Ameise ist nicht gleich Ameise

Nur die richtigen Arten sorgen für gute Kakaoernten

19.12.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Vor dem Kamin trinken wir gerne ein Tässchen Kakao. Geerntet wird er weit weg in den Tropen. Dort gibt es verschiedene Ameisenarten, die den Ertrag der Kakaoernte sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. (Quelle: iStockphoto.com/JMichl)

Vor dem Kamin trinken wir gerne ein Tässchen Kakao. Geerntet wird er weit weg in den Tropen. Dort gibt es verschiedene Ameisenarten, die den Ertrag der Kakaoernte sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. (Quelle: iStockphoto.com/JMichl)

Kakao ist einer der wichtigsten Agrarrohstoffe und sichert das Einkommen vieler Kleinbauern in ärmeren Ländern. Schädlinge und Pflanzenkrankheiten können die Erträge schmälern. Unklar war bislang die Rolle der Ameisen. Sie können sowohl positive als auch negative Effekte haben – aber welche überwiegen? Die Antwort der Forscher: Es kommt auf die Ameisenarten an.

Zusammen mit indonesischen Partnern haben Agrarökologen der Universitäten Göttingen, Würzburg den Einfluss verschiedener Ameisenarten auf die Kakaoernte untersucht. Ameisen besiedeln tropische Kakaoplantagen mit vielen verschiedenen Arten. Ob die Ameisen mehr nutzen als schaden, ist nicht einfach zu beantworten. Denn Ameisen können beides sein: schädlich und nützlich.

Ein Beispiel ist die in Indonesien heimische schwarze Kakaoameise (Dolidocherus sp.), die einen der schlimmsten Kakao-Schädling in Schach hält: die Miniermotte (Conopomorpha carmerella), deren Larven die Früchte stark schädigen. Diese haben durch den Ameisenschutz weniger Bohnen schlechterer Qualität. Auch andere Schädlinge, wie z. B. die die Kakao-Wanze (Helopeltis sulawesi), die den Pflanzensaft aus der Frucht saugt und dabei Krankheiten überträgt, werden von Ameisen gefressen.

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Dolichoderus-Ameisen mit Schmierläusen (Pseodococcus) auf einer Kakaofrucht: Die Ameisen fördern zwar die schädlichen Schmierläuse, schrecken aber andere Schädlinge ab.

Dolichoderus-Ameisen mit Schmierläusen (Pseodococcus) auf einer Kakaofrucht: Die Ameisen fördern zwar die schädlichen Schmierläuse, schrecken aber andere Schädlinge ab.

Bildquelle: © Arno Wielgoss/ Universität Göttingen

Im Agroökosystem einer Kakaoplantage spielen Ameisen eine weitere wichtige Rolle: „Nicht nur als natürliche Gegenspieler von Schädlingen sondern auch durch die indirekte Förderung der Bestäubung können Ameisen wichtige Ökosystemdienstleistungen erbringen“, erklärt Arno Wielgoss, leitender Wissenschaftler der Studie. Die Ameisen vertreiben durch ihre Anwesenheit auf den Blüten die Insekten, die die Kakaoblüten bestäuben – hauptsächlich Tripse (Thysanoptera). Die winzigen Mücken flüchten vor den Ameisen auf benachbarte Pflanzen, nehmen den Pollen dabei mit und bestäuben dort die Blüten. Da Kakaoblüten als Fremdbefruchter (allogam) nicht mit Pollen ihrer eigenen Pflanze bestäubt werden können, ist das besonders wichtig. 

Andererseits „züchten“ die Ameisen schädliche Schmierläuse, weil sie sich von deren zuckerhaltigem Honigtau ernähren. Die Läuse verwerten hauptsächlich die Eiweiße aus dem Pflanzensaft und scheiden den Zucker aus, den die Ameisen ernten. Außerdem können Ameisen bestimmte Pflanzenkrankheiten wie z. B. Fruchtfäule (Phytophthora palmivora) übertragen.

Natürliche Ameisengesellschaften sorgen für gute Ernten

Klar ist jetzt: „Es kommt auf die Zusammensetzung der Ameisenvölker an“, sagt Arno Wielgoss. „Eine artenreiche Ameisengesellschaft sichert 27 bis 34 Prozent des Kakaoertrags.“ Denn so hoch sind die Verluste, wenn keine oder die falschen Ameisen die Kakaopflanzen besiedeln.

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Weberameise Oecophylla smaragdina im Kampf mit der schwarzen Spinnerameise Paratrechina longicornis: In Ameisengemeinschaften gibt es zwar Konflikte zwischen Ameisen. Aber durch hohes Artenreichtum werden etwaige negative Auswirkungen einzelner Arten abgepuffert und es überwiegen die positiven Ökosystemdienstleistungen.

Weberameise Oecophylla smaragdina im Kampf mit der schwarzen Spinnerameise Paratrechina longicornis: In Ameisengemeinschaften gibt es zwar Konflikte zwischen Ameisen. Aber durch hohes Artenreichtum werden etwaige negative Auswirkungen einzelner Arten abgepuffert und es überwiegen die positiven Ökosystemdienstleistungen.

Bildquelle: © Arno Wielgoss/ Universität Göttingen

Die Studie legt das komplexe Zusammenspiel von Schaden und Nutzen der Ameisen dar. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, z.B. ob die Ameisen Schädlinge „züchten“, welche anderen Schädlinge sie in Schach halten oder wie viele Ameisen wo auf der Kakaopflanze vorkommen. Und all das hängt von der Ameisenart ab. Artenreiche und ausgewogene, natürliche Artengemeinschaften wirken sich positiv aus. Hier sind Schaden und Nutzen so verteilt, dass die positiven Effekte überwiegen.

Invasive Exoten schmälern die Ernte

Schlecht für die Ernte sind hingegen invasive Arten, wie z.B. Philidris cf cordata. Das liegt vor allem an zwei Besonderheiten: Zum einen bauen Ameisen dieser Art ihre Nester mit verrottenden Pflanzenresten und übertragen so die Fruchtfäule. Diese Infektion schädigt die Pflanzen, der Ertrag sinkt. Zum anderen drängen Philidris-Ameisen bestimmte Schädlinge deutlich weniger stark zurück, als das bei anderen Arten der Fall ist.

Woher genau die Phillidris-Ameisen stammen, ist noch nicht geklärt. Es wird vermutet, dass sie vor etwa 20 Jahren aus Australien oder Borneo von Menschen nach Indonesien eingeschleppt wurden. Dort haben sie sich zunächst in Kokosplantagen ausbereitet, danach auch in Kakaoplantagen.

Die Autoren beziffern den Ertragsverlust, wenn die invasiven Ameisen vorkommen, im Vergleich mit einer ausgewogenen Ameisengemeinschaft auf über 1.100 US-Dollar pro Hektar pro Jahr –  selbst für Deutsche Landwirte wäre dies ein betriebswirtschaftliches Fiasko. In Schwellenländern wie Indonesien kann es existenzbedrohend sein.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Vormarsch solcher invasiven Arten auch auf den verstärkten Einsatz von Pestiziden zurückzuführen ist. „Die invasiven Philidris-Ameisen sind besser vor Insektiziden geschützt als die anderen Arten: Sie bauen geschlossene Nester in morschem Holz oder aus Pflanzenmaterial mit welchem sie, ähnlich wie Termiten,  auch  ihre Ameisenstrassen überdachen“, erklärt Wielgoss den Grund dafür.

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Verheerende Fracht: Das Material, das die eingeschleppte Ameise Philidris cf. cordata verwendet, um ihre Nester an Kakaofrüchten zu bauen, ist hochgradig mit Sporen der verheerenden Pflanzenkrankheit Phytophtora palmivora verseucht. Unter anderem dadurch verringert sich nach einer Philidris-Invasion die Ernte um beinahe ein Drittel.

Verheerende Fracht: Das Material, das die eingeschleppte Ameise Philidris cf. cordata verwendet, um ihre Nester an Kakaofrüchten zu bauen, ist hochgradig mit Sporen der verheerenden Pflanzenkrankheit Phytophtora palmivora verseucht. Unter anderem dadurch verringert sich nach einer Philidris-Invasion die Ernte um beinahe ein Drittel.

Bildquelle: © Arno Wielgoss/ Universität Göttingen

Einheimische Dominanz schadet nicht

Dominiert eine Art die Artengemeinschaft, muss sich das jedoch nicht immer so negativ auswirken, wie bei den invasiven Exoten. Kam vor allem die in Indonesien heimische schwarze Kakaoameise (Dolichoderus sp.) vor, hatte diese einen ähnlich hohen Nutzen für die Ernte, wie die ausgewogene, natürliche Artengemeinschaft. Die schwarze Kakaoameise ist weniger aggressiv, sie lässt auch andere Ameisenarten zu. Und im Gegensatz zu den invasiven Philidris-Ameisen übertragen sie kaum die Fruchtfäule.

Das gesamte System im Auge behalten

Mit ihrer Studie geben die Wissenschaftler ein Beispiel, für die Bedeutung des Gesamtsystems Landwirtschaft und Umwelt. Die gesamte Lebensgemeinschaft und das gesamte Agroökosytem müssen im Auge behalten werden, um Ernten nachhaltig sichern zu können. „Ameisen stehen offenbar im Zentrum eines weitaus komplexeren Netzwerks von Interaktionen mit Schädlingen und Nützlingen von Kakao als angenommen“, sagt Wielgoss. Es reiche nicht aus, einzelne Effekte der verschiedenen Organismen herauszupicken, um zu bewerten, ob eine Art schädlich oder nützlich ist.


Quelle:
Wielgoss, A. et al. (2013). Interaction complexity matters: disentangling services and disservices of ant communities driving yield in tropical agroecosystems. In: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, (Online 4. Dezember 2013), doi: 10.1098/rspb.2013.2144.

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Titelbild: Vor dem Kamin trinken wir gerne ein Tässchen Kakao. Geerntet wird er weit weg in den Tropen. Dort gibt es verschiedene Ameisenarten, die den Ertrag der Kakaoernte sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. (Quelle: iStockphoto.com/JMichl)