Agrarschädling braucht Symbiose-Bakterien zum Überleben

15.01.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Gemeine Feuerwanzen (Pyrrhocoris apterus) sind in Europa heimisch und nicht schädlich. Anders dagegen ihre Verwandten in Afrika, Asien und Amerika. (Quelle: © Martin Kaltenpoth / MPI chem. Ökol.)

Gemeine Feuerwanzen (Pyrrhocoris apterus) sind in Europa heimisch und nicht schädlich. Anders dagegen ihre Verwandten in Afrika, Asien und Amerika. (Quelle: © Martin Kaltenpoth / MPI chem. Ökol.)

Eine deutsche Forschergruppe fand heraus, dass Feuerwanzen bakterielle Symbionten für ihr Wachstum und ihre Fortpflanzung benötigen. Zur Familie der Feuerwanzen zählen auch Agrarschädlinge, z.B. die afrikanische Baumwollwanze, die sich ausschließlich von Baumwollsamen ernährt. Die Erkenntnisse können neue Wege aufzeigen, diese Schädlinge effizient zu bekämpfen.

Sie hat eine auffällige rot-schwarze Färbung und kommt selten allein: Die in Europa heimische Gemeine Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus). Man findet sie oft auf Friedhöfen und unter Lindenbäumen. Die Gemeine Feuerwanze taucht dabei meist in größeren Ansammlungen auf, ist aber weder für Pflanzen, noch für den Menschen schädlich.

Es gibt jedoch auch schädliche Feuerwanzen

Innerhalb der Familie der Feuerwanzen gibt es ca. 400 Arten. Größtenteils leben diese in den Tropen. In Europa gibt es lediglich fünf bekannte Arten. Einige tropische Feuerwanzen gelten als Schädlinge. Darunter fällt die afrikanische Baumwollwanze (Dysdercus fasciatus), die sich ausschließlich von den ölreichen Samen der Baumwollpflanze (Gossypium spec.), einer Malvenpflanze, ernährt. Dieser Schädling kann zu erheblichen Ernteverlusten führen.

Feuerwanzen beherbergen Bakterien

Feuerwanzen haben aber eine bedeutende Gemeinsamkeit: Sie brauchen Symbiose-Bakterien, um zu Überleben. Wissenschaftler der Forschungsgruppe Insektensymbiose am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena, haben die bakteriellen Symbionten von Feuerwanzen und deren Rolle bei der Nahrungsaufnahme genauer untersucht. 

Symbionten im Darm der Feuerwanzen identifiziert

Die Forschergruppe analysierte hierzu zunächst die Gesamtheit der symbiotisch lebenden Mikroorganismen (das sogenannte Mikrobiom) im Darm der Feuerwanzen. Für ihre Untersuchungen griffen sie auf Hochdurchsatz-Sequenziertechniken zurück (454 Pyrosequenzierung, Q-PCR und Klonierung).

Dabei endeckten sie, dass Feuerwanzen eine charakteristische Gemeinschaft von drei bis sechs bakteriellen Symbionten aufweisen, die eine bestimmte Region des Mitteldarms (M3) der Insekten besiedeln (Vgl. Sudakaran et al., 2012). Die Wissenschaftler identifizierten folgende Bakterien: Actinobakterien (Coriobacterium glomerans und Gordonibacter sp.) sowie Bakterien vom Stamm Firmicutes (Clostridium sp. and Lactococcus sp.) und Proteobakterien (Klebsiella sp. und ein Bakterium der Gattung Rickettsia). 

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Feuerwanzen kultivieren bakterielle Symbionten in ihrem Mitteldarm, die für ihr Wachstum und ihre Fortpflanzung notwendig sind. Hier: Die Gemeine Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus).

Feuerwanzen kultivieren bakterielle Symbionten in ihrem Mitteldarm, die für ihr Wachstum und ihre Fortpflanzung notwendig sind. Hier: Die Gemeine Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus).

Bildquelle: © Martin Kaltenpoth/MPI chem. Ökol.

Dabei wird das Mikrobiom von Generation zu Generation weitergegeben: „Die Symbionten werden von der Mutterwanze auf die Eier übertragen, und die frisch geschlüpften Nymphen saugen an der Oberfläche der Eihülle und nehmen die dort befindlichen Bakterien auf“, erläutert Sailendharan Sudakaran, Doktorand in der Arbeitsgruppe. „So wird sichergestellt, dass die Wanzen die Symbionten ihr gesamtes Leben lang behalten und später an die nächste Generation weitergeben.”

Bakterielle Helfer für Wachstum und Fortpflanzung

Die Forschergruppe des Max-Planck-Instituts interessierte sich jedoch auch für die Funktion der bakteriellen Symbionten. Da die Baumwollsamen eigentlich für die afrikanische Baumwollwanze giftig sind, vermuteten die Forscher, dass die Mikroorganismen den Insekten u.a. bei der Verwertung der Nahrung behilflich sein könnten.  

Die Wissenschaftler führten dazu ein Experiment durch: Sie töteten die Symbionten auf der Oberfläche von Insekteneiern ab, indem sie diese in eine Bleichlösung tauchten. Ein Teil der Eier wurde erneut mit Bakterien einer ausgewachsenen Feuerwanze derselben Art infiziert, der Rest blieb symbiontenfrei. Die symbiontenfreien Insekten hatten - im Vergleich zu den Insekten, die ihre ursprüngliche Metapopulation an bakteriellen Symbionten zurückerhalten hatten - eine höhere Sterblichkeitsrate, entwickelten sich langsamer und vermehrten sich weniger (Vgl. Salem et al., 2012).

„Symbiontenfreie Wanzen zeigten klare Anzeichen von Mangelernährung, obwohl sie mit den gleichen Pflanzensamen gefüttert wurden wie die Vergleichstiere. Dies lässt sich nur dadurch erklären, dass die Symbionten einen wichtigen Beitrag zur Nahrungsverwertung ihrer Wirte leisten“, erläutert Hassan Salem, ein weiterer beteiligter Doktorand der Forschungsgruppe. 

Kleiner und gewichtiger Unterschied

Eine weitere Frage, der die Forschergruppe nachging war, ob sich die Metapopulationen der Feuerwanzen-Symbionten in den einzelnen Wanzenpopulationen unterscheiden. Hat also die gesamte Familie der Feuerwanzen die gleiche Metapopulation an Symbionten oder ist diese spezifisch für die jeweilige Art? So könnte es z.B. sein, dass Arten durch ein leicht verändertes Metagenom, wie die Gesamtheit der in einem Organismus lebenden Mikroorganismen bezeichnet wird, zu einem Schädling für die Landwirtschaft werden.

Sie betrachteten hierzu fünf Gemeine Feuerwanzen aus unterschiedlichen Populationen sowie das Mikrobiom der afrikanischen Baumwollwanze. Dabei stellten die Forscher fest, dass nicht nur Feuerwanzen aus unterschiedlichen Regionen, sondern auch unterschiedlicher Arten sehr ähnliche Mikrobengemeinschaften aufwiesen. Die spezielle symbiotische Beziehung ist bei den Feuerwanzen demnach sehr stabil und könnte bereits sehr lange existieren. Die Wissenschaftler gehen daher von einer Koevolution der Symbiose-Partner aus. 

Wurde die europäische Gemeine Feuerwanze jedoch mit der Mikrobengemeinschaft der afrikanischen Baumwollwanze infiziert und andersherum, reduzierte sich auch bei diesen Insekten die Fitness. Dies belegt, dass obwohl die Symbiosen mit Mikroorganismen in unterschiedlichen Feuerwanzenarten sehr ähnlich sind, diese in ihrer Wirksamkeit jedoch hochspezifisch für die Lebensumstände einer Wanzenart sind. Eine direkte Übertragung von einer Art auf die andere war daher nicht möglich.

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Die afrikanische Baumwollwanze (Dysdercus fasciatus) ist ein Agrarschädling, der bei Baumwollpflanzen zu erheblichen Ernteausfällen führt.

Die afrikanische Baumwollwanze (Dysdercus fasciatus) ist ein Agrarschädling, der bei Baumwollpflanzen zu erheblichen Ernteausfällen führt.

Bildquelle: © Martin Kaltenpoth/MPI chem. Ökol.

Weitere Forschung nötig

Durch die Fähigkeit die natürliche Pflanzenabwehr zu umgehen, konnten sich die Feuerwanzen giftige Samen als Nahrungsquelle erschließen und somit einen Vorteil gegenüber anderen Insekten sichern. Ob die Symbionten den Baumwollwanzen dabei helfen sich unbeschadet von den giftigen Baumwollsamen zu ernähren, ist jedoch noch nicht geklärt.

Da die Wissenschaftler jedoch zeigen konnten, dass die Symbionten bei der Nahrungsverwertung nützliche Helfer sind, sehen die Forscher zwei Möglichkeiten: Entweder könnten die Symbionten dabei helfen, die giftigen Substanzen in den Samen zu entgiften. Oder sie können die Insekten bei der Nährstoffversorgung unterstützen, indem sie helfen die Nahrung besser aufzuspalten. Dadurch werden die Wanzen bei gleichem Nahrungsangebot und gleichem Energieaufwand beim Fressen mit zusätzlichen, wichtigen Nährstoffen versorgt. Diese könnten Feuerwanzen ohne Symbionten bei ihrer einseitigen Ernährung fehlen.

Kenntnisse über Insektensymbiosen nutzen

„Die genaue Kenntnis der Wechselwirkungen zwischen Insekten und ihren mikrobiellen Symbionten ist unverzichtbar für das grundlegende Verständnis der Physiologie, Ökologie und Evolution von Insekten“, erklärt Martin Kaltenpoth, Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe Insektensymbiose.

Die Ergebnisse der Forschergruppe sind darüber hinaus auch ein Ansatzpunkt für die biologische Schädlingsbekämpfung. Kennt man die enge Verknüpfung von Wirt und Symbiont, kann man sich künftig Maßnahmen überlegen, um die Schädlinge indirekt über die Manipulation der Symbionten zu bekämpfen. So könnten Landwirte die Ernten effizient vor schädlichen Feuerwanzenarten schützen und hohe wirtschaftliche Schäden abwenden, ohne Insektizide ausbringen zu müssen.


Quellen:

  • Salem, H. et al. (2012): Actinobacteria as essential symbionts in firebugs and cotton strainers (Hemiptera, Pyrrhocoridae). In: Environmental Microbiology, doi:10.1111/1462-2920.12001.
  • Sudakaran, S. et al. (2012): Geographic and ecological stability of the symbiotic mid-gut microbiota in European firebugs, Pyrrhocoris apterus (Hemiptera; Pyrrhocoridae). In: Molecular Ecology 21: 6134-6151, Dezember 2013, doi: 10.1111/mec.12027.

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