CRISPR/Cas9 in bester Gesellschaft

C2c2 ergänzt Cas9 auf RNA-Ebene

16.06.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mit Hilfe einzelner Genstilllegungen in Zellen können Forscher deren komplexe Verbindung zu anderen Genen besser verstehen. C2c2 könnte dies noch präziser möglich machen. (Quelle: © NCATS, National Institutes of Health)

Mit Hilfe einzelner Genstilllegungen in Zellen können Forscher deren komplexe Verbindung zu anderen Genen besser verstehen. C2c2 könnte dies noch präziser möglich machen. (Quelle: © NCATS, National Institutes of Health)

Molekularbiologen können schon bald auf ein neues, vielseitig einsetzbares Präzisionswerkzeug hoffen: Das neu entdeckte Enzym C2c2 kann RNA-Moleküle gezielt abbauen – viel präziser als bisherige Methoden der RNA-Interferenz. Das eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten wie eine Editierung des Transkriptoms oder eine gezielte Kontrolle der Translation.

Das bakterielle CRISPR/Cas9-System ist derzeit in aller Munde, weil es Gene in nie dagewesener Präzision schneiden und editieren, also verändern, kann. Um Gene schneiden zu können, muss das System auf DNA-Ebene agieren. Doch es gibt noch weit mehr CRISPR-Systeme als das CRISPR/Cas9-System. Wissenschaftler haben nun erstmals ein CRISPR-System entdeckt, das exklusiv einzelsträngige RNA schneiden kann. Damit rückt nun erstmals eine präzise Editierung von einzelsträngiger RNA in vivo in greifbare Nähe und eröffnet Wissenschaftler neue Möglichkeiten.

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C2c2 kann RNA-Moleküle gezielt abbauen und das viel präziser als bisherige Methoden der RNA-Interferenz. RNA-Interferenz ist eine Form der Genregulation. Mehr dazu erfahren Sie im Video "Gene zum Schweigen gebracht - der faszinierende Mechanismus der RNA-Interferenz". (Quelle: © Spektrum der Wissenschaft/ youtube.com)

Präzise temporäre Änderungen möglich

Denn während die DNA-Editierung dauerhafte Änderungen im Genom hinterlässt, lassen sich mit der RNA-Editierung temporäre Veränderungen erzeugen. Das ist zwar bisher auch schon mit Methoden der RNA-Interferenz möglich. Der neue Ansatz wird jedoch vielfältigere Justierungsmöglichkeiten mit sich bringen und sehr viel präziser funktionieren als alle bisherigen Methoden, so die Studienautoren. Denkbar sind eine Editierung des Transkriptoms oder eine gezielte Kontrolle der Translation.

C2c2 baut gezielt einzelsträngige RNA ab

Das Schlüsselprotein in diesem neuen Prozess ist C2c2, ein RNA-gesteuertes Enzym, das einzelsträngige RNA-Moleküle ganz gezielt ansteuern und abbauen kann. C2c2 ist in der Natur dafür zuständig, Bakterien vor viralen Infektionen zu schützen. Die Wissenschaftler konnten C2c2 so umprogrammieren, dass das Enzym spezielle RNA-Sequenzen in bakteriellen Zellen schneiden kann – ein hervorragendes Werkzeug für jeden Molekularbiologen mit vielfältigen Einsatzbereichen:

  • Mittels C2c2 RNA-Editing könnten Moleküle zu spezifischen RNA-Sequenzen hinzugefügt werden, um deren Funktion zu ändern. Solche Moleküle könnten dann bei großen Screeningansätzen oder beim Aufbau von synthetischen Regulationsnetzwerken besonders hilfreich sein.
  • Eine weitere Einsatzmöglichkeit von C2c2 wäre die Fluoreszenzmarkierung von RNA. Damit ließen sich die spezifischen Aufenthaltsorte von RNA in der Zelle während bestimmter Prozesse genau nachverfolgen.
  • C2c2 besteht aus 2 Komponenten, benötigt nur eine Guide-RNA und ist genetisch codierbar. Das bedeutet, dass die für das System notwendigen Komponenten preiswert als DNA synthetisiert werden und so in Zellen oder Gewebe eingebracht werden können.

Proteindomänen HEPN führen zur richtigen Spur

Entdeckt haben die Forscher C2c2 bei einer systematischen Suche nach bisher unentdeckten CRISPR-Systemen im Bakterium Leptotrichia shahii. Weil die Gensequenz für C2c2 zwei Kopien einer Proteindomäne (higher eukaryotes and prokaryotes nucleotide-binding - HEPN) enthielt, die bisher nur bei RNasen vorkam, nahmen die Wissenschaftler C2c2 genauer unter die Lupe. 

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Im Vergleich: DNA (deoxyribonucleic acid, dt. Desoxyribonukleinsäure) und RNA (ribonucleic acid, dt. Ribonukleinsäure) haben Gemeinsamkeiten und Unterschiede, z. B. liegt die RNA in der Regel als einzelner Strang vor, während die DNA in Form einer Doppelhelix vorliegt.

Im Vergleich: DNA (deoxyribonucleic acid, dt. Desoxyribonukleinsäure) und RNA (ribonucleic acid, dt. Ribonukleinsäure) haben Gemeinsamkeiten und Unterschiede, z. B. liegt die RNA in der Regel als einzelner Strang vor, während die DNA in Form einer Doppelhelix vorliegt.

Bildquelle: © Sponk / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Besonders zielsicheres und effektives Bakterienabwehrwerkzeug

Sie testeten zunächst, ob das Enzym das Bakterium E. coli gegen einen RNA-Phagen immun machen könnte – mit Erfolg. Weitere Untersuchungen zeigten: C2c2 Enzyme aus L. shahii schneiden ausschließlich einzelsträngige RNA – an doppelsträngiger RNA oder einzelsträngiger DNA wurde C2c2 in vitro nicht aktiv. Im Laborversuch zeigte sich außerdem, dass der C2c2-CRISPR RNA-Komplex bevorzugt am Uracil-Rest und bei bestimmten Sekundärstrukturen der einzelsträngigen RNA schneidet. Mutationsversuche deuteten außerdem darauf hin, dass C2c2 unbedingt beide HEPN-Domänen benötigt, um zu schneiden.

Doch während Cas9-DNA nur innerhalb der CRISPR-RNA schneidet, kann C2c2 - je nach Konformation des RNA-Moleküls und Menge der einzelsträngigen RNA - offenbar sowohl in der Zielsequenz, als auch in angrenzenden, nichtspezifischen Sequenzen schneiden. Diese Funktion könnte C2c2 zu einem besonders zielsicheren und effektiven Bakterienabwehrwerkzeug machen. Denn sobald das Enzym gebunden und die Zielsequenz geschnitten hat, verwandelt es sich zu einer Sequenz-unspezifischen Ribonuklease. „Damit könnte die Lebensfähigkeit von Bakterien empfindlich gestört werden, denn die Zellen werden in eine Art Tiefschlaf versetzt oder gar zum programmierten Zelltod geführt“, kommentierte einer der Studienautoren seine Entdeckung.

RNA-Interferenz mit nur einer Proteindomäne möglich

Die Mutationsexperimente, in denen die Forscher die HEPN-Domänen einzeln veränderten, gaben auch erste Hinweise darauf, wie sich das C2c2-CRISPR-System möglicherweise gezielt verändern ließe, um weitere Funktionen aus einem gezielten Schnitt von einzelsträngiger RNA nutzen zu können. Eine der HEPN-Mutanten band zwar an die RNA, schnitt diese aber nicht. Auf diese Weise könnten Gene – ähnlich der bisher bekannten Methoden der RNA-Interferenz – stillgelegt werden.

Die bedeutendsten Einsatzorte für C2c2 sehen die Studienautoren darin, die Rolle von RNA bei Krankheiten und zellulären Funktionen zu erforschen. Und das gilt natürlich auch für die Nahrungsgrundlage des Menschen – die Pflanzen.


Quelle:
Abudayyeh, O.O. et al. (2016): C2c2 is a single-component programmable RNA-guided RNA-targeting CRISPR effector. In: Science, (2. Juni 2016), doi:10.1126/science.aaf5573.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Mit Hilfe einzelner Genstilllegungen in Zellen können Forscher deren komplexe Verbindung zu anderen Genen besser verstehen. C2c2 könnte diese Genstilllegungen noch präziser und umfangreicher möglich machen. (Quelle: © National Center for Advancing Translational Sciences (NCATS), National Institutes of Health)