Das Roggengenom ist entschlüsselt

Züchter brauchen dieses Wissen für bessere Pflanzen

13.04.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Roggen liefert auch auf kargen Böden und bei Trockenheit noch hohe Erträge. (Bildquelle: © André Karwath/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.5)

Roggen liefert auch auf kargen Böden und bei Trockenheit noch hohe Erträge. (Bildquelle: © André Karwath/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.5)

Von seinen Verwandten Weizen und Gerste liegen bereits genomische Daten vor. Jetzt ist endlich auch das Roggengenom entschlüsselt. Diese Informationen helfen bei einer präziseren Züchtung von neuen Getreidesorten.

Der Roggen (Secale cereale) ist ein Nischengetreide. Vor allem in Mittel- und Osteuropa sieht man noch Felder mit den hochgewachsenen, dunkelgrünen Ähren. Doch besonders viele sind es nicht. Weltweit bauen Landwirte auf etwa 5,5 Millionen Hektar Roggen an. Weizen (Triticum aestivum) hingegen wächst auf etwa 220 Millionen Hektar. Diese wirtschaftliche Bedeutung ist mit ein Grund, warum von Weizen schon seit einigen Jahren ein sequenziertes Genom vorliegt.

Jetzt endlich zieht der Roggen nach. Ein Team aus Pflanzenforschern und Bioinformatikern von mehreren deutschen Forschungseinrichtungen hat gemeinsam daran gearbeitet, das erste Roggengenom zu sequenzieren. Die Ergebnisse präsentierten sie vor Kurzem im Fachmagazin The Plant Journal. Das Genom der diploiden Pflanze ist 7,9 Gigabasenpaare groß und damit etwa drei Mal so groß wie das menschliche Genom (aber wesentlich kleiner als Weizen).

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Mittel- und etwa gleichlange Ähren sind typisch für Roggen, ebenso wie die länglich-grauen Körner (s.u.).

Mittel- und etwa gleichlange Ähren sind typisch für Roggen, ebenso wie die länglich-grauen Körner (s.u.).

Bildquelle: © Roger Culos/ Wikimedia.org/ CC BY-SA 3.0

Ein Drittel des Genoms ist gut sequenziert

Die Wissenschaftler sequenzierten die Roggen-Linie Lo7, eine Inzuchtlinie. „Es war uns wichtig, dass die Linie, die wir sequenzieren, möglichst homozygot ist“, erklärt Eva Bauer von der Technischen Universität München das Vorgehen. Bei einer homozygoten Linie weisen Sequenzvarianten auf Fehler bei der Sequenzierung hin. Bei einer heterozygoten Linie könnte es sich auch um zwei verschiedene Allele eines Gens handeln. Die Qualität des Ankergenoms wird so besser, weil fehlerfreier, was anschließende Re-Sequenzierungen von zum Beispiel direkt in Zuchtprogrammen genutzten Linien deutlich vereinfacht. Molekulare Marker lassen sich außerdem mit höherer Präzision entwickeln.

Bei der hier angewandten Schrotschuss-Sequenzierung wird das Genom zunächst mehrfach kopiert und dann in kleine Fragmente zerschossen, jedes etwa 300 bis 1000 Basenpaare lang. Dann müssen diese Fragmente in die richtige Reihenfolge gebracht werden. Diese Aufgabe fiel Klaus Mayer vom Helmholtz Zentrum München zu. „Das Roggengenom besteht zu 85 Prozent aus repetitiven Sequenzen“, erklärt Klaus Mayer, „das macht die Arbeit natürlich nicht leichter.“

Die Trennlinie ist unscharf

Trotzdem ist es den Forschern gelungen, alle Bereiche mit Genen auf den Chromosomen anzuordnen. Die Bereiche ohne Gene konnten sie zwar einem Chromosom zuweisen, jedoch nicht in die richtige Reihenfolge bringen. Etwa ein Drittel des Roggengenoms ist in sehr guter Abdeckung sequenziert. Darin lokalisierten die Forscher knapp 28.000 Gene bzw. Bereiche, die sie nach Sequenzvergleichen für Gene hielten. „Es gibt jedoch noch einen Graubereich“, sagt Mayer. Das heißt, dass gewisse Bereiche im Erbgut, die zurzeit als Gene gelten, sich später als Pseudogene herausstellen, wohingegen andere Bereiche, die die Wissenschaftler als DNA-Müll klassifiziert haben, noch als Gene überführt werden könnten.

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Von links nach rechts zu sehen sind die unterschiedlichen Körner von Weizen, Roggen und Triticale.

Von links nach rechts zu sehen sind die unterschiedlichen Körner von Weizen, Roggen und Triticale.

Bildquelle: © USDA / wikimedia.org/ gemeinfrei

Mayer plädiert dafür, auch den Rest des Genoms noch mit großer Genauigkeit zu sequenzieren. Diese Repeat-Elemente sind für die Struktur der Chromosomen wichtig und zudem können sie regulatorische Funktionen haben. Denn auch das ist eine Erfahrung, die Genomforscherteams in den letzten Jahren gesammelt haben. Bereiche in Genomen, die viele Jahre als molekularer Müll (Junk-DNA) angesehen wurden, haben in Wahrheit regulatorische Funktion und steuern ein ganzes Orchester von Genen. Finanzielle Mittel und Ressourcen in diese Genombereiche zu investieren, könnte sich lohnen, um wissenschaftliches Neuland zu betreten. 

Impulse für die Hybridzüchtung

Zusätzlich sequenzierten die Wissenschaftler noch einen wilden Verwandten, S. vavilovii, sowie zehn weitere Roggenlinien. Fünf davon stammten aus dem Saat-Elternpool wie Lo7, fünf weitere aus dem Pollen-Elternpool. Die Sequenzinformationen über diese Linien sind weniger detailreich. Trotzdem ist diese zusätzliche genetische Ressource wichtig, damit Züchter zukünftig zielgerichteter arbeiten können.

Für die Erzeugung von ertragsstarken Hybridpflanzen ist es wichtig, dass beide Eltern möglichst genetisch verschieden sind. Während Saat-Eltern durch hohen Ertrag, gute Kornentwicklung und Toleranz gegenüber abiotischen Stressfaktoren glänzen, sind Pollen-Eltern charakterisiert durch lange Ähren und gute Kornverteilung.

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Diese Forschung wurde durch das PLANT 2030 Projekt "RYE SELECT" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Details zum Projekt ...

Diese Forschung wurde durch das PLANT 2030 Projekt "RYE SELECT" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Details zum Projekt ...

Die genetische Vielfalt ist in den Populationen vorhanden. Bisher wurde ihre Nutzung allerdings erschwert, da beispielsweise nicht klar war, welche Allele miteinander verknüpft sind. „Unsere Ergebnisse geben den Züchtern neue Werkzeuge in die Hand, die helfen zu entscheiden, ob neues genetisches Material in den Saat- oder den Pollenelterpool eingekreuzt werden sollte“, erklärt Eva Bauer.

Frost, Kälte, Trockenheit – na und?

Im Vergleich zu Weizen zeichnet sich Roggen besonders durch eine große Toleranz gegenüber abiotischem Stress aus. Bei Frost, Trockenheit oder auf nährstoffarmen Böden liefert Roggen mehr Ertrag als der empfindliche Weizen. Auch zeigt Roggen sich resistent gegenüber zahlreichen Krankheiten.

Züchter haben das schon vor langer Zeit erkannt und versuchen, durch Kreuzungen einige der vorteilhaften Roggengene in den Weizen zu schmuggeln. Das funktioniert, allerdings ist der Prozess sehr langwierig.

Die neuen Sequenzinformationen könnten dabei helfen, auch diesen Prozess zu beschleunigen. Der Roggen, der eben derzeit nur eine Nischenart ist, könnte somit auch bei der Verbesserung anderer, wirtschaftlich bedeutsamer Pflanzen nützlich sein.


Quelle: 
Bauer, E. et al. (2017): Towards a whole-genome sequence for rye (Secale cereale L.). In: The Plant Journal Vol 89, (8. Februar 2017), doi: 10.1111/tpj.13436.

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Weiterführender Link:

Titelbild: Roggen liefert auch auf kargen Böden und bei Trockenheit noch hohe Erträge. (Bildquelle: © André Karwath/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.5)