Der „dankbare“ Virus

Gurkenmosaikvirus macht Tomatenpflanzen attraktiver für Hummeln

24.08.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Gurkenmosaikvirus lässt Tomatenpflanzen durch eine Genveränderung attraktiver für Hummeln riechen. (Quelle: © Erika Hartmann / Pixelio.de)

Der Gurkenmosaikvirus lässt Tomatenpflanzen durch eine Genveränderung attraktiver für Hummeln riechen. (Quelle: © Erika Hartmann / Pixelio.de)

Der Gurkenmosaikvirus lässt die Tomatenpflanze durch Genveränderung attraktiver für Hummeln duften, obwohl diese den Virus nicht weiterverbreiten. Forscher glauben, dass der RNA-Virus die Pflanze so, für die durch ihn verkümmerten Früchte, entschädigt und gleichzeitig die Verbreitung anfälliger Wirtspflanzen begünstigt.

Der Gurkenmosaikvirus (cucumber mosaic virus, CMV) ist ein gefürchteter Pflanzenvirus im Gartenbau. Er befällt nicht nur die namensgebende Gurke (Cucumis sativus), sondern macht auch vor vielen anderen Pflanzen nicht halt. Übertragen wird der Virus von Pflanze zu Pflanze durch Blattläuse oder von einer Generation zur nächsten durch das Saatgut. Ist eine Pflanze befallen, verfärben sich die Blätter und die Früchte sind verformt oder verkümmert.

Die Symptome können sich schnell im gesamten Bestand ausbreiten und den Ertrag drastisch reduzieren. Mit dem Virus befallene Gurken sind, aufgrund der möglichen weiteren Verbreitung, vom Verkauf ausgeschlossen. Ein Totalausfall für den Landwirt. Für Tiere und Menschen ist der Virus, wie alle Pflanzenviren, gänzlich ungefährlich.

Hummeln als fleißige Helfer

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Der gefürchtete Gurkenmosaikvirus befällt viele Pflanzen und sorgt für Verfärbung der Blätter und Verformung, beziehungsweise Verkümmerung der Früchte.

Der gefürchtete Gurkenmosaikvirus befällt viele Pflanzen und sorgt für Verfärbung der Blätter und Verformung, beziehungsweise Verkümmerung der Früchte.

Bildquelle: © DieterO / wikimedia.org; gemeinfrei

Stark betroffen von dem Virus ist ebenfalls die Tomate (Solanum lycopersicum). Diese ist in ihrer domestizierten Form zur Selbstvermehrung in der Lage, benötigen aber zur maximalen Saat- und Fruchtproduktion Unterstützung bei der Bestäubung. Hier kann der Mensch aufwendig helfen oder er lässt die fleißige Hummel (Bombus) ran. Hummeln werden vom Duft der Pflanze angezogen und erzeugen durch Flügelschlagen Vibrationen, durch die sich Pollen von den Staubblättern lösen. Diese Bestäubungsform wird Vibrationsbestäubung genannt. Die Pollen verfangen sich in den Haaren der Hummel - sie gehen mir ihr auf die Reise zum nächsten Staubblatt oder landen im Bauch ihres Nachwuchses.

Gurkenmosaikvirus verändert Erbgut der Tomate

Eine Forschergruppe hat nun herausgefunden, dass der Gurkenmosaikvirus die Menge und Zusammensetzung der flüchtigen Substanzen, mit der die Tomate Hummeln anlockt, verändert. In ihrer Arbeit, dessen Ergebnisse in der internationalen Online-Fachzeitschrift PLOS Pathogens veröffentlicht wurden, verglichen die Forscher mithilfe eines Massenspektrometers die Luft von gesunden mit der von infizierten Pflanzen.

Der Virus ist in der Lage das Duft-Profil seiner Wirtspflanze zu ändern, indem er Teile des eigenen Erbgutes in das der Opfer schleust. Genau genommen kodiert das Gurkenmosaikvirus, welches ein positiv-strängiger RNA-Virus ist, fünf Proteine einschließlich des 2b-Proteins, welches RNA-Interferenz unterdrückt.

Im praktischen Versuch ließen die Forscher Hummeln die Wahl zwischen infizierten und nicht infizierten Tomatenpflanzen. Das Ergebnis war, dass die Bestäuber zielstrebig die infizierten Pflanzen anflogen und dort auch am meisten Zeit verbrachten. Für die Hummeln waren diese Pflanzen attraktiver.

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Übertragen wird der Gurkenmosaikvirus durch Blattläuse oder von einer Generation zur nächsten durch das Saatgut.

Übertragen wird der Gurkenmosaikvirus durch Blattläuse oder von einer Generation zur nächsten durch das Saatgut.

Bildquelle: © Kurt F. Domnik / Pixelio.de

Virus entschädigt und fördert zukünftige Wirtspflanzen

Warum aber unterstützt der Virus die Pflanze bei der Fortpflanzung, obwohl dieses dabei nicht übertragen werden kann? Die Forscher vermuten, dass der Virus die Tomatenpflanze, durch die bessere Bestäuberleistung, für den Befall und den Nachteil durch die verkümmerten Früchte entschädigt. Dadurch werden die eigenen Verbreitungschancen verbessert. Durch das Anlocken von Hummeln steigert der Gurkenmosaikvirus die Vermehrungschancen von - für den Virus anfälligen - Wirtspflanzen. Pflanzen, die potenziell vom Virus angreifbar sind, werden verbreitet.

Tatsächlich konnten die Forscher ihre These untermauern: Mithilfe eines mathematischen Modells konnten sie zeigen, dass die Gene, welche die Tomate anfällig für den Gurkenmosaikvirus machen, durch den „verbesserten“ Geruch, über Generationen erhalten bleiben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich resistente Tomatenpflanze entwickeln, wird - zumindest unter natürlichen Selektionsbedingungen - geringer.

Bienen und Hummeln sind wichtig für den Menschen

Die Forschergruppe hofft, ihre Erkenntnisse zukünftig praktisch zu nutzen. Hummeln und Bienen leisten einen wichtigen Beitrag für die Landwirtschaft. Drei Viertel aller Nahrungspflanzen werden mit Hilfe von Insekten bestäubt. Dementsprechend wollen die Forscher die Bestäubung von wichtigen Pflanzen eines Tages durch gezielte Eingriffe in das Erbgut zusätzlich erhöhen.


Quelle:
Groen, S.C. et al. (2016): Virus Infection of Plants Alters Pollinator Preference: A Payback for Susceptible Hosts? In: PLOS Pathogens, doi: 10.1371/journal.ppat.1005790.

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Titelbild: Der Gurkenmosaikvirus lässt Tomatenpflanzen durch eine Genveränderung attraktiver für Hummeln riechen. (Quelle: © Erika Hartmann / Pixelio.de)