Die Vielfalt von Raps

Forscher zünden nächste Raketenstufe

17.12.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Forscher schaffen ein klares Abbild der genetischen Vielfalt des Rapses. Moderne Sorten zeichnen sich durch eine geringe genetische Varianz aus. (Bildquelle: © Jörg Hempel/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.5)

Forscher schaffen ein klares Abbild der genetischen Vielfalt des Rapses. Moderne Sorten zeichnen sich durch eine geringe genetische Varianz aus. (Bildquelle: © Jörg Hempel/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.5)

Forscher des PLANT 2030 Projekts „Pre-Breed Yield: Zielgerichtete Züchtung zur Ertragssteigerung bei Raps“ zünden die nächste Raketenstufe in der Genomforschung rund um Raps: Ein Jahr nach der erfolgreichen Genomsequenzierung präsentieren sie nun das vollständige Abbild der genetischen Vielfalt des Rapses.

Jeder kennt sie, die sich bis zum Horizont erstreckenden, knallgelb leuchtenden Blütenmeere hiesiger Rapsfelder. Zwischen dem einheitlichen Farbton der Blüten und der genetischen Ausstattung moderner Rapssorten existiert eine Parallele: Beide zeichnen sich durch eine relativ kleine Varianz aus. Während ein Mehr an Farbenvielfalt vielleicht noch aus ästhetischen Gründen, nicht aber aus ökonomischen Gesichtspunkten zu befürworten ist, wird die genetische Vielfalt in Zukunft dagegen von entscheidender Bedeutung sein, wenn es darum geht, Zuchtziele in neuen Sorten zu verwirklichen.

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Video: Auf der Suche nach der verlorenen Rapspflanze: Alte Rapspflanzen sollen die genetische Vielfalt des Raps erhöhen. (Quelle: Pflanzenforschung.de/ youtube.com) 

Grundstein PLANT 2030

Forschern aus Deutschland ist es nun gelungen, jene Vielfalt in ihrer großen Bandbreite zu erschließen und abzubilden. Grundstein dieses Erfolgs legte das PLANT 2030 Projekt „Pre-Breed Yield: Zielgerichtete Züchtung zur Ertragssteigerung bei Raps“. Die Erforschung der genetischen Diversität und ihre Einbeziehung in die Züchtung war seit Beginn an, im Jahr 2011, ein elementarer Baustein bei der Erreichung der beiden spezifischen Projektziele „Ertrag“ und „Ertragsstabilität". Anwendungspotenzial besteht aber auch bei der Verbesserung der Möglichkeiten des Pre-Breedings, der Vorbereitung von Zuchtprogrammen, in denen z. B. Elternpflanzen erzeugt werden, oder in der Züchtung selbst.

Die nächste Stufe

Ein Jahr nach der erfolgreichen Entschlüsselung des Rapsgenoms haben die Forscher mit der Re-Sequenzierung von nicht weniger als 52 Brassica-Arten eine hervorragende und weltweit beachtete Basis geschaffen. Diese Arten decken das gesamte Spektrum der genetischen Vielfalt von Raps ab. Die heute genutzten Sorten besitzen eine noch junge Kulturpflanzengeschichte. Hervorgegangen sind sie ursprünglich aus einer Kreuzung von Rübse (Brassica rapa) und Gemüsekohl (Brassica oleracea). Sie besitzen 38 Chromosomen, von denen 20 von einem und 18 vom anderen Elternteil stammen. Die jetzt re-sequenzierte Kollektion bildet eine große Vielfalt ab. In ihr finden sich neben den Usprungseltern auch wichtige natürliche entstandene und synthetisch entwickelte Sorten wieder.

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Die Rübse (Brassica rapa), ein Elternteil des Rapses, würde im Rapsfeld kaum auffallen. 

Die Rübse (Brassica rapa), ein Elternteil des Rapses, würde im Rapsfeld kaum auffallen. 

Bildquelle: © Zoetermeer/ Wikimedia.org/ CC0

Mit dem entstandenen, qualitativ hochwertigen Datensatz erhoffen sich die Wissenschaftler, Pflanzenforschern und Züchtern gleichermaßen bei der Entwicklung maßgeschneiderter Sorten unter die Arme greifen zu können. Wie in der Medizin bewährte sich die komparative (vergleichende) Genomforschung abermals als mächtiges und nützliches Werkzeug: Auf Hochleistungsrechnern suchen Forscher nach Genen und Genkombinationen, die gerne mal aus mehreren Hundert Genen bestehen, um Pflanzen zu züchten, die ertragsstabiler und resistenter sind und widrigen Umständen trotzen können.

Unterschiede statt Gemeinsamkeiten

Am Anfang des Vorhabens stand u. a. die Frage, welche elterlichen Gene, Gensequenzen und -segmente der Rübse (Brassica rapa) und des Gemüsekohls (Brassica oleracea) es möglich machten, dass sich heutige Rapspflanzen an unterschiedliche Kultivierungs- und Umweltbedingungen anpassten. Im Fokus ihrer Arbeit standen daher weniger die genetischen Gemeinsamkeiten, als vielmehr die feinen Unterschiede und Varianten im genetischen Bauplan. Besondere Aufmerksamkeit richteten die Forscher auf Punktmutationen im Genom, die sogenannten Einzelnukleotid-Polymorphismen (engl.: Single Nucleotide Polymorphism oder SNP; im Laborjargong „Snips“ genannt). Diese „Snips“ treten in codierenden und in nichtcodierenden Genabschnitten auf und können die Aktivität eines Gens, aber auch dessen Funktion beeinflussen.

4,2 Millionen „Snips“ in 52 Genotypen

Bei der Gegenüberstellung aller 52 Arten fanden die Forscher zusammengefasst nicht weniger als 4,2 Millionen Einzelnukleotid-Polymorphismen. Knapp 3,6 Millionen (85,2 %) davon waren aber von vornherein vernachlässigbar. Einzelnukleotid-Polymorphismen aus dieser Kategorie befanden sich in Bereichen des Genoms, die nachweislich keine Funktion ausübten. 328.000 (7,8 %) „Snips“ fanden sich zwar in codierenden Abschnitten wieder, zeigten jedoch keinen Effekt auf die Proteinbiosynthese. Ganz anders jedoch als jene 39.446, die nachweislich zu einer Verringerung der Genaktivität von insgesamt 5.121 Genen führten (Loss-of-Function Mutation).

Insgesamt identifizierten die Forscher 488 Gene, die beim Vergleich von mindestens 32 Genotypen oder mehr stark variierten.  11.818 Gene unterschieden sich in mindestens fünf bis maximal 32 Genotypen, weitere 24.708 in weniger Fällen. Auf der anderen Seite unterschieden sich 61.594 (61 %) Gene hingegen kaum oder gar nicht voneinander.

Sind Gene und deren Funktionen bekannt, dienen diese Informationen als Basis für das SMART-Breeding. Ähnlich dem Lego-Prinzip können Pflanzen mit komplexen Eigenschaften kontrolliert „zusammen“-gezüchtet werden. Fachleute sprechen vom „rationalem Design“ der Züchtung. Die Züchter planen exakt, welche Merkmale erwünscht sind und welche nicht, und stellen ihre neuen Sorten zuerst am Rechner zusammen, bevor es auf das Feld geht. Kombinationen von Genen aus unterschiedlichen Genpools, die neue Sorten prägen, sind jetzt möglich.

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Besser bekannt als der Gemüsekohl (Brassica oleracea) sind die vielen Zuchtformen, z. B. Kohlrabi, Blumenkohl, Brokkoli oder Rosenkohl. In Deutschland kommt die Wildform nur auf Helgoland vor, weshalb sie auch

Besser bekannt als der Gemüsekohl (Brassica oleracea) sind die vielen Zuchtformen, z. B. Kohlrabi, Blumenkohl, Brokkoli oder Rosenkohl. In Deutschland kommt die Wildform nur auf Helgoland vor, weshalb sie auch "Klippenkohl" genannt wird.

Bildquelle: © C T Johansson/ Wikimedia.org/ CC BY 3.0

Einblicke in die Allopolyploidie

Als Ergebnis steht nun ein Abbild der genetischen Diversität des Rapses zur Verfügung, das neben der Züchtung auch für Evolutionsbiologen von großem Interesse ist. Denn Raps ist ein Modell für allopolyploide Pflanzen. Diese kennzeichnet, dass sie die Chromosomensätze von mindestens zwei Arten in sich tragen, aus deren Kreuzung sie hervorgegangen sind. Viele allopolyploide sind, wie polyploide Pflanzen auch, vitaler als diploide Pflanzen und deshalb von wirtschaftlichem Interesse.

Vielfalt bringt Leistung

Grund dieser Vitalität ist die größere genetische Variabilität, die bei der Kreuzung von genetisch weit entfernten Arten entstanden ist. Diese drückt sich z. B. in einer besseren Anpassungsfähigkeit gegenüber widrigen Umweltbedingungen oder in höheren Erträgen aus. Eine Vielzahl heutiger Nutz- und Kulturpflanzen, wie z. B. Kulturweizen (Triticum aestivum), sind durch Allopolyploidie entstanden. 

Richtungsweisende Forschungsarbeit

Das Anliegen der Forscher bestand darin, Züchtern den Zugriff auf die große genetische Vielfalt bei Raps zu erleichtern. Nachdem die genetische Varianz in heute angebauten Sorten nach Jahren der Hybridzucht und künstlichen Selektion bereits abgenommen hat, wird diese gut beschriebene genetische Vielfalt bereits erwartet. Nicht ohne Grund beteiligten sich Unternehmen wie die German Seed Alliance, Bayer, Syngenta oder KWS an dem ambitionierten Projekt. Abschließend kann die vorliegende Studie zusammengefasst als richtungsweisend bezeichnet werden, da sie anderen Forschern und Züchtern neue Perspektiven eröffnet, welche bis zu den Ursprüngen der Kulturpflanzenentstehung reichen.


Quelle:
Schmutzer, T. et al. (2015): Species-wide genome sequence and nucleotide polymorphisms from the model allopolyploid plant Brassica napus. In: Scientific Data 2, 150072, (8. Dezember 2015), doi:10.1038/sdata.2015.72.

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Titelbild: Forscher schaffen ein klares Abbild der genetischen Vielfalt des Rapses. Moderne Sorten zeichnen sich durch eine geringe genetische Varianz aus. (Bildquelle: © Jörg Hempel/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.5)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationale Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie für die Zukunft“ und die Ausschreibungen des transnationalen Programms „PLANT-KBBE“, an denen sowohl Wissenschaftler aus dem akademischen Bereich als auch privatwirtschaftliche Unternehmen beteiligt sind.
Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030