Dialog zwischen Embryo und Endosperm

Eine bidirektionale Regulation steuert die Cuticula

17.02.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Bei der Samenbildung (hier: Sonnenblumensamen) hat das Peptid TWS1 eine zentrale Rolle beim Schutz der Embryos vor Trockenheit. (Bildquelle: © Silke Wurm/Pixabay/CC0)

Bei der Samenbildung (hier: Sonnenblumensamen) hat das Peptid TWS1 eine zentrale Rolle beim Schutz der Embryos vor Trockenheit. (Bildquelle: © Silke Wurm/Pixabay/CC0)

Die Cuticula des pflanzlichen Embryos hat als hydrophobe Barriere eine wichtige Schutzfunktion. Jetzt haben Forscher ein wichtiges Element des regulatorischen Netzwerks identifiziert, das die Entstehung der Cuticula steuert und ihre Integrität überwacht.

Pflanzensamen sind meist robust und können widrige Bedingungen überstehen, bis sie eine zum Keimen geeignete Umwelt vorfinden. Der Embryo ist jedoch anfällig gegen Trockenheit. Deshalb schützt ihn eine hydrophobe Barriere im Samen, die Cuticula, vor Wasserverlusten. Der korrekte Aufbau dieser Barriere ist damit für den Samen überlebenswichtig. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Universität Hohenheim hat nun ein zentrales regulatorisches Element der Cuticula-Bildung identifiziert. Interessanterweise sind daran gleich zwei der drei Kompartimente des Samens beteiligt: der zygotische Embryo und das Endosperm, zwischen denen schließlich die Cuticula verläuft.

Signalmolekül gesucht

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Embryo und Endosperm im sich entwickelnden Samen von Arabidopsis-Pflanzen (lichtmikroskopische Aufnahme).

Embryo und Endosperm im sich entwickelnden Samen von Arabidopsis-Pflanzen (lichtmikroskopische Aufnahme).

Bildquelle: © Universität Hohenheim

Bekannt war bereits, dass zwei rezeptorähnliche Kinasen (RLKs) wesentlich sind für den Aufbau der embryonalen Cuticula, GASSHO1 (kurz GSO1) und SCHENGEN3 (kurz GSO2), außerdem eine zu den Subtilasen zählende Protease, ALE1. Mutationen in den entsprechenden Genen führen dazu, dass die Barriere löchrig ist. Weil Subtilasen wahrscheinlich an der Aktivierung von Vorstufen bestimmter Peptidhormone beteiligt sind, vermuteten die Forscher, dass dies auch hier der Fall sein könnte. ALE1 ist möglicherweise erforderlich, damit ein noch unbekanntes Signalmolekül gebildet werden kann, das die Kommunikation zwischen den benachbarten Kompartimenten Embryo und Endosperm herstellt.

Als Kandidaten für das Signalmolekül hatten die Forscher CIF3 und CIF4 im Verdacht. Die CASPARIAN STRIP INTEGRITY FACTORs (CIFs) bilden eine Gruppe kleiner sulfatierter Peptide, die an GSO1 und GSO2 binden. Während die Funktion von CIF1 und CIF2 aufgeklärt werden konnte – sie sind an der Bildung des Casparischen Streifens beteiligt –, ist die von CIF3 und CIF4 noch unbekannt.

Schalteten die Forscher alle vier cif-Gene aus, konnten sie jedoch keine Beeinträchtigung der Cuticula beobachten. Schalteten sie allerdings das Gen für die Tyrosil-Protein-Sulfotransferase (TPST) aus, entstanden ähnliche Störungen der Cuticula-Bildung wie bei ausgeschaltetem ale1. Der Phänotyp des tpst-Knockouts entspricht dem des gso1-gso2-Doppelknockouts. Das deutet darauf hin, dass alle drei Gene im selben regulatorischen Pfad liegen. Außerdem folgt daraus, dass in der Tat ein sulfatiertes Peptid beteiligt ist – jedoch keines der CIF-Familie.

Zufallsfund führt auf die Spur

Auf die Spur des richtigen Peptids brachte die Forscher das Ergebnis einer anderen Studie: Dort hatte sich gezeigt, dass ein Funktionsverlust des Peptids TWISTED SEED1 (TWS1) ebenfalls zu einem Phänotyp führt, der sehr stark dem gso1-gso2-Doppelknockout gleicht. Gemeinsame Knockouts von tws1 und ale1 sowie gso1-gso2, die zu identischen Phänotypen führten, bestätigten: TWS1 ist im entscheidenden regulatorischen Pfad aktiv.

Analysen von TWS1 ergaben, dass dessen Proteinsequenz eine Region aufweist, die große Ähnlichkeit mit dem N-Terminus von CIF-Peptiden hat, darunter das DY-Motiv, das für die Sulfatierung durch TPST erforderlich ist. Entfernten die Forscher dieses Motiv, verlor TWS1 seine Funktion. Massenspektrometrische Untersuchungen zeigten außerdem, dass TWS1 von ALE1 geschnitten wird und die Schnittstelle dann dem C-Terminus der CIF-Peptide ähnelt.

Das Peptid TWS1 erfüllt alle Bedingungen

Die Forscher erzeugten daraufhin ein synthetisches TWS1-Protein, das N-terminal durch das DY-Motiv begrenzt ist und C-terminal dem Schnitt durch ALE1 entspricht. Untersuchungen der biologischen Aktivität dieses synthetischen Peptids deuteten darauf hin, dass TWS1 in der geschnittenen Form CIF1 und CIF2 als Liganden von GSO1 während der Bildung des Casparischen Streifens ersetzen kann. In cif1-cif2-Doppelknockouts bestätigte sich diese Beobachtung.

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Arabidopsis-Keimling: Das Innenleben von Samen hält für Biologen noch etliche Rätsel bereit.

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Bildquelle: © Universität Hohenheim

Dafür spricht außerdem, dass eine Verlängerung des C-Terminus mit weiteren Aminosäuren die Bindung an GSO1 und GSO2 beeinträchtigt, und dass ohne Sulfatierung durch TPST die Bindung nicht erfolgt. Demnach ist das sulfatierte TWS-Peptid auch das fehlende Glied in der Signalkette: ALE1 und TPST sind beide an der Bildung des aktiven Peptids beteiligt, das schließlich an GSO1 und GSO2 bindet, um die korrekte Bildung der Cuticula sicherzustellen.

Als spannend erwies sich abschließen der Blick darauf, in welchen Kompartimenten des Samens die beteiligten Moleküle synthetisiert und verarbeitet werden. So entsteht TWS1 spezifisch im Embryo und wird auch dort sulfatiert. ALE1 wird allerdings nur im Endosperm exprimiert, also auf der anderen Seite der wachsenden Cuticula – und somit getrennt von GSO1 und GSO2, die dieses Wachstum steuern.

Zur Aktivierung ins Nachbarkompartiment

Die Forscher vermuten daher folgendes Modell: Die Aktivierung des GSO-Signalwegs hängt davon ab, dass das TWS1-Peptid vom Embryo ins Endosperm sekretiert wird. Dort wird das Peptid durch ALE1 geschnitten und aktiviert, bevor es in den Embyro durch noch vorhandene Lücken in der Cuticula zurückdiffundiert. Hier bindet es an GSO1 und GSO2 und treibt so die korrekte Schließung der Lücken in der Cuticula voran. Sobald diese fertiggestellt ist, ist der Signalweg unterbrochen, weil die Subtilase von ihrem Substrat getrennt wurde.

Dieser bidirektionale Signalweg scheint zunächst unnötig aufwendig, doch die Studie liefert auch hierfür eine plausible Erklärung: Die räumliche Trennung der Peptidvorstufe von ihrem Aktivatorenzym ALE1 könnte dazu dienen, das Peptidsignal abzuschwächen: Exprimierten die Forscher ale1 gemeinsam mit allen anderen Signalelementen direkt im Embryo, kam es – wahrscheinlich infolge einer GSO-abhängigen Stressreaktion – zum einem Wachstumsstopp.


Quelle:
Doll, N.M. et al. (2020): A two-way molecular dialogue between embryo and endosperm is required for seed development. In: Science 367, 431–435, (24. Januar 2020), doi: 10.1126/science.aaz4131.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Bei der Samenbildung (hier: Sonnenblumensamen) hat das Peptid TWS1 eine zentrale Rolle beim Schutz der Embryos vor Trockenheit. (Bildquelle: © Silke Wurm/Pixabay/CC0)