Bakterien programmieren Entwicklung von Pflanzen um

Phytoplasmen stören Blütenbildung

08.11.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Blüten von Pflanzen sind nicht nur schön anzusehen, sie sind auch deren Fortpflanzungsorgane. Werden Pflanzen mit Phytoplasmen-Bakterien infiziert, geht die Blütenentwicklung jedoch häufig schief. (Quelle: © PixelWookie  / pixelio.de)

Die Blüten von Pflanzen sind nicht nur schön anzusehen, sie sind auch deren Fortpflanzungsorgane. Werden Pflanzen mit Phytoplasmen-Bakterien infiziert, geht die Blütenentwicklung jedoch häufig schief. (Quelle: © PixelWookie / pixelio.de)

Dass Tageslänge und Temperatur die Blütenbildung einer Pflanze beeinflussen, ist hinlänglich bekannt. Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass auch Bakterien diesen genetisch festgeschriebenen Prozess ummodeln können. Während Tageslänge und Temperatur auf freiem Feld nicht beeinflussbar sind, bieten Phytoplasmen einen Ansatzpunkt, die Morphologie einer Pflanze gezielt zu beeinflussen.

Höhere Pflanzen wachsen und entwickeln sich in einem Prozess, der genetisch programmiert und genau abgestimmt ist. Das Meristem am Spross nimmt dabei eine wichtige Rolle ein, denn hier entscheidet sich, ob und wann die Pflanze wächst und wann sie die Wachstumsphase unterbricht, um sich zu vermehren. Ein Meristem besteht in der Regel aus Zellen mit dünnen Zellwänden, die theoretisch unbegrenzt teilungsfähig sind. Indem ein Meristem an der Spross- oder Wurzelspitze Zellen an den Pflanzenkörper abgibt, wächst die Pflanze und bildet Organe wie Wurzeln und Blätter aus. Spezifische Stoffwechselwege reagieren dabei auf Signale aus der Umwelt.

Meristemumwandlung zur Blütenbildung

Das Schlüsselereignis zur geschlechtlichen Vermehrung ist der Beginn der Blütenbildung, die die Pflanze aus der vegetativen Phase, in der die Pflanze ihre ganze Energie ins Wachstum steckt, in die reproduktive Phase überführt. Betrachtet man dabei die Veränderungen am Meristem, lässt sich die Blühphase in drei wesentliche Schritte einteilen: Erstens muss das vegetative Spross-Meristem in ein Blütenstands-Meristem (auch Infloreszenzmeristem genannt) umgewandelt werden. Zweitens muss aus diesem Meristem ein Blütenmeristem gebildet werden, aus dem schließlich die Blüte hervorgeht. Zu guter Letzt müssen auch eine Reihe von Genen aktiviert werden, die den Blühprozess schließlich in Gang bringen.

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Licht- und Temperaturverhältnisse können auf freiem Feld nicht verändert werden. Über Phytoplasmen könnten Landwirte möglicherweise steuern, wann ihre Pflanzen aufhören zu wachsen und beginnen zu blühen.

Licht- und Temperaturverhältnisse können auf freiem Feld nicht verändert werden. Über Phytoplasmen könnten Landwirte möglicherweise steuern, wann ihre Pflanzen aufhören zu wachsen und beginnen zu blühen.

Bildquelle: © H.Zell / wikimedia.org (CC BY-SA 3.0)

Wenn diese Kaskade unter normalen physiologischen Bedingungen einmal begonnen hat, ist sie praktisch nicht mehr aufzuhalten. Bisher war lediglich bekannt, dass abiotische Faktoren wie Temperatur und Tageslänge den Prozess der Meristemumwandlung und damit die morphologische Entwicklung einer Pflanze beeinflussen können. Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass Bakterien ebenfalls dazu in der Lage sind.

Phytoplasmen stören Blütenbildung

Phytoplasmen sind zellwandfreie Bakterien, die als obligate Parasiten im pflanzlichen Phloem, dem Siebteil im Leitbündel bei Gefäßpflanzen, wachsen oder auch Insekten befallen. Wie genau diese Bakterien Pflanzen infizieren, ist bisher nur wenig erforscht. Infizierte Pflanzen erkennt man unter anderem an ihren deformierten Blüten. Columbia Basin potato purple top (PPT) Phytoplasmen befallen unter anderem Tomatenpflanzen (Solanum lycopersicum) und verursachen dort deformierte Blüten wie überdimensionierte Knospen, blumenkohlartige Blütenstände oder sog. Hexenbesen-artige Verformungen der Sprossblätter. An diesem Modell konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die zellwandlosen Bakterien offenbar in der Lage sind, die Entwicklung des Sprossmeristems zu verändern. Das hat weitreichende Folgen für die Pflanze. Denn wenn der Prozess der Blütenbildung gestört wird, stehen die Vermehrung der Pflanze und damit das Fortbestehen der Art auf dem Spiel.

Morphologie von Pflanzen könnte über Phytoplasmen gesteuert werden

Die Wissenschaftler konnten außerdem belegen, dass  eine Infektion durch Phytoplasmen während  der unterschiedlichen Entwicklungsstadien des vegetativen Meristems auf dem Weg zu einem Blütenmeristem auch unterschiedliche Auswirkungen auf die Pflanze nach sich zieht. Je nach nachdem, in welchem Stadium der Blütenbildung die Infektion stattfand, beobachteten die Forscher unterschiedliche morphologische Veränderungen an den Sprossen. Je weiter der Übergang von der vegetativen in die reproduktive Phase fortgeschritten war, desto weniger ließ sich der Prozess noch durch eine Phytoplasmen-Infektion aufhalten.

Auch die molekularbiologischen Hintergründe dieses Phänomens konnten die Forscher aufzeigen: Die Phytoplasmen verändern die Meristementwicklung, indem sie die Expression bestimmter Gene beeinflussen, die normalerweise an der Entwicklung der Fortpflanzungsorgane beteiligt sind. Diese Gene und ihre Produkte könnten in Zukunft das Ziel bei der Bekämpfung von Phytoplasmeninfektionen sein.

Die Forschungsarbeit trägt außerdem dazu bei, das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen besser zu verstehen. Temperatur und Lichtverhältnisse können auf freiem Feld nicht verändert werden. Von nun an könnten aber biotische Faktoren wie Phytoplasmen herangezogen werden, um die Entwicklung von Pflanzen und ihre Morphologie auch außerhalb des Gewächshauses gezielt zu beeinflussen.


Quelle:
Wei, W. et al. (2013): Phytoplasmal infection derails genetically preprogrammed meristem fate and alters plant architecture. In: PNAS, (Published online before print 4. November 2013), doi: 10.1073/pnas.1318489110.

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Titelbild: Die Blüten von Pflanzen sind nicht nur schön anzusehen, sie sind auch deren Fortpflanzungsorgane. Werden Pflanzen mit Phytoplasmen-Bakterien infiziert, geht die Blütenentwicklung jedoch häufig schief. (Quelle: © PixelWookie  / pixelio.de)