Exoten und Hightech für die Gerstenzüchtung

Das Projekt „BARLEY BIODIVERSITY“

24.09.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Drohne: Der

Drohne: Der "MultiCopter" im Einsatz. (Bildquelle: © Fraunhofer IFF, David Kilias)

Im Forschungsprojekt „BARLEY BIODIVERSITY“ gehen vier Projektpartner auf die Suche nach exotischem genetischem Material. Ziel ist es, damit die Biodiversität und Leistung von Kulturgerstensorten zu erhöhen. Dazu werden auch schnelle, kostengünstige und nicht-invasive Verfahren für die Selektion geeigneter Linien unter Feldbedingungen entwickelt. 

Gerste (Hordeum vulgare) stammt ursprünglich aus der Region des sogenannten fruchtbaren Halbmonds im Nahen Osten. Hier findet man auch heute noch Wildgersten mit für Züchter interessanten Eigenschaften. Doch diese „Exoten“ sind in der Regel noch nicht genotypisch charakterisiert und damit für die Züchtung nahezu unerschlossen. Auch fehlen noch schnelle Testverfahren, um Gerstenlinien am besten noch vor Ort auf dem Feld und ohne Labor zu untersuchen und eine Vorauswahl geeigneter Kandidatenpflanzen zu treffen. Das würde den gesamten Züchtungsprozess signifikant beschleunigen.

Das Projekt „BARLEY BIODIVERSITY“ setzt hier an. Es wird in den Jahren 2014 bis 2020 unter der Koordination von Prof. Dr. Klaus Pillen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Initiative „Innovative Pflanzenzüchtung im Anbausystem“ (IPAS) gefördert.

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Bildstrecke - Das Projekt "BARLEY BIODIVERSITY"

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Projektpartner und Ziele

  • Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: Klaus Pillen, Vera Draba, Maria Schmidt, Mathias Gemmer, Paul Herzig, Olaf Christen, Sarah Zahn, Peter Wagner, Johannes Ryll
  • Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), Gatersleben: Hans-Peter Mock, Dominic Brauch
  • Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF), Magdeburg: Udo Seiffert, Hans-Christian Klück, Andreas Backhaus, Sebastian Warnemünde
  • Saatzucht Josef Breun GmbH & Co. KG, Herzogenaurach: Jens Weyen, Anja Hanemann

BARLEY BIODIVERSITY hat sich zur Aufgabe gemacht, die genetische Diversität unserer Kulturgerstensorten durch Einkreuzung von geeigneten Wildgersten zu erhöhen. Damit sollen neue oder verbesserte Eigenschaften für die Kultursorten erschlossen werden. Im Fokus stehen beispielsweise die Erhöhung der Stickstoff-Effizienz, eine verbesserte Pathogenresistenz oder eine optimierte Malzqualität.

Das Projekt ist ein sogenanntes „Pre-Breeding“-Programm, das geeignetes Pflanzenmaterial vorselektiert und charakterisiert. Anschließend wird es der kommerziellen Sortenzüchtung zur Verfügung gestellt.

Dazu arbeitet das Projekt auch an neuen Analysenmethoden zur Vorselektion geeigneter Kandidatenlinien unter Feldbedingungen. Die Methoden beruhen auf hyperspektraler und multispektraler Bildgebung. Mit solchen mobilen Analysetechniken soll die Phänotypisierung der Kreuzungsprodukte von Wild- und Kulturgerstenlinien stark vereinfacht und beschleunigt werden (Hochdurchsatzverfahren). Es wird auch getestet, ob durch hyperspektrale Analysen aufwendige Analysemethoden zur Bestimmung der Malzqualität im Labor ersetzt werden könnten. Ziel ist es dabei auch, zu testen, ob man mithilfe der Hyperspektralanalyse die Malzqualität der Gerste bereits bestimmen kann noch bevor sie zu Malz verarbeitet wurde.     

Parallel dazu bewertet die Wissenschaftler auch die sozi-ökonomische Relevanz der Ergebnisse des Projektes. Dabei wird der volks- und betriebswirtschaftliche Mehrwert der neuen Gerstenlinien und Analysemethoden sowie -geräte ermittelt.

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Insgesamt 3.000 Parzellen mit unterschiedlichen Gerstenlinien wurden eigens für das Projekt angelegt.

Insgesamt 3.000 Parzellen mit unterschiedlichen Gerstenlinien wurden eigens für das Projekt angelegt.

Bildquelle: © LVS, Helmut Eißner

Das Vorgehen

Erhöhung der genetischen Diversität der Kulturgerste: Erstellung einer Pre-Breeding-Kollektion

Für das Projekt wurden zwei Gruppen (Populationen) erstellt, die jeweils unterschiedliche Kreuzungen – Kombinationen aus Kulturgersten und Wildgersten – enthielten: die „S42IL“-Population, bestehend aus Introgressionslinien (60 Linien inkl. Kontrolllinien), sowie die „HEB-25“-Population, bestehend aus über 1.420 Linien (sogenannten Nested-Association Mapping (NAM)-Linien). Das Besondere: Die verwendete „HEB-25“-Population ist die weltweit erste multi-parentale NAM-Population zur Sichtung und Nutzung der genetischen Diversität von Wildgetreidearten. Das Kürzel „HEB“ steht dabei für „Halle-Exotic-Barley“, da sie an der MLU in Halle erstellt wurde. Die Zahl bedeutet, dass 25 Wildgerstenpflanzen für diese Population selektiert und eingekreuzt wurden.

Alle Linien werden in Feldversuchen angebaut und deren Leistung unter unterschiedlichen Bedingungen – beispielsweise mit oder ohne Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln oder Stickstoffdüngern sowie unterschiedlichen Stresssituationen wie Trockenheit – untersucht. Mit Hilfe von genotypischen Analysen und statistischen Auswerteprogrammen wird die vorgefundene Variation der Eigenschaften der Pflanzen anschließend auf bestimmte Genorte oder Gene zurückgeführt. Brauchbare Gene, die zu einer Verbesserung der agronomischen Eigenschaften der Pflanzen beitragen, können somit in zukünftigen Züchtungsprogrammen genutzt werden.  

Innovative Analytik für Leistungsprognosen der Pflanzenlinien

Im Projekt werden zudem Modellierungsverfahren entwickelt, die eine frühzeitige Vorhersage der Leistung und der Bestimmung der Inhaltsstoffe von Pflanzen ermöglichen sollen. Hier betritt das Projekt Neuland bei der Analytik. Eigens dafür wurde ein fahrbares und feldtaugliches Gerät entwickelt und vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung gebaut, der sogenannte „AgRover“. Es ist eine Art Geländewagen in Leichtbauweise, der über spezielle Kameras und Sensoren für eine hyperspektrale Bildgebung verfügt.

Das Gerät wird direkt auf dem Acker eingesetzt und durchfährt regelmäßig die insgesamt 3.000 für das Projekt angelegten Parzellen und „screent“ dabei die Pflanzen. Die hochauflösenden quantitativen Hyperspektraldaten werden anschließend statistisch ausgewertet, um die agronomische Leistung und Qualität der Pflanzen zu modellieren.

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Im Projekt werden innovative Verfahren für die Selektion geeigneter Linien unter Feldbedingungen erprobt.
Oben: Der fahrbare „AgRover“, der Hyperspektraldaten erfasst.(Bildquelle: © MLU, Jana Müglitz)
Unten: Multispektraldaten werden mittels einer Drohne erhoben. (Bildquelle: © Fraunhofer IFF, David Kilias)

Im Projekt werden innovative Verfahren für die Selektion geeigneter Linien unter Feldbedingungen erprobt.

Oben: Der fahrbare „AgRover“, der Hyperspektraldaten erfasst.
(Bildquelle: © MLU, Jana Müglitz)

Unten: Multispektraldaten werden mittels einer Drohne erhoben.
(Bildquelle: © Fraunhofer IFF, David Kilias)

Durch spezielle Algorithmen (machine learning) soll die Vorhersagequalität für die Leistungsfähigkeit der Pflanzenlinien zudem kontinuierlich verbessert werden. Die erzeugten Hyperspektralmodelle dienen dann in Folgeprojekten zur Vorhersage der agronomischen Leistung.

Auf diese Weise kann das Pflanzenwachstum verfolgt und zeitlich in Wachstumskurven dargestellt werden. Darüber hinaus können einige Pflanzeninhaltstoffe ohne Probennahme anhand der reflektierten Wellenlängen ermittelt werden. „Die Kameras nehmen die Reflektion der Pflanzen auf und die hängt von den enthaltenen Inhaltsstoffen ab. Das heißt, wenn wir jetzt verschiedene Pflanzen betrachten, sehen wir Unterschiede in der Reflektion je nachdem wie hoch beispielsweise der Stickstoffgehalt in den Blättern ist“, erklärt Projektkoordinator Prof. Dr. Klaus Pillen von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Aufwändige Analysen von Proben im Labor könnten dadurch auf die Größe des Kalibrierungssets reduziert werden.

In der zweiten Projektphase (seit Februar 2018) wird dann auch eine Drohne eingesetzt, die Multispektraldaten erfasst. Die Drohne ist deutlich schneller als der AgRover – die Spektralaufnahme mittels fliegender Drohne kann innerhalb von 20 Minuten erfolgen während der fahrende Helfer für das gleiche Arbeitspensum zwei Tage benötigt. Allerdings sind mit den Multispektraldaten der Drohne nur Aussagen zum Wachstum und nicht zu den Inhaltsstoffen möglich.

Die Ergebnisse

Man fand bereits Gene bzw. Marker, die an der Pflanzenentwicklung und Ertragsbildung beteiligt sind und zur gezielten Verbesserung von Sorten eingesetzt werden können. Die Marker und das dazugehörige Pflanzenmaterial kann nun Züchtern für ihre Züchtungsprogramme bereitgestellt werden.

Im Bereich der nicht-invasiven Inhaltsstoff-Analyse unter Feldbedingungen konnte man in den Blättern Mikronährstoffe wie Eisen oder Zink und Makronährstoffe, z. B. Stickstoff, und den Gehalt an Metaboliten wie Phenylpropanoide teilweise mit einer Genauigkeit von bis zu 90 Prozent (z. B. im Fall des Stickstoffgehalts) vorhersagen.

Bei der Bewertung der monetären Vorteile der neuen Linien deuten erste Analysen darauf hin, dass einige Linien mit von den Wildgersten stammenden neuen Resistenzgenen beispielsweise gegen Schadpilze bei Anbaubedingungen ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, in dem Fall Fungiziden, rentabler sind. Sie ermöglichen eine höhere Rentabilität durch Einsparungen von Pflanzenschutzmittelkosten.


Weiterführende Informationen:

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Drohne: Der "MultiCopter" im Einsatz. (Bildquelle: © Fraunhofer IFF, David Kilias)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationalen Förderinitiativen: "Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie", "Pflanzenbiotechnologie der Zukunft" und "Innovative Pflanzenzüchtung im Anbausystem (IPAS)" sowie die vier Ausschreibungen des transnationalen Programms "PLANT-KBBE".
Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030