Algen

Biosprit-Lieferanten der nächsten Generation?

23.08.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Algen werden im Labor in Bioreaktoren kultiviert. (Quelle: © iStockphoto.com/Rob Broek)

Algen werden im Labor in Bioreaktoren kultiviert. (Quelle: © iStockphoto.com/Rob Broek)

Der vermehrte Anbau von Energiepflanzen und die Dürre in den USA haben die Debatte um die Nachhaltigkeit von Bioenergie verschärft. Wissenschaftler verfolgen mittlerweile neue Wege, um aus Algen saubere Biokraftstoffe herzustellen. Durch Zucht, Gentechnik und synthetische Biologie soll der Algen-Sprit nicht nur nachhaltig, sondern auch konkurrenzfähig werden.

Bioenegie aus Pflanzen ist zum Hoffnungsträger unserer Zeit geworden. Sie soll sauberen Strom und Wärme für unser modernes Leben liefern, nachhaltig sein und uns durch eine positive CO2-Bilanz vor dem Klimawandel bewahren. Doch Biosprit und -gas geraten immer stärker in die Kritik. Denn Energiepflanzen wie Mais konkurrieren mit der Nahrungsmittelproduktion um kostbare Ackerböden. Gut ein Drittel der Maisernte wird mittlerweile in Deutschland zur Bioenergieerzeugung genutzt. In den USA ist es sogar fast die Hälfte. Die schwere Dürre in den USA hat diesen „Tank oder Teller"-Konflikt noch verschärft und treibt die Weltmarktpreise für Mais und Getreide in die Höhe. Trotz befürchteter Hungersnöte sollen dennoch 42 Prozent der amerikanischen Maisernte als Zusatz im Tank und nicht auf dem Teller landen.

In einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme der Nationalakademie Leopoldina empfehlen Wissenschaftler den Ausbau der Bioenergie in Deutschland zu stoppen. Diese Kritik bezieht sich vor allem auf Biokraftstoffe der ersten Generation, zu denen Bioethanol, Biodiesel und Pflanzenöl-Kraftstoffe gehören. Diese werden aus zucker- und ölhaltigen Pflanzen wie Mais, Zuckerrüben, Raps und Getreide gewonnen.

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Bioethanol aus Mais gehört zu den Biokraftstoffen der ersten Generation, die derzeit heftig in die Kritik geraten.

Bioethanol aus Mais gehört zu den Biokraftstoffen der ersten Generation, die derzeit heftig in die Kritik geraten.

Bildquelle: © Janeela / pixelio.de

Die Möglichkeit statt essbarer Feldfrüchte, die Lignocellulose von Pflanzenresten zu verarbeiten, brachte die Biotreibstoffe der zweiten Generation in die Diskussion. Lignocellulose ist ein Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände. Ganze Getreidepflanzen, Stroh oder Holzreste können über die alkoholische Gärung zu Ethanol zersetzt werden. Der Herstellungsprozess schafft Alternativen zu fossilem Öl und Gas, ist jedoch deutlich teurer und aufwändiger, als der von Biotreibstoffen der ersten Generation. Aufgrund der noch mangelnden Rentabilität kommt er daher kaum kommerziell zum Einsatz. Forscherteams weltweit arbeiten unter Hochdruck an der Optimierung der Prozesse und Technologien. Aber auch hier ist klar, dass nur ein Teil der Pflanzenreste zu Energiegewinnung genutzt werden kann. Ein großer Teil der Pflanzenreste, Fachleute sprechen bei Getreide von ca. 60%, müssen jedoch zur Strukturverbesserung des Bodens auf dem Acker bleiben. Auch die Tierhaltung fordert ihren Teil als Einstreu in den Stall ein.

Hoffnungsträger Algen-Sprit

Große Hoffnungen setzen Wissenschaftler jetzt auf Biotreibstoffe der nächsten Generation, die z.B. aus schnell-wachsender Algenmasse gewonnen werden. Algen haben als Treibstoff-Grundlage eine Menge Vorteile, weil für ihren Anbau weder landwirtschaftliche Nutzfläche oder Düngemittel benötigt werden und sie durch ihr rasches Wachstum in relativ kurzer Zeit, enorme Mengen an Biomasse produzieren. Da Mikroalgen mittels Photosynthese Kohlendioxid verstoffwechseln, um es in Zucker und Öle umzuwandeln, sind auch keine teuren Kohlenstoffverbindungen als Ausgangsmaterial notwendig. Man benötigt lediglich Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser.

Algen liefern viele Möglichkeiten für die Biospritproduktion. Sie speichern Fette als Reservestoffe in Form von langkettigen Triacylglyceriden (TAGs). Durch Umesterungsverfahren entsteht dann aus diesen Kohlenstoffverbindungen Biodiesel. Mittels Destillations- oder katalytischen Crackverfahren kann aus den Algen-Ölen auch Benzin oder Kerosin gewonnen werden. Zudem können Kohlenhydrate, die einen großen Teil der Algenbiomasse ausmachen, zu Bioethanol vergärt werden. In Europa interessieren sich aus diesem Grund auch Fluggesellschaften für diesen alternativen Algen-Treibstoff.

Einige Algenarten erreichen bereits einen Lipidgehalt von etwa 40 Prozent, ein Fettgehalt, der auch mit anderen Ölpflanzen wie Raps und Sonnenblumen mithalten kann. Die Erträge, die sich mit Algen erzielen lassen, sind zudem um ein Vielfaches höher, als die aller anderen Energiepflanzen. Einige Mikroalgen produzieren mehr als doppelt so viel Kraftstoff pro Hektar, als beispielsweise Rapspflanzen.

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Biokraftstoffe aus schnellwachsenden Algen sind derzeit noch nicht wirtschaftlich rentabel. Durch weitere Forschung soll sich das jedoch ändern. Hier werden sie in einem Flachbettreaktor gezüchtet.

Biokraftstoffe aus schnellwachsenden Algen sind derzeit noch nicht wirtschaftlich rentabel. Durch weitere Forschung soll sich das jedoch ändern. Hier werden sie in einem Flachbettreaktor gezüchtet.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ annedde

Obwohl viele das Potential der Treibstoffproduktion auf Algenfarmen erkannt haben, gibt es jedoch noch Hürden zu überwinden, damit der Algen-Treibstoff auch für die Industrie rentabel und konkurrenzfähig wird.

Algen-Anbau im Photobioreaktor

In der Landwirtschaft werden Mikroalgen in offenen Teichanalgen als Nahrung für Zuchtfische gezogen. In den offenen Becken können sie das Sonnenlicht optimal für die Photosynthese nutzen. Für die großtechnische Produktion sind jedoch geschlossene Systeme von Vorteil, um Temperatur und Nährstoffgehalt zu kontrollieren und eine Verunreinigung der Algenkultur vermeiden. Zudem lässt sich die Energieeffizienz in einem geschlossenen System verdoppeln.

Technische Anlagen, sogenannte Photobioreaktoren, fungieren dabei als eine Art Solarium für die Mikroalgen. Mit ihrer Nährlösung werden die Einzeller permanent durch durchsichtige, parallel angeordnete Röhren aus Glas oder Kunststoff gepumpt und dabei mit Sonnenlicht oder Leuchtdioden angestrahlt. In diesen Kreislauf können auch industrielle Abgase und nährsalzhaltige Abwässer als CO2- und Nährstoffquelle eingespeist werden. Andererseits treiben diese Photobioreaktoren die Kosten nach oben und reduzieren auf Grund des benötigten Inputs von Energie und Gerät deren Effizienz.

Gesucht: Die ideale Biosprit-Alge

Eine weitere Herausforderung ist das Finden der richtige Algenart. Die einen Algen wachsen schnell, liefern dafür wenig Öl. Andere produzieren viel Öl, benötigen dafür aber zu viel Energie. Die ideale Biotreibstoff-Alge toleriert Salzwasser und die Temperaturschwankungen der unterschiedlichen Jahreszeiten und Klimazonen. Sie ist resistent gegenüber Krankheitserregern, wächst rasch und speichert die maximale Menge an Fetten.

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Für die landwirtschaftliche Nutzung werden Mikroalgen oft in offenen Teichanlagen gezogen. Dies ist zwar deutlich kostengünstiger, jedoch weniger produktiv.

Für die landwirtschaftliche Nutzung werden Mikroalgen oft in offenen Teichanlagen gezogen. Dies ist zwar deutlich kostengünstiger, jedoch weniger produktiv.

Bildquelle: © JanB46 / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Forscher gehen davon aus, dass es mehr als 400.000 Algenarten auf der Welt gibt und Stämme mit unterschiedlichen Temperatur-Optimum und Lichtempfindlichkeit sind bereits bekannt. Dadurch wäre es denkbar, auch bei Algensorten eine Art Fruchtfolge gemäß den Jahreszeiten einzuhalten. Genau wie im terrestrischen Landbau sollen durch gezielte Zucht, neue Sorten entstehen. Es fehlt allerdings an Zuchtprogrammen, um optimale Stämme heranzuziehen. Die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii ist bisher die einzige Algenart, bei der es gelang unterschiedliche Phänotypen miteinander kreuzen.

Gentechnik und synthetische Biologie sollen helfen, optimale Stämme zu kreieren

Stattdessen setzen viele Wissenschaftler auf die Kombination der idealen Eigenschaften durch Gentechnik oder synthetische Biologie. Durch moderne Sequenziermethoden sind mittlerweile etliche Algengenome entschlüsselt und Genomforscher haben bereits wichtige Gene für die Fettspeicherung ausgemacht. Durch gentechnische Veränderung ließe sich möglicherweise der Ölgehalt oder auch die Wachstumsgeschwindigkeit der Algen steuern. Die Löschung eines Gens in Hefepilzen bewirkte beispielsweise, dass sich deren Teilungsrate um sieben Prozent erhöhte. Eine derartige Wachstumsbeschleunigung könnte die Anzahl der Algenzellen innerhalb weniger Zeit verdoppeln.

Eine weitere Hoffnung ist, dass sich durch Gentechnik die Photosyntheserate steigern lässt. Die Grünalge Ostreococcus besitzt Stämme, die bei unterschiedlicher Lichtintensität wachsen. Durch größere Antennen aus Lichtsammelkomplexen sind manche Stämme in tieferen Wasserschichten, ähnlich produktiv, wie die Stämme nahe der Wasseroberfläche. Auch hier hoffen Wissenschaftler durch biotechnologische Methoden die Photosyntheseleistung zu verbessern. Indem sie beispielsweise Stämme mit optimal angepassten Antennengrößen züchten. Auch Antibiotika- oder Keim-resistente Algensorten, die weniger anfällig gegenüber  Krankheitserregern sind, könnten ähnlich wie in der Kulturpflanzenzüchtung entwickelt werden. Die Voraussetzung für derartige Züchtungsansätze ist jedoch die homologe Rekombination vom Erbgut des Zellkerns unterschiedlicher Phänotypen, um neue Merkmalskombinationen zu testen. Dies ist bisher jedoch in nur sehr wenigen Algenarten gelungen.

Bei Entwicklung optimierter Algensorten stehen die Wissenschaftler also an einer ähnlichen Stufe wie unsere Vorfahren vor mehr als 10.000 Jahren, als die Menschen sesshaft wurden. Erst Auslese und Züchtung machten aus Wildpflanzen die ertragreichen Kulturpflanzenvon heute. 

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Wissenschaftler forschen an der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Sie ist bisher die einzige Algenart, bei der es gelang unterschiedliche Phänotypen miteinander zu kreuzen.

Wissenschaftler forschen an der Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Sie ist bisher die einzige Algenart, bei der es gelang unterschiedliche Phänotypen miteinander zu kreuzen.

Bildquelle: © Dartmouth Electron Microscope Facility, Dartmouth College / wikimedia.org; gemeinfrei

Viele Wissenschaftler sehen zur Beschleunigung dieses Prozesses die synthetischen Biologie als Chance, das Algenerbgut außerhalb der Algenzelle neu zusammenstellen. Erste Versuche, das Chloroplastengenom der Alge C. reinhardtii in eine Hefezelle einzubringen sind bereits gelungen. Dort  könnte das Chloroplastengenom leicht auf optimierte Eigenschaften hin umprogrammiert werden, um anschließend als synthetisches Mini-Plastidengenom in schnell wachsenden Algenarten die Stoffwechselprozesse in die richtige Richtung zu lenken.

Algentreibstoff im Tank

Auch die Qualität der Algen-Lipide kann je nach Algenstamm variieren. Ungesättigte Lipide produzieren beispielsweise Kraftstoffe mit niedrigen Cetanwerten, die schlecht in Motoren zünden. Einige Produktionssysteme bauen daher einen Hydrierungsschritt in das Verfahren ein, um die Lipide zunächst zu sättigen. Neuartige Katalysatoren mit Nickelbeschichtung verhindern außerdem, dass der Treibstoff einen zu hohen Sauerstoffgehalt oder schlechte Fließeigenschaften bei niedrigen Temperaturen hat. Aus rohem Algenöl lassen sich so mittlerweile hochwertige Kraftstoffe für Fahrzeugmotoren herstellen.

Trotz der unbestrittenen Nachhaltigkeitsvorteile und guter Erträge, ist die kommerzielle Produktion von Algen-Treibstoffen bisher noch zu teuer, um für fossile Brennstoffe eine ernst zu nehmende Konkurrenz zu sein. Um die Schwachstellen in unterschiedlichen Produktionssystemen aufzuspüren, die Rentabilität und Effizienz beeinträchtigen, wurden bereits Life Cycle Analysen (LCAs) durchgeführt. Sowohl die ökonomischen Kosten, als auch die Belastung von Umweltressourcen und CO2-Bilanz fließen in diese Analysen mit ein. Statt sich auf Ertragssteigerungen zu konzentrieren, müssen zukünftig vor allem die Input-Kosten verringert werden, um Algen-Kraftstoffe auch wirtschaftliche nachhaltig produzieren zu können.

Skeptiker vermuten jedoch, dass dies wohl erst gelingen wird, wenn die momentan billigste Energieform, das Erdöl, wirklich knapp wird. Durch die in den letzten Jahren entdeckten und durch die Preisentwicklung rentabel werdenden Quellen, rückt dieses Szenario allerdings weiter nach hinten. Andererseits ist klar, dass fossile Ressourcen endlich sind und Alternativen gefunden werden müssen. Pflanzen und damit Algen sind für die Energiegewinnung und mehr noch für die chemische Industrie interessante Alternativen.


Quellen:

  • D.R. Giorgianna und P.R. Mayfield (2012): Exploiting diversity and synthetic biology for the production of algal biofuels. In: Nature, Online Publikation, August 2012, doi:10.1038/nature11479.
  • S. Chu und A. Majumdar (2012): Opportunities and challenges for a sustainable energy future. In: Nature, Online Publikation, August 2012, doi: 10.1038/nature11475.


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