Der hohe Preis der Resistenz

18.11.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mehltau-Pilze im Visier der Forscher (Quelle: © iStockphoto.com/Andreas Reh)

Mehltau-Pilze im Visier der Forscher (Quelle: © iStockphoto.com/Andreas Reh)

Die Pflanzenzüchtung steht vor einem Dilemma: Mehltau-Pilze verursachen jährlich riesige Ernteverluste bei Nahrungs- und Zierpflanzen. Die Züchtung resistenter Pflanzen ist möglich, hat aber Nebenwirkungen.

Pilze, die Pflanzen mit Mehltau infizieren, nutzen ähnliche molekulare Mechanismen wie Pollenkörner, die sich ihren Weg zur Eizelle bahnen (Befruchtung). Dies berichtet ein internationales Forscherteam, das am Beispiel von Arabidopsis thaliana die molekularen Mechanismen der Reproduktion von Pflanzen untersuchte. Die Wissenschaftler fanden heraus, wie es dem Mehltau-Pilz gelingt, in die Epidermiszellen der Wirtspflanzen einzudringen. Ihre Entdeckung hat Folgen für die Züchtung resistenter Sorten.

Mehltau, eine durch verschiedene Pilze verursachte Pflanzenkrankheit, verursacht jährlich große Ernteverluste bei Nahrungs- und Zierpflanzen. Über die molekularen Mechanismen der Mehltauinfektion ist trotz jahrzehntelanger Forschung jedoch noch wenig bekannt. 

Lernen von der Pflanze

Vor einigen Jahren identifizierten die an der Studie beteiligten Züricher Forscher die zwei Gene, „Nortia“ und „Feronia“, die eine zentrale Rolle bei der Kommunikation zwischen weiblichen und männlichen Zellen beim Befruchtungsprozess spielen. Diese Kommunikationsmoleküle regulieren bei Blütenpflanzen das Spitzenwachstum des Pollenschlauchs beim Eindringen in die weibliche Samenanlage. Ähnlich wie Pollenschläuche durchdringen auch Pilzhyphen pflanzliches Gewebe durch Spitzenwachstum. Sie dringen in die Epidermiszellen der Pflanze ein und zapfen dort Nähstoffe ab bis die Pflanze stirbt. Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen ähnlichen Prozessen?

Um die Funktionen und die Verbreitung der beiden Gene zu untersuchen, züchteten die Forscher Arabidopsis-Mutanten, bei denen die Aktivität der beiden Gene systematisch variiert wurde. Das Nortia-Gen und das Feronia-Gen wurden dazu entweder abwechselnd oder gleichzeitig an- bzw. abgeschaltet.

Die Nortia-Mutanten zeigten eine reduzierte Fruchtbarkeit und hatten Pollenschläuche, die auch wenn sie die weibliche Samenanlage erreicht hatten, nicht aufhörten zu wachsen. Die Feronia-Mutanten sahen den Nortia-Pflanzen sehr ähnlich, hatten aber nicht die verlängerten Pollenschläuche. 

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Zwei Gene regeln die Befruchtung der Blüten bei Arabidopsis.

Zwei Gene regeln die Befruchtung der Blüten bei Arabidopsis.

Bildquelle: © GABI-Geschäftsstelle

Gleiches Gen, unterschiedliche Wirkung

Mit Genanalysen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die molekulare Struktur des Nortia-Gens derjenigen des Mlo-Gens bei Gerste sehr ähnlich ist. Das Mlo-Gen ist für die Anfälligkeit der Gerstepflanzen mit Mehltauinfektionen verantwortlich. Fehlt den Gerstepflanzen das Mlo-Gen, so sind sie gegen Mehltau resistent. Dieser Mechanismus wird in der Züchtung von Saatgerste bereits intensiv genutzt. 

Wie sich herausstellte, wurde das Nortia-Gen nur im Geschlechtsapparat der Pflanze exprimiert. Für die Anfälligkeit der Arabidopsis-Pflanzen auf Mehltau konnte Nortia daher nicht verantwortlich sein. Das Nortia-Gen schien aber mit dem Feronia-Gen zu interagieren. Die Wissenschaftler vermuten, dass Feronia für die Regulierung des Nortia-Gens verantwortlich ist und so veranlasst, dass der Pollenschlauch sein Wachstum einstellt sobald er die weibliche Samenanlage erreicht (erfolgreiche Befruchtung). Ähnlich könnte Feronia auch mit anderen Genen der Mlo-Gruppe interagieren, die für die Resistenzbildung verantwortlich sind. Im Gegensatz zu Nortia ist das Feronia-Gen in allen Pflanzenteilen aktiv, also auch in der Blattepidermis, dem Eintrittstor für pathogene Pilze. 

Und tatsächlich zeigten die Arabidopsis-Pflanzen mit dem Feronia-Gen eine größere Anfälligkeit auf Mehltau als Pflanzen des Wildtyps. Die Pflanzen mit inaktiviertem Feronia-Gen waren hingegen resistent gegen Mehltau. Das Feronia-Gen scheint somit nicht nur für die Fruchtbarkeit der Pflanze entscheidend zu sein, sondern auch das Wachstum der Pilzhyphen und damit die Mehltauinfektion zu befördern. Diese Interaktion könnte der Grund dafür sein, weshalb Pflanzen im Laufe der Evolution das Gen für die Mehltauanfälligkeit nicht loswerden konnten.

Resistenz versus Fruchtbarkeit

Die Resistenz der Pflanzen hat somit einen hohen Preis: Die Pflanzen sind unfruchtbar. Im Hinblick auf die Nahrungssicherung für eine stetig wachsende Weltbevölkerung ergibt sich für die Pflanzenzüchtung hieraus eine Herausforderung: Wie können Mehltau resistente Pflanzen gezüchtet werden, ohne dadurch gleichzeitig die Fruchtbarkeit der Pflanze zu verringern? Und wie kann der Befruchtungsprozess so optimiert werden, dass die Erträge steigen ohne die Pflanze gleichzeitig anfälliger für Pilzinfektionen zu machen? Ein schwieriger Weg für die Forschung. Die nun veröffentlichten Arbeiten helfen, die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen besser zu verstehen. Auf dieser Basis können innovative Ansätze gefunden werden, die einerseits hohe Erträge durch fruchtbare Pflanzen und andererseits Resistenzen gegen Schaderreger wie den Mehltau-Pilzen realisieren. 


Quelle:

Sharon A. Kessler et al. (2010): Conserved molecular components for pollen tube reception and fungal invasion, Science, 12. November 2010, Vol. 330 / 6006, S. 968 – 971, DOI: 10.1126/science.1195211 (abstract).

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