Deutsche Landwirtschaft wird nachhaltiger

DLG legt Nachhaltigkeitsbericht für 2016 vor

26.01.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Landwirtschaft befindet sich tendenziell auf gutem Weg. Optimierungspotenzial besteht dennoch. Welchen Beitrag kann die Pflanzenforschung zur Nachhaltigkeitssteigerung leisten? (Bildquelle: © Oliver Mohr/ pixelio.de)

Die Landwirtschaft befindet sich tendenziell auf gutem Weg. Optimierungspotenzial besteht dennoch. Welchen Beitrag kann die Pflanzenforschung zur Nachhaltigkeitssteigerung leisten? (Bildquelle: © Oliver Mohr/ pixelio.de)

Nachhaltigkeitsberichte sind heute feste Bestandteile der Unternehmenskommunikation. Aus rechtlichen, markt- und managementorientierten Motiven oder rein aus Publicity-Gründen. Von diesen zu unterscheiden ist jener der Deutschen Landwirtschaftlichen Gesellschaft (DLG). Die Leser erwartet „mehr sachliche Befassung“ statt „blumiger Bilder“, verrät DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer. Sein Fazit: die Landwirtschaft befindet sich auf gutem Weg, Optimierungspotenzial besteht trotzdem. Kann die Pflanzenforschung helfen?

Dass früher alles besser gewesen wäre, mag manchmal zutreffen, nicht aber bei der Nachhaltigkeit der deutschen Landwirtschaft. Legt man die Entwicklung von 1990 bis 2013 zugrunde, verbessert sie sich jährlich um 1,9%. Basis ist der Nachhaltigkeits-Index Landwirtschaft, den die DLG nach Vorbild des Welthungerindex oder des Human Delevopment Index im Jahr 2015 für die deutsche Landwirtschaft entwickelt hat. Gemäß dem Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit vereint dieser 23 Indikatoren aus den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales in einer einzigen Wachstumskurve.

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Während die Flächenproduktivität steigt, fällt immer mehr Landwirtschaftsfläche Siedlungen und Verkehrswegen zum Opfer. Derzeit rund 75 ha täglich.

Während die Flächenproduktivität steigt, fällt immer mehr Landwirtschaftsfläche Siedlungen und Verkehrswegen zum Opfer. Derzeit rund 75 ha täglich.

Bildquelle: © Christine Braune/pixelio.de

Welchen Platz nimmt die Pflanzenforschung ein?

DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer zieht sein Fazit: „Wir sind tendenziell auf dem richtigen Weg.“ Ohne Zweifel ist die Pflanzenforschung Teil der Entwicklung. Interessant ist aber, ob und wie sie in den Bereichen einen Beitrag leisten kann, in denen die Autoren des Nachhaltigkeitsberichts Optimierungspotenzial sehen. Gibt es Beispiele?

Ertrag und Produktivität

Laut Statistik fallen täglich 75 Hektar der gesamtdeutschen Landwirtschaftsfläche (357.341 km²) Verkehrswegen und Siedlungen zum Opfer. Legt man dieser Zahl die durchschnittliche Flächenausstattung landwirtschaftlicher Betriebe zugrunde, entspricht dies einem Wegfall von 1,3 Betrieben am Tag. Zwar sei der tägliche Verlust von rund 140 ha am Tag im Jahr 2000 zurückgegangen, dennoch sei dieser Verlust mittelfristig nicht hinnehmbar, so die Autoren. Zu argumentieren, dass dies durch eine rückläufige demografische Entwicklung in Deutschland kompensiert werden würde, greift zu kurz.

Zum einen wachsen Ansprüche und Bedarfe von Konsumenten und Industrie in Deutschland, zum anderen ist die Agrar- und Ernährungswirtschaft zugleich Exportwirtschaft. Im Moment liegt Deutschland auf Platz drei der Agrarhandelsnationen. Die Autoren des Berichts sehen sich daher veranlasst, „eine hohe Produktivität anzustreben, um den für die für die Nahrungsmittel- und Rohstofferzeugung knapper werdenden Faktor Boden bei gleichzeitig effizientem Einsatz von Energie, Wasser, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln optimal zu nutzen“.  Allesamt Bereiche, denen sich die Pflanzenforschung widmet und in denen sie laufend Fortschritte erzielt, z.B. durch die Entwicklung von ressourceneffizienten und robusten Kultursorten oder die Optimierung von Anbaumethoden.

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Leguminosen sind wahre Stickstoffsammler und eine nachhaltige Möglichkeit, um Stickstoffüberschüsse vorzubeugen 

Leguminosen sind wahre Stickstoffsammler und eine nachhaltige Möglichkeit, um Stickstoffüberschüsse vorzubeugen 

Bildquelle: © Max Müller/ pixelio.de

Verbesserung der Stickstoffbilanz

Eine andere große Baustelle ist die Stickstoffbilanz. Zwar nehmen die Überschüsse seit zwei Jahrzehnten tendenziell ab, dennoch sind seit 2010 wieder leichte Anstiege zu verzeichnen. Der durch die Düngeverordnung angestrebte Zustand von maximal 60 kg Stickstoffüberschuss pro Hektar im Dreijahresmittel wurde im Jahr 2013 nicht erreicht (67 kg/ha). Da landwirtschaftliche Bodennutzung jedoch stets mit Stickstoffverlusten einhergeht, weil nicht nur die ausgebrachte Menge an organischem oder mineralischem Dünger entscheidend ist, sondern auch Boden, Witterung und Pflanzenart, sind auch hier Erkenntnisse aus der Pflanzenforschung zur Identifikation von Stellschrauben und Ansätzen wertvoll.

Um einige Beispiele zu nennen: Leguminosen nutzen Symbiosen mit Bakterien, um ihre Stickstoffversorgung mit dem in der Luft vorhandenen Stickstoff zu decken. Dieses Prinzip auch für andere Pflanzen nutzbar zu machen, ist eine Option. Auch neue Fruchtfolgen oder der Mischanbau bieten Möglichkeiten, um einen der energieaufwändigsten chemischen Prozesse, das Haber-Bosch Verfahren, zu reduzieren. Dies spart Treibhausgasemissionen nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im vorgelagerten Bereich, die Chemieindustrie.

Trade instead of aid

Doch wie steht es um die dritte Nachhaltigkeitssäule, die soziale Verantwortung? Auch jenseits deutscher Äcker entfaltet die Pflanzenforschung Wirkung. Der im Bericht empfohlene Ansatz der Entwicklungshilfe „trade instead of aid“ – frei übersetzt: Handel statt Hilfe – setzt auf das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe.Zwar ist Kritik berechtigt, dass Agrarimporte nach Deutschland Versorgungslücken in den Exportländern hinterlassen, ausgeschlossen werden sollten sie dennoch nicht, wie es zur Begründung heißt: „Unsere Importe sind zugleich Exporte der Entwicklungsländer und damit Exporterlöse, die für den weiteren Aufbau der Wirtschaft und der Landwirtschaft genutzt werden können.“ 

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Durch das Klicken auf das Titelbild kann die Broschüre "Nahrung für Milliarden" direkt im Browser gelesen werden.

Durch das Klicken auf das Titelbild kann die Broschüre "Nahrung für Milliarden" direkt im Browser gelesen werden.

Dafür bedarf es neben funktionierenden Märkten vor Ort und offener Grenzen vor allem Rohstoffe. Bezogen auf Letzteres leistet die Pflanzenforschung Unterstützung, z.B. durch die Entwicklung standortangepasster Nutzpflanzen oder Anbaumethoden. Eine aktuelle Übersicht, wie dies in einer Schwerpunktregion der Forschungszusammenarbeit, im Afrika südlich der Sahara, gelingt, liefert die Broschüre der Bundesregierung „Nahrung für Milliarden“.

Nur Fassbares kann verbessert werden

Was treibt Bartmer und seine Mitstreiter an? Sicherlich der Wunsch, die Landwirtschaft nachhaltig und damit dauerhaft als Garanten für Wohlstand und Entwicklung zu etablieren. Zwar wurde vieles erreicht, dennoch besteht nach wie vor Entwicklungspotenzial. Global trägt die Landwirtschaft zu etwa 20% der weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Auch in Deutschland sind es 7%, rechnet man die vor- und nachgelagerten Bereiche hinzu, kommt man auch in Deutschland auf einen Anteil von 15%. Der Konsum und die Verschwendung des Endverbrauchers noch nicht mitgerechnet.

„Nachhaltigkeit muss fassbar sein, idealerweise messbar, denn Messbares schafft einen Überblick über den Status Quo, kann in der Entwicklung verglichen und letztlich optimiert werden“, schreibt der DLG-Präsident im Vorwort. Weiter heißt es: „Messbares offenbart Defizite, gibt aber auch Impulse für Verbesserungen, für Fortschritt durch bessere Technologien, durch weiterentwickelte Biologie (Züchtung), durch effizientere organisatorische Verfahren.“

Der Bericht zeigt, dass Nachhaltigkeit mehr ist als ein gutes Gefühl oder Gewissen. Es ist ein Prozess, der Engagement, Umsetzungskraft, aber auch Know-How erfordert. Know-How aus den unterschiedlichsten Fachbereichen, nicht zuletzt aus der Pflanzenforschung.


Quelle:
Deutsche Landwirtschaftliche Gesellschaft e.V. (Hg.) (2016): DLG-Nachhaltigkeitsbericht 2016. DLG-Verlag GmbH, Frankfurt am Main, (Link)

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Titelbild: Die Landwirtschaft befindet sich tendenziell auf gutem Weg. Optimierungspotenzial besteht dennoch. Welchen Beitrag kann die Pflanzenforschung zur Nachhaltigkeitssteigerung leisten? (Bildquelle: © Oliver Mohr/ pixelio.de)