Cytokinine - Ressourcenplan für die Abwehr

Verteidigung ist abhängig vom Entwicklungsstadium der Pflanzen

25.01.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Für ihre Studie arbeitete das Forschungsteam mit der Tabakschwärmer-Raupe (Manduca Sexta) - einem Fressfeind des Tabaks. (Bildquelle: © Christoph Brütting)

Für ihre Studie arbeitete das Forschungsteam mit der Tabakschwärmer-Raupe (Manduca Sexta) - einem Fressfeind des Tabaks. (Bildquelle: © Christoph Brütting)

Pflanzen müssen ihre kostbaren Ressourcen klug zwischen Wachstum, Entwicklung und Verteidigung aufteilen. Wissenschaftler konnten zeigen, dass Cytokinine, die zu den pflanzlichen Wachstumshormonen gehören, pflanzliche Entwicklung und Abwehr miteinander verknüpfen. Gemäß der „optimalen Verteidigungstheorie“ spart eine Pflanze Energie zu Abwehr von Fressfeinden, indem sie nicht alle Teile der Pflanze gleichermaßen verteidigt.

Die allermeisten Pflanzen sind fest an ihren Standort gebunden. Wo sie aufkeimen, müssen sie mit den dort herrschenden Umweltbedingungen zurechtkommen – oder sterben. Jeder Pflanze steht ein gewisses Maß an Energie zur Verfügung, mit dem sie möglichst umsichtig haushalten muss.

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Eine Studie konnte zeigen, dass die Verteidigung vom Entwicklungsstadium der Pflanzen abhängt. Hier abgebildet: Drei unterschiedliche Entwicklungsstadien der Versuchspflanze Nicotiana attenuata.

Eine Studie konnte zeigen, dass die Verteidigung vom Entwicklungsstadium der Pflanzen abhängt. Hier abgebildet: Drei unterschiedliche Entwicklungsstadien der Versuchspflanze Nicotiana attenuata.

Bildquelle: © Christoph Brütting

Maßgeblich für den Energiehaushalt einer Pflanze sind drei Faktoren: Sie benötigt Energie für ihr Wachstum, denn sonst würde sie immer klein bleiben und nicht genügend Blätter ausbilden, um Energie über das Sonnenlicht zu gewinnen. Sie benötigt außerdem Energie für Ihre Entwicklung. Das bedeutet, dass beispielsweise eine Blütenpflanze Knospen ausbilden muss, die in einem weiteren Entwicklungsschritt zu Blüten heranwachsen, die wiederum Samen für die Vermehrung produzieren. All diese Prozesse muss die Pflanze zudem so steuern, dass sie zum richtigen Zeitpunkt stattfinden, da sie sonst vergeblich waren. Ein dritter wichtiger Faktor im Energiehaushalt einer Pflanze ist die Abwehr von Krankheiten und Feinden.

Die „optimale Verteidigungstheorie“

Bereits seit einigen Jahrzehnten beschäftigen sich Wissenschaftler mit der Ressourceneinteilung von Pflanzen. Inzwischen gibt es verschiedene Theorien, wie die Pflanze ihre kostbaren Ressourcen klug zwischen Wachstum, Entwicklung und Verteidigung aufteilt. Die „optimale Verteidigungstheorie“ stammt von 1974, ist weit verbreitet und geht davon aus, dass eine Pflanze Energie zu Abwehr von Fressfeinden einspart, indem sie nicht alle Teile der Pflanze gleichermaßen verteidigt. Demnach optimiert eine Pflanze ihre reproduktive Fitness indem sie nur jene Pflanzenteile schützt, die sie für ihr Überleben und Vermehrung unbedingt braucht und die am wahrscheinlichsten einem Angriff durch Fressfeinde oder Pathogene zum Opfer fallen würden.

Junge Blätter enthalten viele Abwehrmetaboliten

Zu dieser Theorie passt, dass junge Blätter oft hohe Konzentrationen an Abwehrmetaboliten beherbergen, häufig attackiert werden und für die Aufrechterhaltung der pflanzlichen Fitness wichtiger sind als ältere Blätter, da sie im Laufe der Zeit mehr zur Netto-CO2-Fixierung beitragen werden als ältere Blätter. Untermauert wird diese Theorie von entwicklungsgesteuerten Abwehrmetaboliten, die in vielen Pflanzen nachgewiesen wurden. Bisher weiß man jedoch nur wenig über die molekularen Mechanismen, die hinter diesem Phänomen stehen.

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Gefürchteter Pflanzenfresser: Die Raupen des Tabakschwärmers Manduca sexta im Experiment. 

Gefürchteter Pflanzenfresser: Die Raupen des Tabakschwärmers Manduca sexta im Experiment. 

Bildquelle: © Christoph Brütting

Andere Theorien sehen einen Zusammenhang zwischen dem pflanzlichen Wachstum und der Energie, die die Pflanze in die Abwehr von Pathogenen und Fressfeinden investiert. Verfechter dieser Theorie gehen davon aus, dass Pflanzen bei einer hohen Wachstumsrate am wenigsten Energie in ihre Abwehr stecken, bei mittleren Wachstumsraten am meisten.

Junge Blätter enthalten viele Cytokinine

Zahlreiche Publikationen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass Wachstumshormone sowohl Wachstum und Differenzierung von pflanzlichem Gewebe regulieren, als auch die Stoffwechselwege, in denen die Abwehrmetabolite gebildet werden. Eine Klasse der Wachstumshormone, die sowohl die pflanzliche Entwicklung als auch Abwehrreaktionen steuern, sind die Cytokinine. Junge, sich entwickelnde Blätter weisen oft hohe Cytokininkonzentrationen auf, ältere Blätter hingegen sehr geringe.

Studie: Rolle der Cytokinine bei der entwicklungsgesteuerten Induktion von Abwehrstoffen

In einer aktuellen Studie hat ein Wissenschaftlerteam untersucht, welche Rolle Cytokinine bei der entwicklungsgesteuerten Induktion von Abwehrstoffen spielen. Als Modellpflanze nutzten sie die Tabakpflanze Nicotiana attenuata. Für diese Tabakart liegen bereits umfangreiche Daten über molekulare Mechanismen beim Zusammentreffen der Pflanzen mit einem Pflanzenfresser vor. Zu den an der Abwehr am häufigsten beteiligten Metaboliten gehört auch Caffeoylputrescin (CP). Anhand dieses Markers hat das Team aus Wissenschaftlern untersucht, ob der Cytokiningehalt mit dem entwicklungsbedingten Gradienten herbivor-induzierter Abwehrmetabolite korreliert und ob veränderte Cytokininlevel die Verteidigungsmuster der Pflanze beeinflussen können.

Induzierbare Abwehrmetabolite folgen Entwicklungsgradienten

Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass induzierbare Abwehrmetabolite wie CP in N. attenuata klar einem Entwicklungsgradienten folgen. Die höchsten Konzentrationen an Abwehrmetaboliten fanden die Forscher in jungen Blättern von blühenden Pflanzen und in Blättern von Pflanzen in vegetativen Stadien.

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Die Modellpflanze Nicotiana attenuata im Gewächshaus: In einer aktuellen Studie hat ein Wissenschaftlerteam untersucht, welche Rolle Cytokinine bei der entwicklungsgesteuerten Induktion von Abwehrstoffen spielen.

Die Modellpflanze Nicotiana attenuata im Gewächshaus: In einer aktuellen Studie hat ein Wissenschaftlerteam untersucht, welche Rolle Cytokinine bei der entwicklungsgesteuerten Induktion von Abwehrstoffen spielen.

Bildquelle: © Christoph Brütting

„Abwehrmetabolite herzustellen kostet die Pflanze viel Energie und muss daher gut reguliert sein“, so das Forscherteam. Kostspielige Abwehrszenarien werden daher erst dann initiiert, wenn sie gebraucht werden. „Aufgrund unserer Daten glauben wir, dass die Cytokininkonzentration das Alter des Gewebes wiederspiegelt und somit den Wert des Gewebes in Bezug auf die reproduktive Fitness. Wir schließen daraus, dass Cytokinine die Abwehrstrategie gemäß der optimalen Verteidigungstheorie beeinflussen“, so die Wissenschaftler. Als das Team die Entwicklungsmuster von zwei verschiedenen Cytokinklassen in den Blättern von N. attenuata genetisch veränderte, veränderte sich auch das ontogenetische Muster der Abwehrmetabolite.

Cytokinine verknüpfen Entwicklung und Abwehr

Die Regulation von Wachstumshormonen, zu denen auch die Cytokinine gehören, spielt eine zentrale Rolle bei der Verknüpfung von pflanzlicher Entwicklung und Abwehr. Besonders interessant sind diese neuen Erkenntnisse für Pflanzen, die pharmazeutisch aktive Stoffe oder spezielle Metabolite für die Herstellung von Nahrungsmitteln produzieren und deren Konzentrationen in den Blättern sich entsprechend des Entwicklungsstatus der Pflanze verändern. Diese Prozesse könnten über den Stoffwechselweg der Cytokinine beeinflusst werden.


Quelle:
Brütting, C. et al. (2017): Changes in cytokinins are sufficient to alter developmental patterns of defense metabolites in Nicotiana attenuata. In: Plant J, 89: 15–30, (18. Januar 2017), doi: 10.1111/tpj.13316.

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Titelbild: Für ihre Studie arbeitete das Forschungsteam mit der Tabakschwärmer-Raupe (Manduca Sexta) - einem Fressfeind des Tabaks. (Bildquelle: © Christoph Brütting)