Das künstliche Blatt rückt näher

Neuartiger Katalysator für die Wasserspaltung entwickelt

11.05.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Photosynthese als Vorbild: Wissenschaflter versuchen schon lange ein

Photosynthese als Vorbild: Wissenschaflter versuchen schon lange ein "künstliches Blatt" zu entwickeln. (Bildquelle: © Fischer/Uni Ulm)

Seit Jahren forscht man daran, ein künstliches Blatt zu entwickeln, das als nachhaltige Energiequelle genutzt werden kann. Wissenschaftlern der Universität Ulm ist es gelungen, einen durch Licht angetriebenen Katalysator zu entwickeln, der die Wasserspaltung, wie diese in der Photosynthese abläuft, nachahmt und nicht aus teuren Edelmetallen besteht. Damit ist man der technischen Umsetzung der künstlichen Photosynthese einen Schritt näher gekommen.

Der Sauerstoff in der Atmosphäre der Erde ist die Existenzgrundlage für das Leben, wie wir es kennen. Dies verdanken wir einem mehrere Milliarden Jahre alten Prozess: der Photosynthese. Cyanobakterien, einige Algen und Pflanzen nutzen die Photosynthese zur Energiegewinnung. Dieser komplexe biochemische Prozess wird seit langem erforscht. Seit einigen Jahren geht es neben einem grundsätzlichen Verständnis der Photosynthese auch um deren weitere Optimierung und darum, das Prinzip der Photosynthese auf technische Systeme zu übertragen.

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Pflanzen, Cyanobakterien und einige Algen sind in der Lage Sonnenenergie in chemische Energie umzuwandeln. Noch immer ist der biologische Prozess dahinter nicht in allen seinen Schritten aufgeklärt und verstanden.

Pflanzen, Cyanobakterien und einige Algen sind in der Lage Sonnenenergie in chemische Energie umzuwandeln. Noch immer ist der biologische Prozess dahinter nicht in allen seinen Schritten aufgeklärt und verstanden.

Bildquelle: © Reicher/Fotolia.com

Gelänge es, den Vorgang – dessen „Abfallprodukt“ Sauerstoff ist – künstlich nachzubauen, könnte, so die Hoffnung der Wissenschaftler und Ingenieure, die Energieversorgung nachhaltig sichergestellt werden. Doch noch immer ist der biologische Prozess nicht in allen seinen Schritten aufgeklärt und verstanden. Damit ist auch die Erzeugung synthetischer Strukturen noch nicht gelöst. Darüber hinaus ist diese derzeit noch zu aufwendig und für einen sinnvollen Einsatz zu teuer.  

Der Ort des Geschehens

In pflanzlichen Zellen findet die Photosynthese in den Chloroplasten statt. In der Thylakoidmembran dieser Zellorganellen befinden sich zwei große Proteinkomplexe, das Photosystem I und das Photosystem II, die zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass Lichtenergie in chemische Energie umgewandelt werden kann. Im Photosystem II findet bei der Lichtreaktion die Spaltung von Wasser in Wasserstoff (H) und molekularen Sauerstoff (O2) statt. Diese Oxidation liefert zudem Elektronen, die im weiteren Verlauf der Photosynthese benötigt werden.

Im Inneren des Photosystems II befindet sich der „sauerstoffproduzierende Komplex“ (engl.: „Oxygen-Evolving Complex“, OEC). Er wirkt als Katalysator und ermöglicht das Aufspalten der Wassermoleküle. Der Prozess der Wasseroxidation ist für die Photosynthese fundamental. Um zukünftig Energie effizient aus Sonnenlicht zu gewinnen und diese zu speichern, muss die katalytische Wasserspaltung verstanden und technisch umgesetzt werden.

Was ein Katalysator können muss

Die genaue Struktur dieses sauerstoffproduzierenden Komplexes ist bis heute unklar. Man weiß, dass der wichtigste Bestandteil - sozusagen das Herzstück - ein Metallkomplex ist, der durch spezielle organische Verbindungen (sogenannte Liganden) stabilisiert wird, die die Metallionen miteinander verbinden. Beim Metallkomplex handelt es sich um eine Calcium-Mangan-Sauerstoff-Verbindung – ein Cluster, das vier Mangan-Ionen enthält (CaMn4O5). Bei dem Vorgang der Wasseroxidation durchläuft der Komplex fünf Oxidationszustände, den sogenannten „Kok-Zyklus“ (S0 bis S4). Die chemische Formel dieses gesamten Prozesses lautet dabei: 2 H2O à O2 + 4 H+ + 4 e-.

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Prof. Carsten Streb forscht am Institut für Angewandte Chemie der Univeristät Ulm an Möglichkeiten, die natürliche Photosynthese technisch nachzubilden.

Prof. Carsten Streb forscht am Institut für Angewandte Chemie der Univeristät Ulm an Möglichkeiten, die natürliche Photosynthese technisch nachzubilden.

Bildquelle: © Eberhardt/Uni Ulm

Um das katalytisch aktive Zentrum des Photosystems II nachzubilden wird oft mit Edelmetallen, wie z. B. Ruthenium (vgl. „Energie nach dem Vorbild der Natur“) gearbeitet, da diese über die benötigten chemischen Eigenschaften verfügen. Doch die bisher verwendeten Metalle sind selten und teuer.
Zwar funktionieren solche Systeme schon erstaunlich gut (vgl. Schulze, M. et al., 2016), doch noch nicht exakt wie das natürliche Vorbild. Sie sind noch nicht effizient genug oder laufen nicht photokatalytisch, also durch Lichtenergie induziert, ab und sind auf eine externe Energiezuführung angewiesen.

Technischer Nachbau geglückt

Ein Team aus Wissenschaftlern der Universität Ulm konnte nun einen sauerstoffproduzierenden Komplex im Labor nachbilden, der erstmals auf den häufig vorkommenden Übergangsmetallen Mangan und Vanadium basiert und der ausschließlich von Lichtenergie angetrieben wird.

Ein weiteres Problem besteht in der Stabilisierung der organischen Liganden und damit des gesamten aktiven Komplexes. Unter den gegebenen Bedingungen sind diese instabil. Sie zerstören sich durch die Oxidation selbst und müssen permanent erneuert bzw. repariert werden. Um dieses Problem zu minimieren, setzten die Wissenschaftler „Polyoxometallate zur Stabilisation des Katalysators ein, die weniger sauerstoffempfindlich sind“, erklärt Prof. Carsten Streb, Leiter der Forschungsarbeit.

Der neuartige Wasseroxidationskatalysator, das „künstliche Blatt“, ist stabil und reaktiv, was elektrochemische, massenspektrometrische und spektroskopische Untersuchungen belegten. Die Sauerstoffausbeute des künstlichen Systems ist mit dem Original vergleichbar, berichten die Forscher. Auch ein chemischer Strukturvergleich des synthetisch hergestellten Metallkomplexes mit dem natürlichen Komplex, weist eine starke Ähnlichkeit auf. Die Forscher wollen das synthetische Modell nutzen, um den Elektronentransfer und die Sauerstoffentwicklung im Prozess genauer zu untersuchen. Ein künstliches Blatt, welches autonom durch Sonnenenergie gespeist wird, rückt damit in greifbarere Nähe.


Quelle:
Schwarz, B. et al. (2016): Lichtinduzierte Wasseroxidation durch ein molekulares Manganvanadiumoxid. In: Angewandte Chemie, (9. April 2016), doi: 10.1002/ange.201601799.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Photosynthese als Vorbild: Wissenschaflter versuchen schon lange ein "künstliches Blatt" zu entwickeln. (Bildquelle: © Fischer/Uni Ulm)