Energie aus lebenden Pflanzen

Grundstein für neue Anwendungen gelegt

30.11.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

In einer Rose etablierten Forscher einen elektronischen Polymer-Leiter im Stiel und ein Display in den Blättern. (Bildquelle: © Linköping University)

In einer Rose etablierten Forscher einen elektronischen Polymer-Leiter im Stiel und ein Display in den Blättern. (Bildquelle: © Linköping University)

Wer heute pflanzliche Energie beispielsweise in Form von Brennholz nutzen möchte, muss den Baum zunächst fällen. Auch Kraftstoffe wie Benzin stammen von toten Pflanzen. Das könnte in Zukunft anders werden, wie Wissenschaftler in einer aktuellen Studie berichten. Mit einem erstmals beschriebenen, ausgeklügelten System haben die Forscher die Grundlagen dazu geschaffen, lebende Pflanzen als Energiequellen zu nutzen – und nicht nur das.

Alles begann vor etwa 15 Jahren, als ein Wissenschaftler aus Schweden sich fragte, ob es nicht möglich sei, Bäume derart elektronisch auszustatten, dass man biochemische Prozesse innerhalb des Baumstoffwechsels verfolgen könne. Wenn das gelänge, könnte man eventuell auch elektronisch steuern, wann ein Baum blüht, Samen ausbildet usw. Damals hielten die schwedischen Forscherkollegen diese Vorstellungen schlichtweg für einen Witz. Doch biochemische Prozesse in Pflanzen steuern zu können, rückte für Wissenschaftler und Pflanzenzüchter in den letzten Jahren in Anbetracht steigender Bevölkerungszahlen und einem sich verändernden Klima immer stärker in den Fokus. Bisher konzentrieren sich die Ansätze allerdings auf Modifikationstechniken, die den genetischen Bauplan der Pflanzen verändern.

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Bäume für Brennholz zu fällen, könnte in ferner Zukunft überflüssig sein, wenn es dem Menschen gelingt, Energie von lebenden Pflanzen abzuzapfen.

Bäume für Brennholz zu fällen, könnte in ferner Zukunft überflüssig sein, wenn es dem Menschen gelingt, Energie von lebenden Pflanzen abzuzapfen.

Bildquelle: © Paul-Georg Meister / pixelio.de

Genetisch modifizierte Pflanzen ohne Zulassung

Während in den Laboren rund um den Globus zwar stetig verbessertes Handwerkszeug zum „genetischen Engineering“ von Pflanzen etabliert wurde, wurde den schwedischen Forschern klar: „In Wäldern und auf Feldern werden diese Technologien im europäischen Raum wegen der äußerst schwierigen und langwierigen Zulassungsverfahren wahrscheinlich niemals Einzug halten.“ Vor zwei Jahren wagten die Schweden dann doch den zunächst absurd klingenden Ansatz, einen elektronischen Schaltkreis in einer Pflanze zu etablieren. Die Grundidee bestand darin, die pflanzliche Architektur und Biologie zu nutzen, um im Inneren der Pflanze einen elektrischen Leiter aufzubauen.

Stromkabel aus elektrisch leitenden Polymeren

Elektrische Kabel lassen sich im Inneren eine Pflanze nicht verlegen, das stand von vornherein fest. Es gibt jedoch wasserlösliche Polymere, die elektrischen Strom leiten. Wenn es gelänge, dass die Pflanze diese Polymerbausteine über das Wasser aufnimmt und in ihrem Xylem zusammensetzt, könnte elektrischer Strom fließen. Doch ganz so einfach wie in der Theorie gestaltete sich die Idee bei der praktischen Umsetzung nicht: Die Forscher testeten mehr als 12 verschiedene Polymere als elektronische Bausteine. Sie lösten sie in Wasser, in das sie dann Rosen – entweder mit intakten Wurzeln oder mit abgeschnittenem Stiel – stellten. Doch entweder verstopften die Polymer-Bausteine den Kanal für Nährstoffe und Wasser oder sie bildeten im Xylem keine kabelartige Struktur aus, durch die Strom hätte fließen können.

Organischer Baustein PEDOT-S:H. schafft den Durchbruch

Erst als die Wissenschaftler mit dem organischen Baustein PEDOT-S:H. arbeiteten, waren die Versuche erfolgreich. Durch das Wasser nahmen die abgeschnittenen Rosen die kurzen Polymerketten in ihr Xylem auf. Bei intakten Pflanzen funktionierte der Polymertransport auch, wenn auch wesentlich langsamer. In beiden Systemen bildete das organische Polymer Leitungen von bis zu 10 cm aus, während der Wasser- und Nährstofffluss erhalten blieb. Als i-Tüpfelchen des innovativen Experiments wandelten die Forscher die Rosenblätter in farbig leuchtende Displays um.

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In Zukunft könnte das System zu elektronischen Sensoren weiterentwickelt werden, die in der freien Natur erfassen, wann bestimmte Hormone zur Blütenbildung oder anderen Veränderungen in der Pflanze freigesetzt werden.

In Zukunft könnte das System zu elektronischen Sensoren weiterentwickelt werden, die in der freien Natur erfassen, wann bestimmte Hormone zur Blütenbildung oder anderen Veränderungen in der Pflanze freigesetzt werden.

Bildquelle: © R. B. / pixelio.de

Futuristischer Ansatz mit großem Potential

Der Nutzen dieser Forschungsarbeit erschließt sich einem zwar nicht auf den ersten Blick. Dennoch könnte in den futuristisch anmutenden Versuchen großes Potential stecken. Eine ganz spezielle Anwendung für ihre Technik haben selbst die Wissenschaftler noch nicht im Blick. Es ging in ihren Versuchen vielmehr darum zu prüfen, ob sich eine elektrische Leitung überhaupt in einer Pflanze etablieren lässt. In Zukunft könnte das System zu elektronischen Sensoren weiterentwickelt werden, die in der freien Natur erfassen, wann bestimmte Hormone zur Blütenbildung oder anderen Veränderungen in der Pflanze freigesetzt werden.

Mit diesen Informationen könnten Landwirte Wasser und Dünger zielgerichteter einsetzen, um die Pflanzen zum richtigen Zeitpunkt optimal zu versorgen und sie vor Wetterkapriolen zu schützen. Über elektrische Impulse lassen sich Pflanzen möglicherweise auch derart verändern, dass sie Früchte produzieren, die natürlicherweise nicht vorkommen würden.

Dürfen wir das?

In der fernen Zukunft könnte es laut den Forschern sogar möglich sein, die Photosynthese-Leistung von Pflanzen direkt anzuzapfen, um von lebenden Pflanzen Energie zu gewinnen. So könnte der Mensch Pflanzen als Energielieferant nutzen, ohne sie zu zerstören. Mit den neuen Nutzungsmöglichkeiten werden aber auch ethische Fragen in den Fokus rücken.

Was ist Natur und was ist natürlich? Wie weit darf der Mensch in die Natur eingreifen? Sind Pflanzen als Hybridsysteme von natürlichen Systemen mit technischen Elementen vertretbar? Ist es akzeptabel direkt aus lebenden Systemen seien es nun Bakterien, Pflanzen oder andere Organismen Energie abzugreifen? Und natürlich die sich immer wieder neu stellende Frage: Ist alles erlaubt, was technisch machbar ist?


Quelle:
Eleni Stavrinidou, E. et al. (2015): Electronic plants. In: Science Advances, Vol. 1, (20. November 2015), DOI:10.1126/sciadv.1501136.

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Titelbild: In einer Rose etablierten Forscher einen elektronischen Polymer-Leiter im Stiel und ein Display in den Blättern. (Bildquelle: © Linköping University)