Fraß macht Pflanzen stark

03.08.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pflanzenfresser fordern Pflanzen heraus (Quelle: © M. Großmann / pixelio.de).

Pflanzenfresser fordern Pflanzen heraus (Quelle: © M. Großmann / pixelio.de).

Nach Verletzungen erhöhen manche Pflanzen den DNA-Gehalt ihrer Zellen und können so schneller nachwachsen.

Manche Pflanzen wachsen, nachdem sie von Weidetieren abgefressen oder abgemäht wurden, schneller wieder nach als andere. Sie produzieren sogar mehr Samen - ein Hinweis auf eine erhöhte Fitness. Die Reaktionsmuster der Pflanzen auf Fraß sind sehr vielfältig und unterscheiden sich von Pflanzenart zu Pflanzenart. So kann sich die Wuchsarchitektur oder die chemische Zusammensetzung einer Pflanze verändern. Erstmals konnten nun Wissenschaftler einen Zusammenhang herstellen zwischen einer erhöhten Biomasseproduktion, als Reaktionsmuster auf Fraßschäden, und einem Phänomen, das sie Endoreduplikation nennen. Unter Endoreduplikation versteht man die Vermehrung der Chromosomenzahl ohne eine Kernteilung (Endopolyploidie). 

In ihrem Experiment verglichen die Forscher das Wachstum zweier Ökotypen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). Sie pflanzten je 160 Pflanzen des Öktotyps Columbia und Landsberg erecta. Je die Hälfte der Pflanzen wurde gemäht, die andere Hälfte durfte unbehelligt wachsen. Nach dem Mähen wuchs Columbia nicht nur deutlich schneller und höher als zuvor, sie produzierte auch mehr Samen. Das Wachstum der Landsberg erecta-Pflanzen verstärkte sich hingegen nicht. Die Pflanzen produzierten zudem weniger Samen als die ungemähte Vergleichsgruppe.

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Ken Paige, Biologieprofessor an der University of Illinois (rechts) und Daniel Scholes entdeckten, wie manche Arabidopsis-Pflanzen auf Fraßschäden mit einer Vervielfältigung ihrer Chromosomen reagieren (Quelle: © L.Brian Stauffer / University of Illinois).

Ken Paige, Biologieprofessor an der University of Illinois (rechts) und Daniel Scholes entdeckten, wie manche Arabidopsis-Pflanzen auf Fraßschäden mit einer Vervielfältigung ihrer Chromosomen reagieren (Quelle: © L.Brian Stauffer / University of Illinois).

Mehr DNA braucht mehr Platz

Die Untersuchung der Zellen ergab, dass Columbia nach der Verletzung den DNA-Gehalt in ihren Zellen stark erhöhte, ganz ohne Zellteilung. Die Pflanze kann durch Endoreduplikation die Chromosomenzahl pro Zellkern von 10 Chromosomen im Normalfall auf bis zu 320 steigern. Interessant war, dass die beiden untersuchten Biotypen nicht gleichmäßig auf diesen Umweltstress reagierten. Bei der gemähten Landsberg erecta wurde keine signifikante Zunahme der Chromosomenzahl und auch kein positiver Effekt auf die Fitness beobachtet. 

Das Mehr an DNA im Zellkern benötigt mehr Platz, so dass die Zelle insgesamt wächst, erläutern die Forscher. Mit der Größe der Zellen nehme so auch die Größe der Columbia-Pflanze insgesamt zu. 

Durch die größere DNA-Menge werden vermutlich auch mehr Proteine produziert, die das Wachstum begünstigen. Die Wissenschaftler haben mehr als Hundert Gene nachgewiesen, die Wachstum und Fortpflanzung der Pflanze regulieren und bei den beschnittenen und unbeschnittenen Pflanzen unterschiedlich stark exprimiert wurden. 

Fraßstress erhöht die Fitness

Wie erfolgreich Pflanzen den Verlust von Biomasse durch Fraßfeinde kompensieren können, entscheidet über den evolutionären Erfolg der Art. Die Studie zeigt, dass für manche Pflanzen der Biomasseverlust unter bestimmten Bedingungen die Fitness sogar steigern kann, indem die Biomasse- und die Blütenproduktion angekurbelt werden. Im Durchschnitt produzierten die beschnittenen Columbia-Pflanzen dreimal mehr Samen als ihre unverletzten Vergleichspflanzen und zeigten auch deutlich bessere Werte bei der Samenkeimung.  

Endoreduplikation hat im Lebenszyklus einer Pflanze einen starken Einfluss auf deren Fitness. Diese Plastizität in den Reaktionsmustern ist auch für die Pflanzenzüchtung interessant. Viele Kulturpflanzen unterscheiden sich von ihren Wildformen in der Anzahl der Chromosomen je Zelle. Kulturpflanzen sind größer im Wuchs und haben mehr Früchte, da sie im Gegensatz zu den Wildformen polyploid sind. Die unterschiedlichen Reaktionen der einzelner Ökotypen (bzw. Sorten bei Kulturpflanzen) besser zu verstehen, wird die Aufgabe zukünftiger Forschungsarbeiten sein. Ein besseres Verständnis dieser Mechanismen kann helfen, etablierte Arten weiter zu verbessern und neue Kulturpflanzenarten zu entwickeln. Eine erhöhte Plastizität auf Stressereignisse kann dabei auch helfen, Erträge zu stabilisieren.


Quelle:

Scholes, Daniel R., and Ken N. Paige. 2011. Chromosomal plasticity: mitigating the impacts of herbivory. Ecology 92:1691–1698., doi:10.1890/10-2269.1 (Abstract). 

Titelbild: Pflanzenfresser fordern Pflanzen heraus (Quelle: © M. Großmann / pixelio.de).