Der kleine Vampir ist „entschlüsselt“

Erbgut des Teufelszwirns enthält auch „geklaute“ Fremd-DNA

02.08.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Cuscuta campestris umschlingt die Stängel von Pflanzen und entzieht ihnen Nährstoffe und Wasser. (Bildquelle: © Kirsten Krause, UiT The Arctic University of Norway, Tromsø)

Cuscuta campestris umschlingt die Stängel von Pflanzen und entzieht ihnen Nährstoffe und Wasser. (Bildquelle: © Kirsten Krause, UiT The Arctic University of Norway, Tromsø)

Der Teufelszwirn ist eine parasitäre Pflanze, der verschiedene Pflanzenfamilien befällt und hohe Ernteschäden verursacht. Jetzt wurde erstmals das Erbgut des Parasiten analysiert.

Pflanzen haben es nicht leicht: Nicht nur Bakterien, Viren oder Insekten setzen ihnen zu, auch „Kollegen“ aus dem Pflanzenreich gehen ihnen an den Kragen. So zum Beispiel der aus Amerika eingewanderte Teufelszwirn (Cuscuta campestris), auch Nordamerikanische Seide genannt. Er umschlingt seine Opfer und saugt sie aus. Jetzt wurde in einer neuen Studie unter Beteiligung der RWTH Aachen und des Forschungszentrums Jülich erstmals das vollständige Erbgut des Schädlings analysiert. So will man auch neue Wege finden, ihn zu bekämpfen.

Ein echter Vollschmarotzer

Die Bezeichnung „Teufelszwirn“ rührt daher, dass die verschiedenen Arten dieser Gattung sich von anderen Pflanzen parasitisch ernähren. Der Teufelszwirn wurde als Neophyt („Neubürger“) Ende des 19. Jahrhunderts nach Europa eingeschleppt.

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Die Nordamerikanische Seide (Cuscuta campestris), auch Teufelszwirn genannt, lebt auf Kosten der Wirtspflanze. C. campestris ist die erste parasitäre Pflanze, deren Genomsequenz vollständig sequenziert und veröffentlicht werden konnte.

Die Nordamerikanische Seide (Cuscuta campestris), auch Teufelszwirn genannt, lebt auf Kosten der Wirtspflanze. C. campestris ist die erste parasitäre Pflanze, deren Genomsequenz vollständig sequenziert und veröffentlicht werden konnte.

Bildquelle: © Kirsten Krause, UiT The Arctic University of Norway, Tromsø

Er besitzt weder Blätter noch Wurzeln, sondern zapft mit speziellen Saugorganen (Haustorien) die Leitbündel der Wirtspflanzen an. Hat die Pflanze einmal ihren Wirt „infiltriert“, ist sie kaum noch von ihm zu trennen. Befallene Pflanzen werden oft so stark geschädigt, dass sie verkümmern oder sogar eingehen. Parallel dazu bilden die Parasiten neue Keimlinge, die auch die Umgebung systematisch überwuchern. Daher gilt der pflanzliche Parasit als gefürchteter Schädling, zum Beispiel bei Kartoffeln (Solanum tuberosum), Raps (Brassica Napus) und Getreide.

Im Gegensatz zu anderen parasitisch lebenden Pflanzen ist nicht auf eine Wirtsart spezialisiert. Im Gegenteil: Er befällt sowohl krautige Pflanzen als auch Bäume und Sträucher verschiedener Pflanzenfamilien. Um wirksam gegen diesen Schmarotzer vorzugehen, muss man seine Eigenheiten kennen. Ein wichtiger Baustein für dieses Verständnis ist die Entschlüsselung seines Genoms.

Reduktion auf das Nötigste

Das Forschungsteam hat nun erstmals das gesamte Genom eines pflanzlichen Parasiten entschlüsselt. Die Analyse hat erstaunliches gezeigt: 1.736 Gene, die „normale“ Pflanzen immer haben, gingen im Verlauf der Evolution verloren. Der Teufelszwirn benötigt sie als Parasit nicht mehr. Ihm fehlen zum Beispiel Gene für eine hohe Photosyntheserate, zur Aufnahme von Nährstoffen aus dem Boden und zur Interaktion mit seiner Umwelt.

Interessanterweise ist der Photosyntheseapparat noch abgeschwächt funktionsfähig, aber er kann die Pflanze nicht mehr alleine ernähren. Die Forscher vermuten, dass die Pflanze insbesondere die verbliebene Fähigkeit zur Refixierung von CO2 nutzt, um „Hungerstrecken“ zu überstehen. CO2 wird in verschiedenen Prozessen (zum Beispiel der Fettsäuresynthese oder der mitochondrialen Atmung) freigesetzt und die Refixierung kann der Pflanze helfen, Zeiten ohne Kohlenstoffzufuhr vom Wirt zu überbrücken. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sie einen neuen Wirt erst noch besiedeln muss.

Kleiner Gen-Dieb

Zu ihrer Überraschung entdeckte das Team auch, dass der Teufelszwirn nicht nur Wasser, Nährstoffe und Assimilate vom Wirt absaugt. Auch Genmaterial geht von Zeit zu Zeit vom Wirt auf den Parasiten über (horizontaler Gentransfer). Denn die Forscher fanden 64 DNA-Bruchstücke, die nicht zum Cuscuta-Genom gehören. Sie stammen von den „Opfern“. Die Sequenzen ließen sich Nelkengewächsen und Schmetterlingsblütlern, aber auch Malven, Rosen und Möhren zuordnen. Was der Parasit davon hat, ist allerdings noch reine Spekulation. Möglich wäre zum Beispiel, die erbeutete DNA bzw. die hier codierten  zur Verbesserung der Tarnung bei der Besiedlung der Wirte zu nutzen. Dazu müsste in weiteren Untersuchungen die Aktivität dieser Gene genauer bestimmt werden.

Unter dem Strich zeigt das Genom des Teufelszwirns, was einen echten Parasiten ausmacht: Sämtliche Versorgungsfunktionen, die vom Wirt unfreiwillig übernommen werden, sind im Parasitengenom abgeschaltet oder auf ein Minimum reduziert worden. Der Parasit ist daher vollkommen abhängig von seinem Wirt und kann allein nicht lange überleben. Das entschlüsselte Genom bietet nun die Möglichkeit, die Interaktionen zwischen Parasit und Pflanze noch genauer zu erforschen und daraus Strategien für den Pflanzenschutz zu entwickeln.


Quelle:
Vogel, A. et al. (2018): Footprints of parasitism in the genome of the parasitic flowering plant Cuscuta campestris. In: Nature Communications, (28. Juni 2018), doi: 10.1038/s41467-018-04344-z.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Cuscuta campestris umschlingt die Stängel von Pflanzen und entzieht ihnen Nährstoffe und Wasser. (Bildquelle: © Kirsten Krause, UiT The Arctic University of Norway, Tromsø)