07.06.2003
Forschung Projekte
Risikoanalyse zur Freisetzung von gentechnisch veränderten, Rekombinations-defekten Rhizobien
(1988 – 1995) Universität Bielefeld, Fakultät für Biologie, Lehrstuhl für Genetik
Thema
Rekombinations-defekte Rhizobienstämme (recA–) sollten im Modell-Ökosystem auf ihre Eignung als „biologische Sicherheitsmaßnahme“ für Freisetzungen getestet werden.
Die untersuchten Rhizobien (Rhizobium meliloti) gehören zu den Knöllchenbakterien. Sie leben in Symbiose mit Luzerne und fixieren den Stickstoff aus der Luft, indem sie ihn in eine für die Pflanzen verwertbare Form umwandeln.
- Inwieweit wird die Fähigkeit zur homologen Rekombination für das Überleben von Bakterien benötigt?
- Sind Fremdgene in recA– Stämmen stabil?
- Welchen Einfluss hat die Veränderung auf den horizontalen Gentransfer zwischen Rhizobienstämmen?
- Wie stark verbreiten sich die recA– Stämme im Boden?
- Wie wird die natürliche Rhizobienpopulation durch gentechnisch veränderte Rhizobien beeinflusst?
Die Rekombinations-defekten Rhizobienstämme (recA–) werden mit „normalen“ Stämmen (recA+) verglichen.
Zusammenfassung
Überleben des recA– Stammes: Der recA– Stamm war weniger überlebensfähig als der recA+ Stamm. Positiv beeinflusst wurde das Überleben beider Stämme durch die Anwesenheit der Wirtspflanze Luzerne.
Stabilität der Fremdgene: Die Fremdgene waren in beiden Stämmen gleich stabil.
Horizontaler Gentransfer: Der recA– Stamm zeigte einen deutlich verringerten Transfer in andere Stämme und konnte selber über homologe Rekombination keine DNA aufnehmen.
Verbreitung im Boden: Das zur Markierung genutzte Luciferase-Gen (luc; Reporter-Gen) wurde weder frei noch in möglicherweise nicht-kultivierbaren Zellen der beiden Stämme nachgewiesen.
Einfluss auf die natürliche Rhizobienpopulation: Im Mikrokosmos konnte der recA– Stamm trotz seines Defekts mit einzelnen Wildtyp-Isolaten konkurrieren. Die natürliche Rhizobienpopulation verringerte aber das Überleben beider Stämme.
Die Eingrenzung Rekombinations-defekter Stämme wird also durch die jeweiligen Bedingungen bestimmt. Der recA– Stamm kann daher nicht generell als biologische Sicherheitsmaßnahme eingesetzt werden.
Versuchsbeschreibung
Es wurden zwei isogene Rhizobium meliloti-Stämme gentechnisch erzeugt, die ein Markergen (luc) entweder im (recA–) oder neben dem Rekombinasegen (recA+) tragen.
Überleben des recA– Stammes
Die beiden Stämme wurden in Konkurrenz mit ihrem Elternstamm in Mikrokosmen (geschlossener Behälter mit Boden) inkubiert. Das Überleben der Stämme wurde sowohl in sterilen als auch in unsterilen landwirtschaftlich genutzten Böden untersucht.
Zudem wurde der Einfluss von Wirtspflanze (Luzerne) und zwei Nicht-Wirtspflanzen (Klee und Weizen) auf das Überleben der beiden Stämme untersucht.
Der Einfluss der Temperatur wurde bei -20 °C und bei 50 °C (16 Stunden) ermittelt.
Stabilität der Fremdgene
Zur Untersuchung der Stabilität der Fremdgene wurden die Stämme in Boden mit Luzernepflanzen gesetzt und dann anhand der Luciferase-Aktivität und mittels PCR untersucht.
Horizontaler Gentransfer
Untersucht wurde der Transfer eines Antibiotikaresistenz-Gens zwischen R. meliloti-Stämmen, die das gleiche Wurzelknöllchen besiedeln.
Zusätzlich wurde mit einem Stammpaar gearbeitet, das im Unterschied zu den freigesetzten Stämmen anstelle des Leuchtmarkers ein Markergen (gusA) trägt, welches eine Blaufärbung bewirkt. Untersucht wurde der Transfer eines Plasmides mit weitem Wirtsbereich aus diesem Stammpaar in einen Antibiotikum-resistenten R. meliloti-Stamm im Boden.
Der Transfer homologer DNA in den recA– Stamm wurde untersucht, indem der Stamm gemeinsam mit einem E.coli-Stamm, der DNA aus dem Rhizobien-Wildtypstamm trägt, in Boden überimpft wurde.
Verbreitung im Boden
Die Verbreitung im Boden wurde über das Vorkommen des luc-Gens (PCR) und die Zellzahl der beiden Stämme geklärt.
Einfluss auf die natürliche (endogene) Rhizobienpopulation
Zunächst wurden Wildtypstämme einer endogenen Rhizobienpopulation aus Wurzelknöllchen von Luzerne sowie aus Bodenproben isoliert. 20 Stämme wurden mit verschiedenen molekularen Methoden typisiert.
Der Einfluss der transgenen Stämme auf eine rekonstruierte Rhizobienpopulation wurde an drei der Wildtypstämme untersucht, die mit den beiden Stämmen in Mikrokosmen zusammen mit Luzernepflanzen kultiviert wurden. Nach sechs Wochen wurden die Stämme aus den Wurzelknöllchen extrahiert und mittels PCR identifiziert. Als Kontrollen dienten Mikrokosmen, die nur mit den Wildtypstämmen beimpft wurden.
Ergebnisse
Überleben des recA– Stammes
Der recA– Stamm war gegenüber seinem Elternstamm vermindert konkurrenzfähig. Der recA+ Stamm unterschied sich nicht von dem Elternstamm. In manchen unsterilen Böden nahm der recA– Stamm schneller als der recA+ Stamm ab. Bei den anderen Böden gab es dagegen kaum Unterschiede im Überleben beider transgener Stämme.
Luzerne förderte das Wachstum beider Stämme, während Klee und Weizen das Überleben der Stämme nicht beeinflusste.
Tiefe Temperaturen (-20°C) hatten keinen Einfluss auf das Überleben. Die Hitzebehandlung bewirkte dagegen eine deutliche Abnahme beider Stämme. Der recA– Stamm nahm stärker ab als der recA+ Stamm. Nach zehn Tagen erholten sich beide Stämmen wieder.
Stabilität der Fremdgene
Beide Fremdgene erwiesen sich als stabil, sowohl im Boden als auch nach Knöllchenpassage. Es gab keine Unterschiede zwischen den beiden Stämmen.
Horizontaler Gentransfer
Ein Transfer innerhalb der Wurzelknöllchen war nur nachweisbar, wenn das Resistenzgen auf einem Plasmid lag, nicht jedoch, wenn es ins Chromosom eingebaut war.
Im Boden fand ein Transfer nur nach Zugabe von Nährmedium statt. Dann war der Transfer aus dem recA– Stamm etwa zehnfach geringer als aus dem recA+ Stamm.
Aufgrund der defekten homologen Rekombination fand im recA– Stamm wie erwartet kein Einbau statt. In den recA+ Stamm fand eine Übertragung mit sehr geringer Frequenz statt.
Verbreitung im Boden
Das luc-Gen konnte weder als extrazelluläre DNA noch in nicht-kultivierbaren Zellen im Boden nachgewiesen werden.
Einfluss auf die natürliche (endogene) Rhizobienpopulation
Das Überleben beider Stämme wurde durch die endogene Rhizobienpopulation im Boden beeinträchtigt.
Bei der künstlichen Rhizobienpopulation dominiert der recA+ Stamm. Der recA– Stamm war aber deutlich weniger konkurrenzfähig. Obwohl er im Einzelnen gegen einen der Wildtypstämme unterlag, konnte er sich überraschend gegen die beiden anderen Wildtypstämme durchsetzen.
Thematische Verknüpfungen
Themen
Förderung
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Förderkennzeichen
0319206A + 0319206B
Projekt
Originaltitel
Gentechnische Optimierung hydrogenaseaktiver Rhizobienstämme durch Übertragung rekombinanter DNA, die eine Freisetzung ohne biologisches Risiko ermöglicht
Kontakt
Prof. Dr. Alfred Pühler
Dr. W. Selbitschka
Universität Bielefeld
Fakultät für Biologie
Lehrstuhl für Genetik
Postfach 100 131
33501 Bielefeld
Veröffentlichungen
Selbitschka W., Arnold W., Priefer U.B., Rottschäfer T., Schmidt M., Simon R., Pühler A. (1991) Characterization of recA genes and recA mutants of Rhizobium meliloti and Rhizobium leguminosarum biovar viciae. Mol. Gen. Genet. 229, 85-96
Selbitschka W., Pühler A., Simon R. (1992) The construction of recA-deficient Rhizobium meliloti and R.leguminosarum strains marked with gusA or luc cassettes for use in risk-assessment studies. Molecular Ecology 1:9-19.
Hagen M., Pühler A. , and Selbitschka W. (1997) The persistence of bioluminescent Rhizobium meliloti strains L1 (RecA-) and L33 (RecA+) in non-sterile soil microcosms depends on the soil type, on the co-cultivation of the host legume alfalfa and on the presence of an indigenous R.meliloti population. Plant and Soil 188:257-266
Selbitschka W., Keller M. und Pühler A. (1997) Vorbereitung eines Freilandexperiments: Konstruktion und Charakterisierung von zwei leuchtmarkierten Rhizobienstämmen, die sich in ihrer Rekombinationsfähigkeit unterscheiden. Biologie in unserer Zeit 27, 277-285
Selbitschka W., Dresing U., Hagen M., Niemann S., Pühler A. (1995) A biological containment system for Rhizobium meliloti based on the use of recombination-deficient (recA-) strains. FEMS Microbiology Ecology 16, 223-232
Forschungsprojekte
Rhizobien
- Überlebens- und Verbreitungsstrategien, Projektverbund
- Auswirkungen auf die Bodenökologie, Projektverbund
- Analyse von Bakterien aus der Umgebung von Luzerne vor und nach Beimpfung mit transgenen Rhizobien, Universität Bielefeld
- Vorkommen von Transposons in Rhizobium, ZALF Müncheberg
- Erprobung einer Monitoringmethode, ZALF Müncheberg
- Risikoanalyse zur Freisetzung von gentechnisch veränderten Rhizobien, Universität Bielefeld
- Erhöhung der Effektivität von Rhizobienstämmen für den Einsatz in der Landwirtschaft, Universität Bielefeld
- Modell-Freisetzung und Monitoring von standortfremden Rhizobien, Universität Erlangen-Nürnberg
- Untersuchungen zur gentechnischen Optimierung von Rhizobien, ZALF Müncheberg
- Gentransfer von genetisch veränderten Rhizobien auf andere Bakterien, Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des BGA