Elastische Zellwände lassen Blätter sprießen

02.03.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Blätter entstehen an der Sprossachse (Quelle: © abet / Fotolia.com)

Blätter entstehen an der Sprossachse (Quelle: © abet / Fotolia.com)

Zellschichten der Sprossspitze verhalten sich wie Gummibänder, wenn neue Blattknospen entstehen. Zu dieser neuen Erkenntnis kommen Wissenschaftler mit einem physikalischen Ansatz. Demnach wird die Blattbildung nicht allein durch ein biochemisches Programm, sondern auch durch mechanische Reize kontrolliert.

Das Wissenschaftlerteam untersuchte in Tomatenpflanzen das Gewebe an der Sprossspitze, in dem die neuen Blätter entstehen. In seinem Zentrum produziert dieses sogenannte Spross-Meristem ständig neue Stammzellen, die als Ausgangsmaterial zur Bildung neuer Blätter dienen. An der Peripherie des Gewebes formen sich schließlich die Erhebungen, die auch als Blatthöcker oder Blattanlagen bezeichnet werden. Die Zellen der Peripherie teilen sich daher am schnellsten.

Um zu testen, ob sich die Zellwände der unterschiedlich schnell wachsenden Zellen in ihrer Elastizität unterscheiden, manipulierten die Wissenschaftler den Druck auf die Zellwände mit osmotisch wirksamen Salzen und Alkoholen. Tatsächlich schrumpften die schnellwachsenden, äußeren Zellpopulationen schneller und waren gleichzeitig dehnbarer als die Zellen im Zentrum des Gewebes. Dagegen war die zentrale Zellregion des Spross-Meristems verhältnismäßig steifer, wie computergenerierte Wachstums- und Elastizitätskarten zeigten.

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Die Forscher untersuchten die Zellen der Sprossspitze von Tomatenpflanzen und fanden heraus, dass die Zellwände der schnellwachsenden Zellen elastischer sind.

Die Forscher untersuchten die Zellen der Sprossspitze von Tomatenpflanzen und fanden heraus, dass die Zellwände der schnellwachsenden Zellen elastischer sind.

Bildquelle: © Rita Thielen / pixelio.de

Bekannt war bereits, dass Zellwände nachgeben müssen, damit Blattanlagen entstehen können. Das Hormon Auxin spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn es aktiviert Blattbildungsgene. Gleichzeitig säuert es die Zellwände an, die daraufhin das Hormon Expansin anreichern. Expansin ist ein Weichmacher, durch den sich die Matrix der Zellwände verändert. Sie geben nach und Blatthöcker können wachsen. Die Veränderung der Zellwandeigenschaften unterliegt demnach einer hormonellen Kontrolle.

Die Wissenschaftler der Studie sehen in den physikalischen Eigenschaften der Zellwände jedoch nicht nur ein Nebenprodukt der molekularen Regulationsmechanismen. Vielmehr seien diese mechanischen Signale wichtig für die Wachstumskontrolle und Form der Blattknospen, wie die Manipulation des Turgordrucks zeigten.

Die Forscher gehen davon aus, dass die Steifheit der Zellen im Zentrum der Sprossspitze die Zellen dort langsamer wachsen lässt. Demzufolge sind die physikalischen Eigenschaften der Zellwände ein wichtiger Faktor, mit dem die Pflanze das Wachstum von Zellpopulationen und auch die Blattform reguliert.

Die Blattform und die Blattstellung sind auch wichtige Merkmale bei der Auswahl von Nutzpflanzen. Sie entscheiden beispielsweise wie effizient die Pflanze Licht aufnehmen kann und wirken sich daher auch auf den Ertrag aus. Zukünftig werden Forscher daher nicht nur die genetischen, sonder auch die mechanischen Eigenschaften bei der Organbildung analysieren müssen, um die Architektur von Pflanzen zu verstehen.


Quelle:
D. Kierzkowski et al. (2012): Elastic Domains Regulate Growth and Organogenesis in the Plant Shoot Apical Meristem. In: Science. Online Publikation, 2 März 2012, DOI: 10.1126/science.1213100.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
Phytohormone, die Signalgeber des Pflanzenreichs

Anregungen zum Weiterlesen:
O. Hamant und J. Traas (2010): The mechanics behind plant development. New Phytologist Volume 185, Issue 2, pages 369–385, January 2010, DOI: 10.1111/j.1469-8137.2009.03100.x.