Effiziente neue Genschere

Die Genschere CRISPR/Cpf1 arbeitet präziser als das bisherige Standardwerkzeug CRISPR/Cas9

14.06.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Genschere CRISPR/Cpf1 wird gerade als neues Werkzeug für die Genom-Editierung von Pflanzen getestet. Erste Studien in Reis zeigen vielversprechende Resultate. (Bildquelle: © Freeimages9/Pixabay.com/CC0)

Die Genschere CRISPR/Cpf1 wird gerade als neues Werkzeug für die Genom-Editierung von Pflanzen getestet. Erste Studien in Reis zeigen vielversprechende Resultate. (Bildquelle: © Freeimages9/Pixabay.com/CC0)

Die Genschere CRISPR/Cas9 erzeugt öfter als bisher angenommen unerwünschte Mutationen. Eine neue Genschere namens CRISPR/Cpf1 arbeitet wesentlich exakter. Wird sie CRISPR/Cas9 in der Pflanzenzüchtung ablösen?

In kürzester Zeit ist CRISPR/Cas9 zum Standardwerkzeug in molekularbiologischen Laboren geworden. Mithilfe der Genschere können Forscher schnell, einfach und relativ frei von Nebenwirkungen einzelne Gene gezielt verändern. Das zumindest war lange Zeit die Annahme. Doch nun stellt eine neue Studie die Präzision von CRISPR/Cas9 infrage.  

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Die Funktionsweise des Typ II CRISPR/Cas-Systems. Der Ablauf des Prozesses erfolgt in drei Phasen: Akquisition eines neuen Distanzstückes, Bearbeitung der pre-crRNA in cr-RNA, Abbau der viralen DNA.

Die Funktionsweise des Typ II CRISPR/Cas-Systems. Der Ablauf des Prozesses erfolgt in drei Phasen: Akquisition eines neuen Distanzstückes, Bearbeitung der pre-crRNA in cr-RNA, Abbau der viralen DNA.

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Wissenschaftler aus den USA haben Ergebnisse präsentiert, nach denen der Komplex viel ungenauer arbeitet, als bisher gedacht, und Hunderte von unspezifischen Mutationen hervorrufen kann. „Wir glauben, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft die potentiellen Gefahren von durch CRISPR/Cas9 ausgelösten unerwünschten Mutationen unbedingt berücksichtigen muss“, sagt Stephen Tsang, einer der Autoren der Studie. Die Veröffentlichung ließ über Nacht die Aktien mehrerer Firmen absacken, die sich auf den Einsatz von CRISPR/Cas9 als Therapeutikum spezialisiert haben. Die Firmen haben den Verlag inzwischen sogar dazu aufgefordert, die Studie zurückzuziehen. Doch was genau steht in dem zweiseitigen Brief?

Blinde Mäuse sehend gemacht – und was noch?

Die Wissenschaftler hatten mithilfe von CRISPR/Cas9 bei Mäusen ein Gen namens Pde6b korrigiert und die einst blinden Tiere dadurch sehend gemacht. Ansonsten war der Phänotyp der Tiere unauffällig. Trotzdem wollten die Forscher herausfinden, ob CRISPR/Cas9 das Genom noch an weiteren Stellen durch sogenannte off-target cuts verändert hatte. Deshalb sequenzierten sie das gesamte Genom von zwei durch CRISPR/Cas9 modifizierten Tieren sowie einem Kontroll-Tier.

In den Genomen der beiden gentechnisch veränderten Mäuse fanden sie mehr als 1.500 SNVs, die Abkürzung für Single Nucleotide Variation, also Mutationen einzelner DNA-Bausteine. Zudem bemerkten sie mehr als 100 größere Insertionen oder Deletionen (Indels). Mehr als 800 der SNVs und mehr als 50 der Indels waren mit bereits bekannten Genen assoziiert.

Mutationsrate viel höher als gedacht

Diese hohe Mutationsrate kann laut der Autoren nicht auf spontane Keimbahnmutationen zurückgeführt werden, die durchschnittlich nur zu 90 bis 100 SNPs und drei bis vier Indels führen. Die Mutationen müssen also durch CRISPR/Cas9 ausgelöst worden sein.

„Wissenschaftler, die nicht das gesamte Genom sequenzieren, übersehen möglicherweise wichtige Mutationen“, erklärt Tsang. Denn auch der Austausch einer einzigen Base kann einen großen Einfluss haben, wenn dadurch beispielsweise ein Gen funktionsunfähig gemacht wird.

Algorithmen versagen, WGS unabdingbar

Bisher nutzen Wissenschaftler Algorithmen, die vorhersagen, an welchen Stellen im Genom CRISPR/Cas9 aufgrund von Sequenzähnlichkeiten vermutlich binden und eine Mutation hervorrufen wird. Doch keine einzige der 50 Stellen, die laut Algorithmus die höchste Wahrscheinlichkeit für unerwünschte Mutationen hatten, war in den beiden vollständig sequenzierten Mäusen mutiert.

Kurz nach Erscheinen der Studie äußerten mehrere Wissenschaftler über soziale Medien ihre Kritik. Lluis Montolio vom Spanish National Centre for Biotechnology zeigte sich verwundert über die „ungewöhnliche Methode“, CRISPR/Cas9 in die Zellen zu injizieren: einmal kodiert auf einem Plasmid und dazu noch als Protein plus Oligonukleotid. Da Plasmide bis zu einer Woche in den Zellen verbleiben, hätte CRISPR/Cas9 schlicht mehr Zeit zum Arbeiten und würde demzufolge auch mehr Fehler machen.

Gaetan Burgio, Genetiker von der Australian National University, bemängelt den geringen Probenumfang – es wurden nur zwei Mäuse getestet. Und der vielleicht größte Kritikpunkt: Die gefundenen Mutationen könnten nicht zweifelsfrei auf CRISPR/Cas9 zurückgeführt werden, sondern sind laut Burgio höchstwahrscheinlich anderen Ursprungs. Für Burgio spricht, dass viele der gefundenen SNVs homozygot auftreten und sogar bei beiden Mäusen gefunden wurden. Es könnte sich also um Mutationen handeln, die der verwendeten Inzuchtlinie von Mäusen zu eigen sind.

Auch für Pflanzenforscher wichtig

Dass CRISPR unerwünschte Nebeneffekte hervorrufen kann, ist bereits bekannt. In welchem Umfang sie tatsächlich auftreten, kann auch die neue Studie nicht eindeutig beantworten. Besonders bedeutungsvoll sind solche off-target Effekte, wenn CRISPR nicht nur zur Funktionsaufklärung von Genen, sondern tatsächlich zur Gentherapie genutzt werden soll. Eine erste klinische Studie in China läuft bereits. Eine zweite soll 2018 in den USA starten.

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Weil die Genschere CRISPR-Cas9 zu viele unerwünschte Mutationen erzeugt, suchen Wissenschaftler nach neuen Tools. Kippt die Waage bald zugunsten von CRISPR-Cpf1? Neben Studien an Reis, zeigen auch erste Studien an Tabakpflanzen vielversprechende Resultate.

Weil die Genschere CRISPR-Cas9 zu viele unerwünschte Mutationen erzeugt, suchen Wissenschaftler nach neuen Tools. Kippt die Waage bald zugunsten von CRISPR-Cpf1? Neben Studien an Reis, zeigen auch erste Studien an Tabakpflanzen vielversprechende Resultate.

Bildquelle: © Joachim Müllerchen/wikimedia.org/CC BY-SA 2.5

In Pflanzenzellen sind unerwünschte Mutationen durch CRISPR/Cas9 für gemeinhin ein geringeres Problem als in Säugetierzellen. Doch auch Pflanzenforscher sollten beachten, dass bei der Züchtung mit CRISPR/Cas9 mehr unerwünschte Mutationen auftreten können, als bisher bekannt.

Cpf1 ist kleiner und genauer

Weltweit wird deshalb daran gearbeitet, die einzelnen Bestandteile von CRISPR/Cas9 zu verbessern, damit die Genschere sicherer und präziser wird. Ein besonders vielversprechendes Werkzeug scheint die Nuklease Cpf1 (CRISPR aus Prevotella und Francisella 1) zu sein. Cpf1 gehört genau wie Cas9 zum Typ 2 der Nukleasen. Doch davon abgesehen haben die beiden Moleküle gar nicht so viel gemein.

Der vermutlich wichtigste Unterschied: Cas9 schneidet glatt und erzeugt stumpfe Enden. Cpf1 hingegen schneidet versetzt und generiert einen Überhang von vier oder fünf Basen. Solch ein Überhang erleichtert es Wissenschaftlern, ein neues DNA-Fragment an dieser Stelle einzufügen. Dieses Fragment muss an beiden Enden lediglich Basen tragen, die komplementär zu den Basen des Überhangs sind. So ein unkompliziertes Einfügen von Genen sehnen Pflanzenforscher schon lange herbei.

Überhang erleichtert Einfügen von DNA

Auch in den PAM-Sequenzen unterscheidet sich Cpf1 von Cas9. Eine PAM-Sequenz ist eine wichtige Erkennungssequenz für das CRISPR-System. DNA ohne PAM-Sequenz wird nicht geschnitten. Während Cas9 die häufig im Genom anzutreffende Sequenz NGG erkennt, ist Cpf1 auf TTTN angewiesen (N steht für eine beliebige Base).

Die spezifischere Sequenz von Cpf1 führt dazu, dass die Nuklease nur an weniger Stellen schneiden kann. Dafür scheinen auch die unerwünschten Nebenwirkungen geringer zu sein. Cpf1 zeigt sowohl in Säugetierzellen als auch in Pflanzenzellen weniger unerwünschte Effekte als Cas9.

Und noch einen Unterschied gilt es zu erwähnen. Während Cas9 nur DNA durchtrennen kann, schneidet Cpf1 sowohl RNA als auch DNA. Dem Protein kommt damit eine Doppelfunktion zu. Zuerst wandelt Cpf1 das Vorläufermolekühl pre-crRNA in die reife crRNA um, indem sie überzählige Basenpaare entfernt. (Für diesen Arbeitsschritt braucht Cas9 Hilfe.) Dann schneidet Cpf1 auch noch die DNA an der Stelle durch, an die sie von der crRNA gelotst worden ist.

Noch mehr als 50 andere Kandidaten

Bereits mehrere Studien haben gezeigt, dass CRISPR/Cpf1 für die effiziente und präzise Genom-Editierung in Pflanzen geeignet ist. Bisherige Experimente wurden vor allem an Tabak (Nicotiana tabacum) und Reis (Oryza sativa) durchgeführt. Und Cpf1 ist nicht das einzige Molekül, das gerade getestet wird. Mindestens 53 andere CRISPR-Cas-Kandidaten vom Typ 2 sind bereits charakterisiert worden.

Eine schnelle Züchtung von Nutzpflanzen mit neuen Eigenschaften, wie Toleranz gegenüber Trockenheit, Resistenzen gegen Krankheitserreger oder höhere Erträge, ist von wesentlicher Bedeutung für die Ernährungssicherung der Menschheit. Bessere Genscheren können einen wesentlichen Beitrag leisten, dieses Ziel zu erreichen.


Quellen:

  • Schaefer, K. A. et al. (2017): Unexpected mutations after CRISPR-Cas9 editing in vivo. In: Nature Methods Vol. 14 (30. Mai 2017), doi: 10.1038/nmeth.4293
  • Zaidi, S. S. A. et al. (2017): CRISRP-Cpf1: A New Tool for Plant Genome Editing. In: Trends in Plant Science (Online veröffentlicht am 19. Mai 2017), doi: 10.1016/j.tplants.2017.05.001
  • Mahfouz, M. M. (2017): The efficient tool CRISPR-Cpf1. In: Nature Plants Vol. 3, doi: 10.1038/nplants.2017.28

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Titelbild: Die Genschere CRISPR-Cpf1 wird gerade als neues Werkzeug für die Genom-Editierung von Pflanzen getestet. Erste Studien in Reis zeigen vielversprechende Resultate. (Bildquelle: © Freeimages9/Pixabay.com/CC0)