Anionen-Schalter in Pflanzen aufgespürt

Der clevere Weg zum Schutz vor Übersalzung

25.07.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

In extrem von Versalzung betroffenen Gebieten, wie der Region rund um Aralsee können die Ertragseinbußen bis zu 86 Prozent betragen. (Bildquelle: © Arian Zwegers / wikimedia.org / CC BY-2.0)

In extrem von Versalzung betroffenen Gebieten, wie der Region rund um Aralsee können die Ertragseinbußen bis zu 86 Prozent betragen. (Bildquelle: © Arian Zwegers / wikimedia.org / CC BY-2.0)

Die fortschreitende Versalzung von Ackerland als Folge klimatischer Veränderungen, aber auch durch die Zunahme des Bewässerungsfeldbaus bedroht immer mehr Flächen. Kulturpflanzen toleranter gegen Versalzung zu machen, ist ein Weg, den kompletten Verlust von Produktionsflächen abzumildern. Forscher erlangten neue Erkenntnisse über den molekularen Transport von Nitrat und Chlorid in Pflanzen. Dabei entdeckten Sie einen bisher unbekannter Chlorid-Schalter. Mit diesem besseren Wissen zur Funktion von Anionenkanälen, wird es möglich, die Salztoleranz von Nutzpflanzen gezielt zu verbessern.

Neben den oft genannten negativen Folgen des Klimawandels wie der Erwärmung der Ozeane, das Abschmelzen der Gletscher und Eisschilde, der Zunahme von Wetterextremen und der Anstieg des Meeresspiegels spielen andere Folgen, wie die Versalzung von Böden, in der Öffentlichkeit eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Versalzung beschreibt umgangssprachlich die Anreicherung von Natrium- und Chlorid-Anionen im Boden. Für die Zukunft der Ernährung und damit des Menschen, stellt die Versalzung eine Revision dar. Schon heute gelten 62 Millionen Hektar Fläche in trockenen und halbtrockenen Regionen der Erde als versalzen. Täglich kommen knapp 2.000 Hektar hinzu.

Künstliche Bewässerung eine Hauptursache

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Durch das entstandene Wissen lassen sich züchterische Veränderungen gezielter erzeugen und die Salztoleranz von Pflanzen erhöhen.

Durch das entstandene Wissen lassen sich züchterische Veränderungen gezielter erzeugen und die Salztoleranz von Pflanzen erhöhen.

Bildquelle: © iStockphoto.com / Yiannos Ioannou

Versalzung ist ein Phänomen, welches in Gebieten auftritt, in denen mehr Wasser verdunstet als über Niederschläge in den Boden gelangt. Mit dem Wasserfluss in obere Bodenschichten wandern auch Mineralstoffe aus dem Boden an die Oberfläche und bilden, nachdem das Wasser verdampft ist regelrechte Salzkrusten. Diese lassen nur noch Halophyten, Pflanzen, die mit extrem hohen Salzkonzentrationen zurechtkommen, wachsen. Alle anderen Pflanzen verdorren, so dass die Flächen brachliegen. Durch die massive Ausweitung der künstlichen Bewässerung, um neue landwirtschaftliche Nutzflächen zu erschließen oder Ertragseinbußen auf bestehenden Flächen durch Wassermangel entgegenzuwirken, wurde das Problem der Versalzung zusätzlich verschärft. Aber auch der Anstieg des Meeresspiegels spielt eine Rolle. Salzwasser dringt weiter ins Landesinnere ein.

In von Versalzung stark betroffenen Regionen sind Ertragseinbußen von ca. 50 Prozent keine Seltenheit. In extrem betroffenen Gebieten, wie der Region rund um den Aralsee, können diese sogar bis zu 86 Prozent betragen. Auch das westliche Nil-Delta gilt als eine Extremregion. Durch die, durch den Klimawandel weiter zunehmende Versalzung wird nach Expertenmeinung zukünftig der gesamte Mittelmeerraum beeinträchtigt werden.

Salzstress hemmt das Pflanzenwachstum

Wie aber reagieren die Pflanzen auf das Salz im Boden? Prinzipiell sind Salze Nährstoffe und wie für Menschen und Tiere auch für Pflanzen essentiell. Ab einer gewissen Konzentration von Salzen, wie z. B. Chlorid, stellen sie eine Belastung für die Pflanzen da. Es entsteht Salzstress. Steigt etwa die Konzentration von Chlorid im Trieb der Pflanze stark an, so kommt es zu Wachstums- und Entwicklungsstörungen und damit zu massiven Ernteausfällen. Nitrat dagegen ist ein Makronährstoff, das auch in hohen Konzentrationen von der Pflanze toleriert wird. Dieser essentielle Nährstoff ist z. B. wichtig für den Aufbau der Proteine und der DNA.

Jedoch sind Pflanzen unterschiedlichen Salzkonzentrationen nicht wehrlos ausgeliefert. Sie verfügen über ausgefeilte Transport- und Lagersysteme, um Schwankungen bis zu einem gewissen Grad zu puffern.

Aktive Steuerung zwischen Nitrat und Chlorid

Eine Würzburger Forschungsgruppe hat nun die Steuerung der Pflanzen zwischen Nitrat und Chlorid aufgeklärt. Die Forscher identifizierten die Anionenkanäle SLAH1 und SLAH3 in den Wurzeln, die den Fluss von Nitrat und Chlorid in das Leitungssystem von Pflanzen steuern. Die Wissenschaftler untersuchten den Transport von Nitrat und Chlorid unter anderem anhand von genetisch veränderten Ackerschmalwand-Pflanzen (Arabidopsis thaliana), dem Modellsystem der Grundlagenforschung.

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Bei hohen Salzkonzentrationen im Boden wird die Synthese von SLAH1 Kanälen gestoppt und es bleibt nur der Nitrat-leitende SLAH3 Kanal zurück. So verhindert die Pflanze den Eintritt von Chloridionen in die Leitungsbahnen und damit die Anreicherung von toxischen Chloridkonzentrationen im Spross.

Bei hohen Salzkonzentrationen im Boden wird die Synthese von SLAH1 Kanälen gestoppt und es bleibt nur der Nitrat-leitende SLAH3 Kanal zurück. So verhindert die Pflanze den Eintritt von Chloridionen in die Leitungsbahnen und damit die Anreicherung von toxischen Chloridkonzentrationen im Spross.

Bildquelle: © Prof. Dr. Dietmar Geiger, Lehrstuhl für Botanik I (Pflanzenphysiologie und Biophysik), Universität Würzburg

Den Mutanten fehlten die beiden Anionenkanäle SLAH1 oder SLAH3. Bei den veränderten Pflanzen konnten die Forscher, unabhängig von der im Boden vorhandenen Salz-Konzentration, nur noch die Hälfte an Chlorid im Gewebe, im Vergleich zu Wild-Typ Pflanzen, feststellen. Die Gehalte an Nitrat blieben hingegen konstant. Die Forscher mutmaßten entsprechend, dass beide Kanäle ausschließlich Chlorid transportieren. Bei biophysikalischer Untersuchung der Kanalmoleküle stellte sich jedoch heraus, dass SLAH1 keine eigene Anionen-Leitfähigkeit besitzt. Es zeigte sich aber auch, dass SLAH1 und SLAH3 einen Komplex bilden, in dem der Kanal SLAH1 als Schalter wirkt und die Leitfähigkeit des Kanals SLAH3 beeinflusst. Während SLAH3 alleine hauptsächlich Nitrat transportiert, leitet der Komplex aus SLAH3 und SLAH1 sowohl Nitrat als auch Chlorid. Mit anderen Worten, SLAH1 schaltet SLAH3 von einem Nitratkanal in einen Nitrat- und Chlorid-leitenden Kanal um.

Bei hohen Salzkonzentrationen im Boden wird die Synthese von SLAH1 Kanälen gestoppt und es bleibt nur der Nitrat-leitende SLAH3 Kanal zurück. So verhindert die Pflanze den Eintritt von Chloridionen in die Leitungsbahnen und damit die Anreicherung von toxischen Chloridkonzentrationen im Spross.

Wichtig Erkenntnisse für die Optimierung der Salztoleranz

In der aktuellen Studie konnten die Würzburger Forscher zusammen mit ihren Kollegen aus Sevilla und Riad einen wichtigen Baustein zum Verständnis des Umgangs von Pflanzen mit Salz liefern. Was im Moment nach absoluter Grundlagenforschung aussieht, besitzt durchaus praktische Implikationen. Durch die Erkenntnisse über die Funktion der Kanäle, ist ein wichtiger Baustein zur Optimierung der Salztoleranz von Nutzpflanzen getan.

Bereits heute gibt es landwirtschaftlich-genutzte Pflanzenarten, die bis zu einem gewissen Grad an salzhaltigen Boden angepasst sind. Durch das nun entstandene Wissen, lassen sich solche züchterischen Veränderungen gezielter erzeugen. Durch die Erhöhung der Salztoleranz geht der versalzte Boden nicht unmittelbar dem Anbau verloren und kann weiterhin zur Nahrungsmittelsicherheit beitragen. Dieser Zeitgewinn muss aber genutzt werden, um zum Beispiel durch meliorative Maßnahmen die Bodenfruchtbarkeit wiederherzustellen, um den Teufelskreis der Versalzung zu verlassen.


Quellen:

  • Cubero-Font, P. et al. (2016) Silent S-Type Anion Channel Subunit SLAH1 Gates SLAH3 Open for Chloride Root-to-Shoot Translocation. In: Current Biology 26, 1-8, DOI: 10.1016/j.cub.2016.06.045.
  • Quadir M. et al. (2014 ) Economics of salt-induced land degradation and restoration. In: Natural Resources ForumVolume 38, Issue 4, pages 282–295, November 2014, DOI: 10.1111/1477-8947.12054.

Kontakt:

Prof. Dr. Dietmar Geiger, Lehrstuhl für Botanik I (Pflanzenphysiologie und Biophysik)
T (0931) 31-86105, geiger(at)botanik.uni-wuerzburg.de

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Titelbild: In extrem von Versalzung betroffenen Gebieten, wie der Region rund um Aralsee können die Ertragseinbußen bis zu 86 Prozent betragen. (Bildquelle: © Arian Zwegers / wikimedia.org / CC BY-2.0)