Die Dosis macht das Gift

Giftige Pflanzeninhaltsstoffe in unseren Nutzpflanzen verstehen

21.06.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Glykoalkaloide befinden sich z.B. in grün geworden Kartoffeln und in den Keimen, die sich aus den Knollen entwickeln. (Quelle: © von Lieres / Fotolia.com)

Glykoalkaloide befinden sich z.B. in grün geworden Kartoffeln und in den Keimen, die sich aus den Knollen entwickeln. (Quelle: © von Lieres / Fotolia.com)

Unsere Hauptnahrungspflanzen enthalten neben förderlichen Substanzen, auch geringe Anteile an giftigen Inhaltsstoffen, die wir mit unserer Nahrung teilweise aufnehmen. Forscher haben nun in Tomaten und Kartoffeln die Gene untersucht, die für die Bildung dieser toxischen Pflanzeninhaltsstoffe zuständig sind. Durch gezieltes Abschalten eines dieser Gene, konnte deren Gehalt in den Wildtyp-Pflanzen fast um das 75-fache verringert werden. Dieses Wissen könnte nun der Pflanzenzüchtung bei der weiteren Verbesserung unserer Nahrungspflanzen helfen.

Obst und Gemüse schmecken gut und enthalten viele wichtige Nährstoffe, die förderlich sind für unsere Gesundheit. Allerdings enthalten sie auch natürliche Toxine, die in geringen Dosen jedoch keinem schaden. Sogenannte Antinährstoffe, also antinutritive Substanzen, die eine maximale Verwertung der mit der Nahrung aufgenommenen Nährstoffe einschränken, finden sich beispielsweise in Nachtschattengewächsen (Solanaceae), wie den beliebten Tomaten und Kartoffeln.  

Giftige Pflanzeninhaltsstoffe

In Kartoffeln ist der bekannteste Vertreter das Solanin. Unter Solanin versteht man α-Solanin und α-Chaconin, die strukturell zu den Steroid-Glykoalkaloiden zählen. Neben Kartoffeln finden sich diese Stoffe auch in unreifen, noch grünen Tomaten. 

Der Glykoalkaloidgehalt bei Kartoffeln ist abhängig von der Sorte und Größe der Knollen. In der Kartoffelknolle befinden sich diese Inhaltsstoffe hauptsächlich in der Schale, in Kartoffeln, die grün geworden sind und in den Keimen, die sich aus den Knollen entwickeln. Unterhalb der Schale ist der Gehalt verschwindend gering. Was auch der Grund ist, warum wir unsere Kartoffeln schälen. Licht und Wärme haben einen negativen Einfluss auf den Gehalt an unerwünschten Inhaltsstoffen und erhöhen die Konzentrationen. Daher sollten Kartoffeln dunkel und kühl (idealerweise 10 °C) gelagert werden. Ebenfalls nicht zu lange, denn auch eine lange Lagerdauer wirkt sich negativ aus.

Im Zuge der Domestikation und durch züchterische Bemühungen konnte die Konzentration an solchen Antinährstoffen in heutigen Hauptnahrungspflanzen deutlich reduziert werden. So auch bei Kartoffeln. Heutige Kartoffelsorten werden daher als gesundheitlich unbedenklichen angesehen.

Beim Menschen verursachen die Substanzen in höheren Dosen Magen-Darm-Erkrankungen wie Durchfall und Erbrechen sowie neurologische Erkrankungen, wie Kopfschmerzen. Dennoch sind solche Vergiftungssymptome in unserer Gesellschaft recht selten. Wir werden quasi gewarnt vor einem erhöhten Gehalt an Steroid-Glykoalkaloiden, da sie sich durch einen stark bitteren Geschmack bemerkbar machen und für uns daher geschmacklich abschreckend sind.

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In der Kartoffelknolle befinden sich diese unerwünschten Inhaltsstoffe hauptsächlich in der Schale.

In der Kartoffelknolle befinden sich diese unerwünschten Inhaltsstoffe hauptsächlich in der Schale.

Bildquelle: © Katharina Bregulla / pixelio.de

Mittel der pflanzlichen Abwehr

In den Pflanzen werden die Stoffe im sekundären Stoffwechsel produziert und gehören damit zu den sekundären Pflanzenstoffen. Die Bitterstoffe produziert die Pflanze allerdings nicht zum Spaß, sie besitzen eine wichtige Funktion: Sie dienen der Abwehr von Schädlingen, Fressfeinden und Krankheiten. 

Die wilden Vorfahren unserer beliebtesten Nutzpflanzen enthielten allerdings größere Mengen von solchen antinutrativen Substanzen und würden uns heute sicherlich nicht schmecken. Moderne Sorten munden uns schon eher und sind bereits so optimiert, dass wir sie unbedenklich essen können. Denn schließlich macht die Dosis das Gift. Um die Pflanzen zukünftig noch weiter zu verbessern, betrachteten Forscher nun die molekularen Grundlagen der Entstehung dieser giftigen Inhaltsstoffe.

Die verantwortlichen Gene

Die Forscher untersuchten mittels Co-Expressionsanalysen, welche Genfamilien aktiv werden und am Aufbau der toxischen Stoffe beteiligt sind. Sie verglichen dazu das Erbgut von Tomaten und Kartoffeln und stellten fest, dass die beiden zehn Gene gemeinsam haben, die in dem Prozess involviert sind. Diese bilden dabei Gen-Cluster auf den Chromosomen 7 und 12 - gruppieren sich also dort.

Danach schalteten die Forscher gezielt am Aufbau beteiligte Gene (RNA-Interferenz) aus und testeten die Konzentrationen an giftigen Inhaltsstoffen in den Pflanzen. Das Ausschalten des Gens GAME4 (der Name steht für GLYCOALKALOID METABOLISM 4) reduzierte die Konzentration in Kartoffeln  dabei deutlich. Die Konzentration der giftigen Stoffe konnte bis zum 74-fachen der ursprünglichen Konzentration (beim Wildtyp) reduziert werden: α-Solanin konnte dabei von 200 mg/kg und α-Chaconin von 370 mg/kg auf jeweils 5 mg/kg reduziert werden.

Kartoffeln gehören zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln weltweit und sind für viele Menschen der Hauptbestandteil der Ernährung. Durch das gezielte Ausschalten der am Solanin-Gehalt beteiligten Gene und deren Proteine könnte nun der Züchtungsprozess beschleunigt werden, um Solanin-ärmere Kartoffel- und Tomatensorten zu produzieren. Ziel ist es letztlich, Grundnahrungspflanzen noch nahrhafter und gesünder zu machen als dies heute der Fall ist.


Quelle:

Itkin, M. et al. (2013): Biosynthesis of Antinutritional Alkaloids in Solanaceous Crops Is Mediated by Clustered Genes. In: Science Express, (20. Juni 2013), doi: 10.1126/science.1240230.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Glykoalkaloide befinden sich z.B. in grün geworden Kartoffeln und in den Keimen, die sich aus den Knollen entwickeln. (Quelle: © von Lieres / Fotolia.com)