Den Mooren geht es an den Kragen

Europäisches Forschungsteam stellt Rote Liste der gefährdeten Lebensraumtypen vor

02.02.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Moore gehören zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen in Europa. (Bildquelle: © Skitterphoto/ Pixabay.com/ CC0)

Moore gehören zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen in Europa. (Bildquelle: © Skitterphoto/ Pixabay.com/ CC0)

Bedrohte Tier- und Pflanzenarten kennen wir alle. Aber bedrohte Lebensräume? Abgesehen von Korallenriffen und Regenwälder gibt es auch in Europa immer mehr Lebensräume, die durch menschliche Aktivitäten und den Klimawandel zunehmend bedroht sind, Hochmoore zum Beispiel. Als Beitrag zur EU2020-Biodiversitätsstrategie wurde daher von einem europäischen Forscherteam eine Rote Liste der Lebensraumtypen herausgegeben, die aufzeigen soll, wo Handlungsbedarf herrscht.

Mehr als 150 Forscher erfassten und bewerteten für diese Liste 233 terrestrische Lebensraumtypen in allen 28 EU-Staaten und den angrenzenden Ländern Norwegen, Island, Schweiz und den Balkanstaaten. Hintergrund ist eine Bestandsaufnahme zur Umsetzung der EU2020-Biodiversitätsstrategie, die den Verlust der Biodiversität in Europa bis 2020 aufhalten soll. Zeitgleich wurde eine analoge Bestandsaufnahme für marine Lebensräume veröffentlicht, sodass insgesamt 490 Lebensräume untersucht wurden.

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Als Palsa werden niedrige ovale Bodenerhebungen in Permafrostgebieten bezeichnet. Da für die Bildung seines Kerns aus gefrorenem Torf und Eislinsen Wasser nötig ist, ist seine Entstehung an Moorböden gebunden.

Als Palsa werden niedrige ovale Bodenerhebungen in Permafrostgebieten bezeichnet. Da für die Bildung seines Kerns aus gefrorenem Torf und Eislinsen Wasser nötig ist, ist seine Entstehung an Moorböden gebunden.

Bildquelle: © SeppVei/ wikimedia.org/ CC0

Wie ist die Bedrohungslage?

Das Ergebnis zeigt: Rund ein Drittel aller terrestrischen Lebensraumtypen sind inzwischen bedroht (36 Prozent in der EU (EU28) und 31 Prozent in der EU plus der angrenzenden Staaten (EU28+)). Zwei Prozent sind akut vom Aussterben bedroht, 11 Prozent stark gefährdet, 24 Prozent gefährdet. Weitere 12 Prozent sind in der Vorwarnstufe erfasst. Die verschiedenen Lebensraumtypen wurden in sieben Gruppen eingeteilt:

  • Marine Lebensraumtypen,
  • Süßwasserlebensräume,
  • Sümpfe und Moore,
  • Grasländer,
  • Wälder,
  • Heiden und
  • Buschländer sowie spärlich bewachsene Habitate.

Sümpfe und Moore sind am meisten bedroht

Die meisten bedrohten Lebensraumtypen innerhalb der sieben Gruppen ermittelte das Forschungsteam im Bereich der Sümpfe und Moore. Hier wurden 11 von 13 Lebensraumtypen bzw. 85 Prozent in eine der drei Gefährdungskategorien eingeordnet. Durch die Erwärmung im Zuge des Klimawandels bedroht sind die nordskandinavische Palsamoore. Stark gefährdet sind außerdem lebende Hochmoore und Niedermoore sowie Klein- und Großseggenriede.

Eine weitere stark bedrohte Klasse von Lebensraumtypen sind die Grasländer. Hier sind 53 Prozent gefährdet. Vom Aussterben bedroht sind beispielsweise die pannonischen (ostmitteleuropäischen) und pontischen (rund ums Schwarze Meer gelegenen) Steppen auf Sand, stark gefährdet sind die auch in Deutschland vorkommenden Schwermetallrasen undoffenen Binnendünen mit silikatischem Grasland. Des Weiteren gehören die Süßwasserlebensräume mit 46 Prozent und die Küstenlebensräume mit 45 Prozent zu den Gruppen mit den meisten gefährdeten Lebensraumtypen. Wälder, Heiden und Buschländer sowie spärlich bewachsene Habitate waren hingegen deutlich weniger beeinträchtigt. Bei den Wäldern waren 29 Prozent, bei Heiden und Buschländern 17 Prozent und bei den spärlich bewachsenen Habitaten 10 Prozent gefährdet.

Überdüngung und der Klimawandel

Die Hauptgründe für die Bedrohung der Lebensraumtypen sind nach Ansicht des Forschungsteams vor allem in der intensiven Landwirtschaft zu finden. Hoher Düngereinsatz, Umwidmung von Flächen sowie Trockenlegung von Feuchtgebieten bedrohen viele Lebensräume. Dazu kommt der Klimawandel, der besonders die Lebensräume im hohen Norden sowie in den Gebirgen bedroht. Eine fortschreitende Bebauung von Flächen für den Tourismus beeinträchtigt insbesondere Küstenhabitate. Die Süßwasserlebensräume sind von zunehmender Verschmutzung durch die Landwirtschaft (Eutrophierung) oder durch die Industrie betroffen wie auch durch Eingriffe in die hydraulischen Bedingungen der Wasserkörper, zum Beispiel durch das künstliche Anheben oder Absenken des Wasserspiegels oder das Begradigen von Fließgewässern.

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Für die Bedrohung vieler Lebensräume ist zu einem Großteil die Landwirtschaft verantwortlich. 

Für die Bedrohung vieler Lebensräume ist zu einem Großteil die Landwirtschaft verantwortlich. 

Bildquelle: © tpsdave/ Pixabay.com/ CC0

Landwirtschaft versus Artenvielfalt

Die Artenvielfalt der Grasländer ist besonders durch die Intensivierung der Landwirtschaft betroffen. Neben hohen Düngereinträgen sehen die Forscher hierfür auch eine Veränderung in der Bewirtschaftung, weg von den traditionellen Weiden hin zur Stallfütterung mit Maissilage. Die Umwidmung von Grünland in Ackerland zum Anbau von Futtermitteln oder für die Aufforstung lässt ebenfalls artenreiche Grünländer schwinden. Letztlich führt auch die Zunahme des Autoverkehrs zu einem stetigen, diffusen Stickstoffeintrag und bedroht stickstoffarme Standorte und die dort lebenden Pflanzenarten.

Auch in Osteuropa und in den Bergregionen verschwinden Grasländer durch den Rückgang der traditionellen Beweidung, wodurch dort oftmals eine starke Verbuschung einsetzt. Hier sind häufig sozioökonomische, demografische und kulturelle Veränderungen der Grund für die Umbrüche in der traditionellen Landwirtschaft. Alpine Grasländer, bisher noch relativ wenig beeinflusst, werden hingegen durch den Klimawandel am stärksten bedroht.

Diese Rote Liste zeigt einmal mehr die Bedeutung des Naturschutzes. Um die Lebensräume vor der Zerstörung zu bewahren, müssen Schutzkonzepte wie NATURA 2000 europaweit strikter umgesetzt werden. Zudem müssen der Flächenverbrauch gestoppt und die Verwendung von Düngemitteln stärker kontrolliert werden. Nur wenn die Ursachen behoben werden, kann die Natur auch effektiv geschützt werden.


Quelle: Janssen, J. A. M. et al (2016): European Red List of habitats; Part 2: Terrestrial and freshwater habitats. Publications office of the European Union 2016. http://ec.europa.eu/environment/nature/knowledge/pdf/terrestrial_EU_red_list_report.pdf

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Titelbild:Moore gehören zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen in Europa. (Bildquelle: © Skitterphoto/ Pixabay.com/ CC0)