Drogenfabrik für den Hausgebrauch

Opium aus Bierhefen statt Schlafmohn - Behörden müssen sich sputen

26.05.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Anbau von Schlafmohn könnte für die Herstellung von Opiaten bald überflüssig sein. Forscher entwickelten gentechnisch veränderte Hefen, die aus Zucker Vorstufen von Morphin produzieren können. (Bildquelle: © Marknesbitt/ wikimedia.org/ CC0)

Der Anbau von Schlafmohn könnte für die Herstellung von Opiaten bald überflüssig sein. Forscher entwickelten gentechnisch veränderte Hefen, die aus Zucker Vorstufen von Morphin produzieren können. (Bildquelle: © Marknesbitt/ wikimedia.org/ CC0)

An sich eine gute Sache: Schmerzmittel wie Morphin lassen sich wahrscheinlich bald kostengünstig und schnell mit gentechnisch veränderten Hefen herstellen. Die neuen Super-Hefen eignen sich aber auch als „Drogenfabrik für zu Hause“ – wenn die Politik nicht umgehend handelt.

Jeder, der über Grundkenntnisse zur Fermentation verfügt, könnte demnächst zu Hause Morphin herstellen. Ein “Do-it-yourself-Kit“ zum Bierbrauen und eine neue, gentechnisch umgemodelte Hefe reichen dazu aus, hieß es im Begleitkommentar zu einer aktuellen Studie. Dort hatten Wissenschaftler verlauten lassen, dass ihnen die Herstellung von Opiaten in einer gentechnisch veränderten Bäckerhefe gelungen sei. Gewöhnlichen Zucker kann Saccharomyces cerevisiae nun in Schlafmohnsubstanzen umwandeln – der „Proof of Principle“ für die Herstellung von Morphinen und anderen Opiaten ohne die Schlafmohnpflanze ist erbracht.

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Saccharomyces cerevisiae. Die Teilstriche entsprechen jeweils einem Mikrometer.

Saccharomyces cerevisiae. Die Teilstriche entsprechen jeweils einem Mikrometer.

Bildquelle: © Bob Blaylock/ wikimedia.org/ CC BY-SA 3.0

Komplexe Stoffwechselvorgänge

Etwa zehn Jahre hat die Entwicklung der Opiat-produzierenden Hefe gedauert, denn die Stoffwechselvorgänge, mit denen die Schlafmohnpflanze (Papaver somniferum) natürlicherweise Opiate produziert, sind komplex. Eine Forschergruppe der University of California in Berkeley baute das Genom der Hefe zunächst so um, dass sie den ersten Schritt der Morphinsynthese bewerkstelligen konnte – sie wandelt nun mit Hilfe von Enzymen aus der Zuckerrübe (Beta vulgaris), des Schlafmohns und von Bodenbakterien Glukose in das Benzylisochinolin Reticulin um. Dieser Ausgangsstoff wird üblicherweise bei der Morphinherstellung benutzt.

Ein weiteres Forscherteam von der Concordia University in Montréal kreierte eine Hefe, die aus diesem Reticulin Morphin herstellen kann. In einem letzten Schritt sollen die beiden Hefen in ihren Fähigkeiten vereint werden.

Großtechnische Herstellung noch fraglich

Wann die wichtigen Schmerzmittel von Mikroorganismen großtechnisch hergestellt werden, ist bisher noch offen. Die Erfinder der neuen Super-Hefen sind zuversichtlich und rechnen schon in wenigen Jahren mit einer markreifen Produktion: "Mit unserer Studie sind nun alle Schritte beschrieben, und es geht nur noch darum, sie zusammenzubringen und die Produktion aufzustocken“, zitiert die Universität ihre Forscher in einer Meldung. Die momentan noch geringe Ausbeute des Prozesses wollen die Wissenschaftler in wenigen Jahren behoben haben. Kollegen sind jedoch skeptisch, denn bis zu einem marktreifen Verfahren müsse die Hefe etwa tausendmal mehr des Wirkstoffes produzieren als zum jetzigen Zeitpunkt. Ob Saccharomyces cerevisiae solche Mengen überhaupt verkraften kann, ist offen.

Die Idee, medizinische Wirkstoffe von gentechnisch veränderten Hefen herstellen zu lassen, ist nicht neu. Immer wieder werden Synthesewege aus Fremdorganismen in Hefen versetzt, um medizinische Wirkstoffe kostengünstig herstellen zu können. Auch die Herstellung von Opiaten durch die gentechnisch veränderte Hefe könnte in Zukunft wesentlich schneller und kostengünstiger, aber auch reiner vonstattengehen als bisher.

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Mit Bierhefe (Foto) und einem einfachen Bierbrauset könnte naher zu jeder mit wenigen Vorkenntnissen zu Hause Opiate herstellen. Wissenschaftler fordern daher, den Zugang zu den neuen Hefen streng zu reglementieren.

Mit Bierhefe (Foto) und einem einfachen Bierbrauset könnte naher zu jeder mit wenigen Vorkenntnissen zu Hause Opiate herstellen. Wissenschaftler fordern daher, den Zugang zu den neuen Hefen streng zu reglementieren.

Bildquelle: © Benjamin Klack/ pixelio.de

Florierendes Drogengeschäft befürchtet

Einen Haken hat der neue Prozess allerdings: Auch das Geschäft mit illegalen Drogen könnte die neue Super-Hefe anheizen. Den Opiaten werden weitere Stoffe folgen, die ohne große Vorkenntnisse und mit laienhaftem Equipment hergestellt werden können. Und hier hinken die gesetzlichen Regularien den Fortschritten in der Forschung noch hinterher.

Staatliche Kontrolle, aber schnell!

In einem weiteren Kommentar zur Studie fordern daher drei Wissenschaftler, die Verbreitung der Hefe staatlich zu kontrollieren. Derzeit stamme Morphin unter anderem aus illegalem Schlafmohnanbau in Afghanistan, Mexiko, Laos und Myanmar. Die neue Technologie mache den Markt davon unabhängig und vereinfache den weltweiten Zugang zu Opiaten. Das könne die Zahl der Abhängigen (derzeit etwa 16 Millionen Menschen weltweit) weiter ansteigen lassen.

Einen Ausweg aus der drohenden Misere sehen die Forscher darin, nur lizensierten Wissenschaftlern Zugang zu den neuen Hefestämmen zu gewähren. Ob die Politik mit der rasanten biotechnologischen Entwicklung Schritt halten kann, muss diese in den kommenden Jahren beweisen. In jedem Fall gelingt es Wissenschaftlern durch ihre Erkenntnisse und Fortschritte eine notwendige gesellschaftliche Debatte anzustoßen und voranzutreiben. 


Quellen:

  • DeLoache WC, et al. (2015): An enzyme-coupled biosensor enables (S)-reticuline production in yeast from glucose. In: Nature Chemical Biology, (18. Mai 2015), doi: 10.1038/nchembio.1816.
  • Oye KA, Lawson JC and Bubela T (2015): Drugs: Regulate 'home-brew' opiates. In: Nature Comment, (21. Mai 2015), doi: 10.1038/521281a.

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Titelbild: Der Anbau von Schlafmohn könnte für die Herstellung von Opiaten bald überflüssig sein. Forscher entwickelten gentechnisch veränderte Hefen, die aus Zucker Vorstufen von Morphin produzieren können. (Bildquelle: © Marknesbitt/ wikimedia.org/ CC0)