war eine Methodik zu erarbeiten, die die DNA transgener Pflanzen im natürlichen Ökosystem nachweist.

Außerdem galt es einen experimentellen Ansatz zu entwickeln, der Aussagen zur Wahrscheinlichkeit eines horizontalen Gentransfers liefert.

Zusammenfassung

Im Zusammenhang mit der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen wird die Befürchtung geäußert, dass in transgene Pflanzen eingebrachte Gene, die oft auch bakteriellen Ursprungs sind, in Bodenbakterien zurückgelangen könnten.

Die im Projekt entwickelte Methode erlaubte den Nachweis von speziellen DNA-Fragmenten im Boden. Bei der Untersuchung von etwa 450 Bodenproben über einen Zeitraum von zwei Jahren wurden in vier Fällen während des Versuchs und nur innerhalb der ersten beiden Monate nach dem Unterpflügen der Petunien Fragmente der transgenen Pflanze nachgewiesen.

Aus den Gentransfer-Untersuchungen lässt sich ableiten, dass unter optimierten Bedingungen ein horizontaler Gentransfer simuliert werden kann. Angesichts der dargelegten Voraussetzungen wird ein horizontaler Gentransfer aber in der natürlichen Umwelt als höchst unwahrscheinlich angesehen.

Im Verlauf des Projektes gab es unerwartete Effekte: Intensive Sonneneinstrahlung und hochsommerliche Temperaturen führten in den freigesetzten transgenen Petunien zu einer „Umprogrammierung“ des eingefügten Maisgens. Viele der ursprünglich lachsroten Petunien bildeten neue, nun aber weiße oder rot-weiß gemusterte Blüten.

Versuchsbeschreibung

Die Untersuchungen wurden an der Petunie als Modellpflanze durchgeführt.

Teilbereich 1: Entwicklung von Methoden zum Nachweis transgener DNA im Boden

Um den Abbauprozess pflanzlicher DNA in natürlichen Bodenökosystemen verfolgen zu können, wurde ein Markergen – in diesem Fall ein Antibiotikaresistenz-Gen – in Petunien übertragen. Während und nach Beendigung der Freisetzung wurde dann in Bodenproben am Freisetzungsstandort in regelmäßigen zeitlichen Abständen nach dem Markergen gesucht. Als Nachweisverfahren wurde das PCR-Verfahren eingesetzt.

Teilbereich 2: Untersuchungen zum horizontalen Gentransfer

Da die Daten aus dem ersten Teilbereich keinen Aufschluss über den genauen Ort der Markergene liefern (frei im Boden vorliegend oder bereits von Bodenbakterien aufgenommen), sollte in experimentellen Untersuchungen ein horizontaler Gentransfer provoziert und damit die Rahmenbedingungen und die Wahrscheinlichkeit für einen solchen näher bestimmt werden.

Bodenbakterien wurden im Labor und unter weitgehend natürlichen Umweltbedingungen in Mikrokosmosversuchen mit transgener DNA in Kontakt gebracht. So wurde u.a. zerkleinertes transgenes Pflanzenmaterial und Boden gemischt und sieben Tage zusammen kultiviert. Zum Ende der Kultivierung wurden die Bodenbakterien auf Antibiotika-haltige Nährböden übertragen, um Antibiotika-resistente Bakterien zu finden. Resistente Bakterien wurden dann mit DNA-Sonden daraufhin untersucht, ob die Markergene in den Bakterien nachzuweisen waren, oder ob es sich um natürliche Resistenzen handelte.

In zusätzlichen Experimenten wurden die Bedingungen für einen horizontalen Gentransfer weiter optimiert. So sollte beispielsweise die Integration des Transgens in das bakterielle Genom dadurch erleichtert werden, dass das Transgen möglichst homologe (übereinstimmende) Gensequenzen zum Bakteriengenom aufweist. Auch wurden solche Promotoren im Transgen verwendet, die speziell in Bakterien aktiv sind. Außerdem wurden Bakterienstämme als potentielle Empfänger eingesetzt, die für ihre Bereitschaft Fremd-DNA aufzunehmen, bekannt sind.

Ergebnisse

Nachweis transgener DNA im Boden

Insgesamt wurden über zwei Jahre in zweiwöchentlichen bis monatlichen Abständen Bodenproben analysiert. In vier Fällen von insgesamt 450 Bodenproben konnten positive Signale gefunden werden, die auf ein Vorhandensein des Markergens schließen ließen. So waren auch noch zwei Monate nach dem Unterpflügen der transgenen Pflanzen positive Signale vorhanden. Spätere Probenahmetermine erbrachten keine positiven Befunde mehr.

Untersuchungen zum Gentransfer

Die Ergebnisse zum Verbleib der Fremd-DNA im Boden ließen keine Aussagen darüber zu, ob die Markergene frei im Boden vorlagen oder bereits von Bodenbakterien aufgenommen wurden. Da DNA an Quarz und Tonminerale zumindest kurzfristig bindet und vor einem sofortigen Abbau geschützt ist, besteht theoretisch die Möglichkeit, dass DNA-Fragmente von Bodenmikroorganismen aufgenommen und ins Erbgut integriert werden.

Eine Aufnahme und stabile Integration von Fremd-DNA in das bakterielle Chromosom ist aber von zahlreichen Bedingungen abhängig. So muss der Bakterienstamm grundsätzlich kompetent sein, d.h. die Aufnahme von Fremd-DNA erlauben. Nicht-kompetente Empfängerbakterien reagieren mit einem sofortigen Abbau der DNA bei Aufnahme. Auch kann selbst bei erfolgreicher Aufnahme, die Integration und Rekombination, d.h. auch Weitergabe an Nachkommen nur dann erfolgen, wenn Fremd- und Bakterien-DNA ausreichend homologe (übereinstimmende) Sequenzen besitzen. So wurde das Transgenkonstrukt optimiert und kompetente Bakterien als DNA-Empfänger eingesetzt. Unter Beachtung aller für einen horizontalen Gentransfer nötigen Voraussetzungen konnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass ein horizontaler Gentransfer nicht unmöglich ist. Abschließend wurde jedoch angesichts der Ergebnisse festgehalten, dass ein Gentransfer von transgenen Pflanzen auf Bodenbakterien unter natürlichen Bedingungen höchst unwahrscheinlich bleibt.

Unerwartete Farbveränderungen bei der Petunienblüte

Während der Freisetzung kam es zu unerwarteten Beobachtungen. Ein großer Teil der ursprünglich lachsrot blühenden transgenen Petunien bildete neue Blüten, die nunmehr weiß, schwach gefärbt oder rot-weiß gemustert waren. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass intensive Sonneneinstrahlung und hochsommerliche Temperaturen die Genaktivität des eingeschleusten Maisgens – verantwortlich für die rote Farbausprägung – inaktiviert haben. Das eingeführte Maisgen greift in den Farbstoffwechsel der Petunie ein, indem es eine Umbildung der ursprünglich weißen Pigmente in lachsrote bewirkt. Durch Anlagerungen von Methylgruppen (DNA-Methylierung) an die DNA des eingeführten Maisgens, und zwar im Bereich des Promotors, wurde das Maisgen „abgeschaltet“. Damit war der Syntheseschritt von weißen zu lachsroten Pigmenten unterbrochen. In der Folge wurden nur noch weiße bzw. schwach gefärbte Blüten gebildet.