Dem vollständigen Weizengenom ein Stück näher

30.11.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Getreide mit großer Bedeutung: Weizen stellt die Haupt-Protein- und Kohlenhydratquelle für die Weltbevölkerung dar. (Quelle: © iStockphoto.com/ Anelina)

Getreide mit großer Bedeutung: Weizen stellt die Haupt-Protein- und Kohlenhydratquelle für die Weltbevölkerung dar. (Quelle: © iStockphoto.com/ Anelina)

Weizen gehört zu den wichtigsten Pflanzen in der Ernährung der Weltbevölkerung. Wäre das Genom des Weizens bekannt, ließen sich zielgerichteter anpassungsfähige Sorten züchten. Ein Forscherteam hat nun einen Großteil des, im Vergleich zum menschlichen Genom, riesigen Weizengenoms sequenziert.

Von allen Feldfrüchten ist die Anbaufläche von Weizen mit 200 Millionen Hektar weltweit am größten. Weizen wächst in gemäßigten, mediterranen und sub-tropischen Klimazonen sowohl auf der nördlichen als auch auf der südlichen Erdhalbkugel. Obwohl die Gesamtmenge von Weizen im Jahr 2011 mit 681 Millionen Tonnen etwas unter der von Mais und Reis lag, stellt Weizen die Haupt-Protein- und Kohlenhydratquelle für die Weltbevölkerung dar.

Berechnungen der Vereinten Nationen zeigten, dass die Weizenproduktion bis zum Jahr 2050 um etwa 60 Prozent gesteigert werden muss, um den steigenden Bedarf der wachsenden Weltbevölkerung zu decken. Einige Experten mahnen sogar eine Verdopplung der Erträge an, um auf die steigende Nachfrage reagieren zu können. Eine Schlüsselrolle wird dabei neuen, effektiven Züchtungsmethoden zukommen. Die Erzeugung von Hybridsorten ist ein möglicher Ansatz, um die derzeitige Ertragsstagnation zu überwinden. Die Kenntnis des Weizengenoms ist eine wichtige Hilfestellung, um diesen Herausforderungen begegnen zu können.

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Brotweizen (Triticum aestivum) ist eine der ältesten Kulturpflanzen. Sein Genom ist bisher jedoch noch nicht vollständig bekannt.

Brotweizen (Triticum aestivum) ist eine der ältesten Kulturpflanzen. Sein Genom ist bisher jedoch noch nicht vollständig bekannt.

Bildquelle: © David Monniaux / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Doch dieses zu sequenzieren, stellt Wissenschaftler weltweit vor besondere Herausforderungen. Erstens ist das Genom des Weizens sehr groß - mit 17 Gigabasen sogar etwa sechsmal so groß wie das des Menschen. Doch nicht allein seine Größe macht es schwierig dieses zu sequenzieren. Das Weizengenom ist zudem auch sehr komplex aufgebaut. Im Gegensatz zum diploiden menschlichen Genom ist es hexaploid. Das bedeutet, dass es aus sechs Chromosomensätzen besteht. Damit nicht genug an Komplexität, stammen diese auch noch von drei verschiedenen Vorläufergenomen ab. Hinzu kommt, dass sich über das gesamte Genom weite Bereiche nicht-kodierender repetitiver DNA erstrecken.

Da alle heutigen Sequenziertechniken nie ein Genom am Stück entschlüsseln können, sondern in Abermillionen Bruchstücken, müssen diese als eine Art riesiges Puzzle betrachtet werden. Dieses Puzzle in der richtigen Reihenfolge und Orientierung zusammenzusetzen, wird durch die repetitiven Bereiche erschwert. Da die drei Untergenome A, B und D miteinander verwandt sind, ist es außerdem schwierig, ein Gen einem bestimmten Genom zuzuordnen. Auf mehreren Chromosomen scheint zudem die Anordnung der Gene der drei Genome im Vergleich durcheinander gewürfelt zu sein, was ebenfalls zur Komplexität des Weizengenoms beiträgt.

Um ein derart großes und komplexes Genom überhaupt sequenzieren zu können, haben Wissenschaftler drei Möglichkeiten:

1.    Die Klon-Bibliothek

Einzelne Fragmente des Genoms werden jeweils z.B. in künstliche Hefe- oder Bakterienchromosomen (YACs oder BACs, den yeast artificial chromosomes bzw. bacterial artificial chromosomes) eingebaut. Dadurch gelingt es, diese Fragmente anzureichern. Diese Vermehrung wird als Klonen bezeichnet. Die Klone einer derartigen Bibliothek enthalten lange DNA-Stücke (mehr als 100.000 Basen pro Klon), die jeweils von einem Chromosomenarm stammen. Das Weizengenom enthält 21 Chromosomen, also sieben von jedem Genom. Das ergibt insgesamt 42 Chromsomenarme. Da sich die DNA-Stücke in den Klonen in ihrer Sequenz geringfügig überlappen, kann die Gesamtsequenz so zusammengesetzt werden. Diese Methode liefert zwar eine qualitativ hochwertige Sequenz, ist aber sehr zeitaufwendig.

2.    Zusammensetzen der drei Vorläufergenome (A,B und D)

Die Vorläufergenome A und D stammen von den Arten Triticum urartu und Aegilops tauschii ab. Die Sequenzinformationen dieser beiden Arten liegen bereits vor. Der Vorläufer des B Genoms ist wahrscheinlich eng mit Aegilops speltoides verwandt. Die Sequenz des B-Genoms können die Wissenschaftler entweder von Aegilops speltoides oder von der tetraploiden Weizenart Triticum durum, die das A und das B Genom enthält, übernehmen.

3.    Die Shotgun-Sequenzierung

Beim Shotgun-Verfahren werden zahlreiche kürzere DNA-Abschnitte sequenziert, die sich ebenfalls überlappen. Eine öffentlich zugängliche Quelle von Shotgun-Sequenzen für jeden der Chromosomenarme des Weizengenoms ist bereits nahezu vollständig. Die Zusammensetzung dieser zahlreichen kurzen DNA-Sequenzen ist aufgrund des komplexen Weizengenoms mit seinen vielen repetitiven Sequenzen bisher nicht verlässlich möglich.

Da jede einzelne Methode ihre speziellen Vor- und Nachteile hat, ist es sinnvoll, alle drei miteinander zu kombinieren. Und genau so ging das Forscherteam um Brenchley vor. Auf diese Weise identifizierten die Wissenschaftler zwischen 94.000 und 96.000 Gene im Weizengenom. Indem sie diese Gene mit Sequenzdaten der Vorgänger-Genome verglichen, konnten sie etwa zwei Drittel der Gene dem A, B oder D Genom zuordnen. Das ist für Weizenforscher besonders wichtig, da sie auf diese Weise Gene und DNA-Marker von jedem der drei Genome auseinander halten können.

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Kennt man die genetische Information des Weizens, kann man Sorten züchten, die angepasster sind und somit toleranter gegenüber suboptimalen Bedingungen, wie beispielsweise Trockenheit.

Kennt man die genetische Information des Weizens, kann man Sorten züchten, die angepasster sind und somit toleranter gegenüber suboptimalen Bedingungen, wie beispielsweise Trockenheit.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Luke Willey

Es gibt noch viel zu tun

Obwohl Brenchley und seine Kollegen große Fortschritte in der Sequenzierung des Weizengenoms gemacht haben, liegt das Ziel, über eine komplette Genomsequenz in hoher Qualität zu verfügen, noch in weiter Ferne. Die Daten stellen aber ein solides Grundgerüst auf dem Weg zum kompletten Genom dar, das nach und nach unter Mithilfe weiterer Weizengenomforscher wachsen wird. Ein wichtiges Hilfsmittel auf diesem Weg, stellt das Genom der Gerste dar. An diesem arbeitet ein anderes internationales Konsortium unter Führung deutscher Wissenschaftler.

Flexibles Genom

Neben den reinen Sequenzdaten zeigte die Arbeit der Wissenschaftler auch, wie flexibel das Weizengenom ist. Während sich das hexaploide Weizengenom aus den drei diploiden Vorgängergenomen gebildet hat, sind offenbar einige Mitglieder bestimmter Genfamilien verloren gegangen. Andere Genfamilien, die z.B. den Stoffwechsel und das Wachstum des Weizens steuern, sind im Gegensatz dazu angewachsen. Diese Veränderungen sind wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass Weizen in so vielen unterschiedlichen Regionen und Klimazonen gute Wachstumsbedingungen findet und sich zur Weltnahrungspflanze entwickelt hat.

Obwohl ein Hektar Land bis zu zwölf Tonnen Weizen liefern kann, liegt der weltweite Durchschnitt bei unter drei Tonnen pro Hektar, in nicht bewässerten Gebieten sogar bei unter zwei Tonnen pro Hektar. In Zukunft werden Hitze und Trockenheit die größten Herausforderungen beim Weizenanbau darstellen. Die enorme Variabilität des Weizengenoms könnten sich Pflanzenzüchter zu nutze machen, indem sie Weizen noch mehr Anpassungsfähigkeit für verschiedene klimatische Bedingungen verleihen und so die Erträge der wachsenden Nachfrage anpassen.

Wann das komplette Genom des Weizens vorliegen wird, kann noch nicht gesagt werden. Dass es in den kommenden Jahren weitere Fortschritte geben wird, davon sind die Forscher überzeugt und arbeiten unter Hochdruck an diesem Ziel. Allerdings weiß man auch, dass selbst 12 Jahre nach der „vollständigen“ Sequenzierung des menschlichen Genoms noch immer einige Bereiche unerforscht sind. Die Genomforschung bleibt bei allen technologischen und logistischen Fortschritten eine herausfordernde Disziplin.