Die Killer um uns

Pathogene Pilze machen vor keinem Wirt halt

10.09.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Was haben verschimmelte Früchte und eine tödliche Lungenerkrankung gemeinsam? Die Pilze nutzen die gleiche Angriffsstrategie. (Quelle: © iStockphoto.com / Whiteway)

Was haben verschimmelte Früchte und eine tödliche Lungenerkrankung gemeinsam? Die Pilze nutzen die gleiche Angriffsstrategie. (Quelle: © iStockphoto.com / Whiteway)

Pathogene Pilze befallen Pflanzen und Tiere. Wissenschaftler, die diese Pilze erforschen, teilen sie in viele kleine Grüppchen ein. Mal wird nach der Art der Krankheit sortiert und mal nach der Ernährungsweise. Dabei könnte die Unterteilung viel einfacher sein, denn jeder Pilz kann nur eine von zwei grundsätzlichen Strategien einschlagen: den Wirt töten oder am Leben erhalten.

Es gibt keine ökologische Nische auf der Erde, die nicht von Pilzen bevölkert ist. Einige von ihnen, die pathogenen Pilze, beziehen ihre Nährstoffe von anderen lebenden Organismen. Diese Parasiten kommen bei Menschen, Tieren und Pflanzen vor und obwohl sie so allgegenwärtig sind, werden sie meist getrennt behandelt. Einige Forscher befassen sich mit den Phytopathogenen, die es auf Pflanzen abgesehen haben, während andere die human- oder zoopathogenen Pilze untersuchen, die Menschen und Tiere befallen.

In einem vor kurzem veröffentlichten Aufsatz schlagen Forscher vor, Schluss zu machen mit dieser Kleinteiligkeit. Stattdessen sollten alle Pilze in Killer und Nicht-Killer eingeteilt werden. Die Killer sind diejenigen, die es darauf abgesehen haben, ihren Wirtsorganismus umzubringen, weil sie sich an toter organischer Masse laben wollen. Genau andersherum funktionieren die Nicht-Killer, die danach streben, ihre Wirte am Leben zu halten, denn als Biotrophe sind sie auf lebendes Gewebe angewiesen.

Die Kontrolle des Zelltods ist für Wirt und Pathogen von Bedeutung

Dass diese Einteilung sinnvoll ist, wird schnell klar, wenn man sich ein wenig mit pathogenen Pilzen befasst. Der Pflanzenschädling Botrytis cinerea, Auslöser der Grauschimmelfäule, und der humanpathogene Pilz Aspergillus fumigatus, der bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem zu einer meist tödlich endenden Aspergillose führt, haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam.

Sie befallen verschiedene Wirte und erzeugen Krankheiten mit unterschiedlichen Symptomen. Doch wenn die beiden Pilze beim Online-Dating angemeldet wären, dann hätten die Algorithmen vermutlich trotzdem ein Match errechnet.

Denn es gibt eine Gemeinsamkeit, die nicht so offensichtlich, aber extrem wichtig ist: Beide Pilze und überhaupt alle Killer benutzen den programmierten Zelltod (PCD von engl. programmed cell death) der Wirtsorganismen zu ihren Gunsten. Normalerweise dient PCD Pflanzen und Tieren als Verteidigung. Wird eine Zelle von einem Krankheitserreger infiziert, so opfert sie sich zum Wohle des gesamten Organismus.

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Pilze können Pflanzen, Tiere oder den Menschen befallen und die unterschiedlichsten Krankheiten auslösen. Eine Sache aber ist ihnen gemeinsam: Sie manipulieren den programmierten Zelltod ihrer Wirtsorganismen.

Pilze können Pflanzen, Tiere oder den Menschen befallen und die unterschiedlichsten Krankheiten auslösen. Eine Sache aber ist ihnen gemeinsam: Sie manipulieren den programmierten Zelltod ihrer Wirtsorganismen.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Zurijeta

Was gegen Nicht-Killer hilft, ist gegen Killer wirkungslos

Doch während PCD effektiv gegen Nicht-Killer gerichtet werden kann, spielt er den Killern in die Hände. Letztere versuchen sogar, die Zellen ihres Wirtsorganismus zum Selbstmord zu treiben. Aspergillus fumigatus wird normalerweise von Makrophagen, den Schlachtschiffen des menschlichen Immunsystems zerstört. Um dem zu entgehen produziert der Pilz Gliotoxine, die bei Makrophagen den programmierten Zelltod auslösen. Es ist ein ständiges Kräftemessen und beide Seiten wissen: Wer die Kontrolle über den programmierten Zelltod gewinnt, dem ist der Sieg sicher.

„Wenn der Zelltod von Vorteil für die Verteidigung gegen eine Gruppe von Pathogenen ist, wird er auf jeden Fall einen gegenteiligen Effekt auf die andere Gruppe haben“, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Artikel zu diesem Thema. „PCD ist ein zweischneidiges Schwert“.

Doch gerade weil der programmierte Zelltod so ubiquitär ist, sollten die Forscher aus allen Disziplinen an einem Strang ziehen. Egal ob Pflanzen- oder Humanpathogen, die Pilze manipulieren den programmierten Zelltod zu ihren Gunsten. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit über Fach- und die heutige Biologie- und Medizingrenzen hinweg, würde zu schnelleren Ergebnissen führen, sind die Forscher überzeugt. Resistente Pflanzen, neue Pflanzenschutzmittel sowie neue Medikamente für Tiere und Menschen, könnten schneller entwickelt werden. 


Quelle:

Sharon A, Shlezinger N (2013): Fungi Infecting Plants and Animals: Killers, Non-Killers, and Cell Death. In: Plos Pathogens, (Online-Veröffentlichung am 29. August 2013). doi:10.1371/journal.ppat.1003517.

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Titelbild: Was haben verschimmelte Früchte und eine tödliche Lungenerkrankung gemeinsam? Die Pilze nutzen die gleiche Angriffsstrategie. (Quelle: © iStockphoto.com / Whiteway)