„Der weltweite Handel ist eine Chance“

Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Kirschke

21.01.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Nahrungsmittel und Agrargüter werden wie andere Produkte auch auf Märkten gehandelt, weshalb das Verteilungsproblem nicht allein durch Produktivitätssteigerungen gelöst werden kann. (Bildquelle: © iStock.com/ alexis)

Nahrungsmittel und Agrargüter werden wie andere Produkte auch auf Märkten gehandelt, weshalb das Verteilungsproblem nicht allein durch Produktivitätssteigerungen gelöst werden kann. (Bildquelle: © iStock.com/ alexis)

Anlässlich der Veröffentlichung der Broschüre „Nahrung für Milliarden - Forschungsaktivitäten der Bundesregierung als Beitrag zur globalen Ernährungssicherung“ sprach Pflanzenforschung.de mit Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Kirschke über ökonomische und politische Einflussfaktoren sowie die Rolle des Handels. Prof. Kirschke leitet das Fachgebiet Agrarpolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeitsschwerpunkte sind die Analyse und Bewertung von Agrarpolitiken sowie europäische und internationale Fragen der Agrarpolitik.

Pflanzenforschung.de:  Sind die weltweiten Handelsströme mit Agrargütern vergleichbar mit denen anderer Industriegüter?

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Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Kirschke leitet das Fachgebiet Agrarpolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeitsschwerpunkte sind die Analyse und Bewertung von Agrarpolitiken sowie europäische und internationale Fragen der Agrarpolitik.

Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Kirschke leitet das Fachgebiet Agrarpolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeitsschwerpunkte sind die Analyse und Bewertung von Agrarpolitiken sowie europäische und
internationale Fragen der Agrarpolitik.

Bildquelle: © Dieter Kirschke

Prof. Dr. Dieter Kirschke: Es gibt da keine wesentlichen Unterschiede, außer wenn Nahrungslieferungen an politische Zugeständnisse gekoppelt werden und Abhängigkeiten entstehen. Viel interessanter ist aber, dass der weltweite Handel uns die Möglichkeit bietet, Ressourcen so effizient wie möglich zu nutzen. Ein Beispiel ist die Tiermast, für die wir eiweißreiche Futtermittel wie Soja benötigen. Da der Ertrag von Eiweißpflanzen in Südamerika höher ist als in Mitteleuropa, ist es besser, wenn wir diese Pflanzen importieren statt auf unseren eigenen Flächen anzubauen.

Pflanzenforschung.de: Wie bewerten Sie den weltweiten Handel mit Agrargütern, die Termingeschäfte und Spekulationen auf Nahrungsmittel an den Börsen?

Prof. Dr. Dieter Kirschke: Den weltweiten Austausch von Agrarprodukten halte ich für sinnvoll. Gerade das Wetter macht die Unsicherheiten im Agrarbereich sehr hoch und Warenterminbörsen sind ein fantastisches Instrument zur Risikoabsicherung für Produzenten. Ich glaube nicht, dass Banken oder Fonds mit Spekulationen die Preise in die Höhe treiben können, denn die Märkte sind transparent und Ernteausfälle kein Geheimnis.

Pflanzenforschung.de: Ernährungssicherung läuft in sehr komplexen Wertschöpfungsketten ab. Wie sind diese miteinander verwoben und wo geschieht in dieser Kette die Wertschöpfung?

Prof. Dr. Dieter Kirschke: Wenn ich eine Kuh habe, die Kuh melke und aus der Milch Käse herstelle, dann habe ich einen Wert geschaffen. In funktionierenden Wertschöpfungsketten entstehen immer Einkommenszuwächse, aber einige ärmere Länder verfügen gar nicht über die Investitionsmöglichkeiten zum Aufbau solcher Ketten.

Pflanzenforschung.de: Steigende Preise für Agrargüter treffen vor allem ärmere Bevölkerungsschichten in den Städten. Die Bauern hingegen profitieren vom höheren Gewinn. Wo liegt das richtige Maß?

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Durch das Klicken auf das Titelbild kann die Broschüre

Durch das Klicken auf das Titelbild kann die Broschüre "Nahrung für Milliarden" direkt im Browser gelesen werden.

Prof. Dr. Dieter Kirschke: Das gibt es leider nicht. Von höheren Preisen profitieren stets die Produzenten, während diese schlecht für die Verbraucher sind, und umgekehrt. Nur durch Subventionen lassen sich die Preise heben oder senken, aber dann zahlt der Steuerzahler die Rechnung.

Pflanzenforschung.de: Was ist die Ursache für den Hunger in der Welt und wie können wir ihn bekämpfen?

Prof. Dr. Dieter Kirschke: Wir leben in einer Marktwirtschaft und auf den Märkten werden die Lebensmittel verteilt. Durch unsere Politik können wir die Marktpreise beeinflussen und somit die Verteilung der Lebensmittel gerechter machen. Eine höhere Nahrungsmittelproduktion allein reicht nicht aus.

Pflanzenforschung.de: Bedroht die Bioökonomie die globale Nahrungssicherheit, weil sie Pflanzen auch zur Rohstoff und Energiegewinnung nutzen will?

Prof. Dr. Dieter Kirschke: Bioökonomie ist ein breites Feld, das Konkurrenzen in der Landnutzung auch verringern könnte. Wenn durch technischen Fortschritt die Bioenergieproduktion auf Standorten verbessert werden kann, wo sowieso keine Nahrungsmittel angebaut werden, dann ist das positiv. Ich denke dabei beispielsweise an ehemalige Braunkohletagebauten. Aber Technologie und Wissenschaft können eine gute Verteilungspolitik nicht ersetzen.

Pflanzenforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch.


Die Broschüre der Bundesregierung „Nahrung für Milliarden – Forschungsaktivitäten der Bundesregierung als Beitrag zur globalen Ernährungssicherung“ kann unter folgendem Link auf der Website des Bundesministerium für Bildung und Forschung als barrierefreie PDF gelesen und heruntergeladen werden: www.bmbf.de/pub/Nahrung_fuer_Milliarden.pdf

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Titelbild: Nahrungsmittel und Agrargüter werden wie andere Produkte auch auf Märkten gehandelt, weshalb das Verteilungsproblem nicht allein durch Produktivitätssteigerungen gelöst werden kann. (Bildquelle: © iStock.com/ alexis)