Forschung für eine nachhaltige Entwicklung in den Tropen

Das Tropenzentrum der Universität Hohenheim

22.08.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Gebäude des Tropenzentrums auf dem Campus der Universität Hohenheim (Quelle: © Tropenzentrum Hohenheim)

Gebäude des Tropenzentrums auf dem Campus der Universität Hohenheim (Quelle: © Tropenzentrum Hohenheim)

Das Tropenzentrum der Universität Hohenheim hat eine 50-jährige Geschichte – und internationales Renommee.

Das übergeordnete Ziel ist kein geringeres als die Lebensbedingungen der Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu verbessern. Mit der Vision einer ökologisch und sozialökonomisch nachhaltigen Entwicklung in Ländern der Tropen und Subtropen fördert und koordiniert das Tropenzentrum an der Universität Hohenheim entwicklungsorientierte, interdisziplinäre Forschung. Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse der Menschen und die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Zu der Forschung hinzu kommen Lehre und Politikberatung in den entwicklungs- und tropenbezogenen Themen der drei Fakultäten der Universität Hohenheim.

50 Jahre Tradition

Seit 50 Jahren forschen Hohenheimer Wissenschaftler für die Ernährungssicherung in Entwicklungsländern. Bereits kurz nach ihrer Gründung als landwirtschaftliche Versuchs- und Unterrichtsanstalt errang Hohenheim internationale Anziehungskraft. Nachdem der Ausländeranteil unter den Studenten stetig anstieg – die meisten kamen aus Entwicklungsländern –, richtete die Universität Hohenheim 1961 das Institut für ausländische Landwirtschaft ein.

Aufgebaut und geleitet wurde es vom Pflanzenforscher Josef Gabriel Knoll. Nach dessen Emeritierung übernahm 1966 der Agrarökonom Hans Ruthenberg das Institut, das den Ausgangspunkt für das Tropenzentrum bildete. Schon dieser Wechsel vom Pflanzenbauexperten zum Agrarökonomen zeigt, dass die Hohenheimer früh die Bedeutung eines interdisziplinären Ansatzes erkannten. Mit der Gründung des Tropenzentrums im Jahre 1982 wurde diese Interdisziplinarität konsequent weiterverfolgt.

Heute ist das Hohenheimer Tropenzentrum mit rund 100 Mitgliedern eines der größten deutschen Tropenzentren. Die Stärke des Tropenzentrums liegt in der organisatorischen und finanziellen Eigenständigkeit bei gleichzeitiger personeller Verwurzelung in den Instituten und Fachgebieten der Universität. Etwa 50 Mitglieder sind Professoren. Die Wissenschaftler kommen aus den zehn tropenbezogenen Lehrstühlen der vier Tropeninstitute der Hochschule, aber auch aus weiteren 25 Hohenheimer Instituten und Landesanstalten. Zusätzlich zu den Mitgliedern sind in den Forschungsgruppen viele Doktoranden eingebunden.

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Der

Der "Tropentag" ist eine der international wichtigsten Konferenzen auf seinem Gebiet geworden. Das Tropenzentrum Hohenheim gehört zu den Organisatoren und war mehrfach Gastgeber.

Bildquelle: © Tropenzentrum Hohenheim

Diese Organisationsform ermöglicht es, die verschiedenen Hohenheimer Fachdisziplinen bedarfs- und zielorientiert in interdisziplinäre Forschungs- und Lehransätze einzubinden und so das internationale Profil der Universität Hohenheim entscheidend mit zu prägen. Für die Universität Hohenheim erwies sich die Struktur als so erfolgreich, dass bereits 1994 ein Osteuropazentrum nach dem Vorbild des Tropenzentrums folgte.

Thematisch bedeutet Tropenforschung in Hohenheim vier Dinge:

  • globale Ernährungssicherung mit den Komponenten Pflanzen-, Tier-, Technik-, Wirtschafts-, Ernährungs- und Sozialwissenschaften
  • Anpassungsstrategien an den Klimawandel und dagegen gerichtete Mitigationsmaßnahmen der tropischen Landwirtschaft
  • nachwachsende Rohstoffe und nachhaltige Bioenergieproduktion
  • Multifunktionalität und Biodiversitätserhalt in der landwirtschaftlichen Produktion

Durchgängiger Sonderforschungsbereich seit 1985

Ein Höhepunkt der Arbeit, der das Tropenzentrum bereits seit dem dritten Jahre nach der Gründung auszeichnet, macht es einzigartig unter deutschen Forschungseinrichtungen: Seit 1985 unterhält das Tropenzentrum ununterbrochen einen Sonderforschungsbereich im Themenfeld der entwicklungs- und tropenorientierten Agrar-, Umwelt- und Ernährungsforschung (SFB 308 von 1985 bis 2000; SFB 564 von 2000 bis 2012).

Nicht zuletzt durch die Sonderforschungsbereiche konnte sich das Tropenzentrum auf dem Gebiet der tropischen Landwirtschaft besonders profilieren und seinen Platz in der internationalen Agrarforschung sichern. Der SFB 564 „Nachhaltige Landnutzung und ländliche Entwicklung in Bergregionen Südostasiens“ hat das Ziel, wissenschaftliche Beiträge und Lösungen zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen zu leisten und gleichzeitig die Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung in den ökologisch sensiblen Bergregionen zu verbessern. Kooperationspartner sind verschiedene Forschungsinstitute in Thailand und Vietnam.

Dort führen die hohe Bevölkerungsdichte und Migration zu Land-, Wasser- und Kapitalknappheit, verkürzten Brachezeiten, Erosion und abnehmender Bodenfruchtbarkeit, was wiederum Hunger und Armut befördert. Langfristige Lösungen hierfür sind vielschichtig und nur erfolgreich, wenn sie gleichzeitig sowohl die Ressourcen schützen als auch die Armut bekämpfen. Daher entwickeln im SFB 564 Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort und lokalen Beteiligten aus dem Agrarbereich neue Lösungen für eine nachhaltige, ressourcenschonende Landwirtschaft und für verbesserte Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung. Im Zentrum der Arbeit stehen Methoden zur Erforschung komplexer Landnutzungssysteme. Diese Methoden berücksichtigen die Wechselwirkungen zwischen Agrarökosystemen sowie sozioökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen. 

Diese Innovationen werden seit 2001 in internationalen Konferenzen bekannt gemacht und seit 2009 in sogenannten Transferprojekten mit Partnern des SFB 564 für die praktische Anwendung vorbereitet. So fand im Juli 2010 eine Konferenz in Hanoi mit 200 Wissenschaftlern und Experten aus 22 Ländern statt, der eine vom DAAD unterstützte Sommerschule „Sustainable Management of Land Use Change and Agrobiodiversity in Southeast Asia“ vorausging. Ein weiterer Spin-off des SFB 564 ist das Joint-Master-Programm „Sustainable Agriculture and Integrated Watershed Management“ (SAIWAM) der Universität Hohenheim und der Chiang Mai University in Thailand, das Spezialisten zum ökologisch, sozioökonomisch und agrartechnisch nachhaltigen Management der Ressourcen in der Landwirtschaft ausbildet.

Food Security Center

Ein herausragendes Beispiel für interdisziplinäre Forschungsvorhaben ist zudem das Food Security Center. Mit der erfolgreichen Gründung dieses neuen Zentrums ist es dem Tropenzentrum 2009 gelungen, eine besondere Forschungseinrichtung und fakultätsübergreifende Querschnittseinrichtung aus Exzellenzmitteln des Bundes einzurichten. Dadurch verankert das Tropenzentrum seinen substantiellen Beitrag der Hohenheimer Agrarforschung im Bereich der Ernährungssicherung in Ländern der Tropen und Subtropen gut sichtbar im deutschen Wissenschaftsraum. Durch gemeinsame Gremien können die Selbstverwaltung des Tropenzentrums und des Food Security Centers effizient gestaltet werden.

Angesichts der Herausforderungen des Klimawandels und knapper werdender Agrarflächen spielt bei all diesen Projekten die Pflanzenforschung und Pflanzenzüchtung eine sehr wichtige Rolle. Beispielhaft dafür ist die Arbeit am Lehrstuhl für Wasserstressmanagement bei Kulturpflanzen in den Tropen und Subtropen. Im Spannungsfeld von Klimawandel, Konkurrenz von nahrungs- und energieorientierten Anbausystemen um Ressourcen und den lokalen Auswirkungen der Globalisierung, beschäftigt sich das Fachgebiet mit Pflanzen aus den Bereichen Nahrungsmittelproduktion und nachwachsenden Rohstoffe. Vor allem geht es um deren Anpassung an sich verändernde Produktionsumwelten infolge des Klimawandels und ihrer nachhaltigen Produktion unter Schonung natürlicher Ressourcen, insbesondere des Wassers.

Kontinuierlich wachsendes Studienangebot

Von der praxisnahen Arbeit des Tropenzentrums profitieren auch die Hohenheimer Studenten. Die Wissenschaftler des Tropenzentrums bieten eine breite Palette von Lehrveranstaltungen an, die sich auf die Tropen und Subtropen beziehen. Hohenheim hat als erste deutsche Universität einen englischsprachigen Masterstudiengang mit Schwerpunkt Tropische Landwirtschaft angeboten. Das Angebot an internationalen Masterstudiengängen wird kontinuierlich ausgebaut: Inzwischen sind es sieben modular angelegte Studiengänge. Das Tropenzentrum organisiert alle zwei bis drei Jahre eine große Tropenexkursion, die ein freiwilliger, aber wichtiger Teil der Ausbildung für die Studenten ist, die sich intensiv mit Entwicklungsländern beschäftigen.

International interessierten Studenten bietet das Tropenzentrum über ein Stipendienprogramm die Möglichkeit, ihre Masterarbeit in einem  Entwicklungsland durchzuführen. Diese Stipendien der Stiftung fiat panis werden von rund 20 Studenten im Jahr in Anspruch genommen. Das Tropenzentrum will auch weiter die tropenbezogene, interdisziplinäre Lehre stärken und ausbauen, ebenso wie das international attraktive Doktorandenprogramm der Fakultät Agrarwissenschaften.

Das Institut für Agrar-und Sozialökonomie betreut das Promotionsprogramm für Nachwuchswissenschaftler aus Ländern der Tropen und Subtropen. Seit 1981 haben über 85 Wissenschaftler aus Asien, Afrika, Lateinamerika und dem mittleren Osten in diesem DAAD-geförderten Programm ihre Dissertationen mit Schwerpunkt ländliche Entwicklung abgeschlossen.

Synergien für die Zukunft

Für die kommenden Jahre hat das Tropenzentrum viel vor: Ein neuer Sonderforschungsbereich soll entwickelt und umgesetzt werden, der sich der Anpassung an den Klimawandel widmet. Konzepte in den Bereichen der nachhaltigen Ressourcennutzung, des Clean Development Mechanism, der Pflanzenzüchtung, des Innovations- und Wissensmanagements sowie der Unter- und Mangelernährung sollen gefördert werden.

Synergien stehen im Vordergrund bei Qualität und Sicherheit in der Nahrungskette, bei Wertschöpfungsketten im Agrar- und Ernährungssektor sowie bei der Energie- und Rohstoffversorgung aus der Agrarwissenschaft. Außerdem will sich das Tropenzentrum noch besser mit den internationalen Agrarforschungszentren vernetzen und seine Kooperationen mit strategisch wichtigen Universitäten intensivieren. Die Master- und Doktorandenprogramme will die Universität noch stärker an internationalen Berufsfeldern der entwicklungsorientierten Zusammenarbeit ausrichten. Und nicht zuletzt sollen zusätzliche Drittmittel das Tropenzentrum stärken und das Food Security Center eigenständig weiter finanzieren.