Frösche wandern im Herbizidregen

Amphibien befinden sich bei der Ausbringung von Herbiziden wie Glyphosat auf den Feldern und nicht im Teich

25.09.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Junger Moorfrosch (Rana arvalis) auf Wanderschaft. (Quelle: © Christian Fischer/ wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Junger Moorfrosch (Rana arvalis) auf Wanderschaft. (Quelle: © Christian Fischer/ wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Unkrautvernichtungsmittel, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten zählen auf Grund ihrer Wirksamkeit gegen fast alle Unkräuter zu den am häufigsten verwendeten Herbiziden weltweit. Durch die Züchtung und zunehmende Verbreitung herbizidresistenter Pflanzen kommen diese immer häufiger zum Einsatz. Allerdings sind herbizide Wirkstoffe und die in der Formulierung enthaltenen Zusatzstoffe auch eine potentielle Gefahr für Nützlinge. Ein Beispiel sind Amphibien wie Frösche. Amphibien wandern von und zu Gewässern und durchqueren dabei auch Ackerflächen. Forscher entdeckten, dass sie sich dabei regelmäßig zeitgleich mit der Applikation von Herbiziden auf dem Feld befinden. Im konkreten Fall konzentrierten sich die Forscher dabei auf Glyphosat-haltige Herbizide.

Glyphosat ist ein Wirkstoff, den man vor allem in der Landwirtschaft einsetzt, um Unkräuter zu bekämpfen. Im Jahr 1974 wurde das erste Herbizid mit dem Wirkstoff Glyphosat unter dem Handelsnamen Roundup® von dem Unternehmen Monsanto auf den Markt gebracht. Mittlerweile ist er in mehreren hundert Pflanzenschutzprodukten enthalten und der meistgebrauchte Wirkstoff weltweit, um viele verschiedene Nutzpflanzenarten vor unliebsamen Beikräutern zu schützen. Allein in Deutschland werden jährlich 5.000 Tonnen davon eingesetzt.   

So wirkt Glyphosat

Glyphosat-haltige Herbizide sind nicht-selektiv und wirken daher gegen fast alle Unkräuter (Breitbandherbizid). Der Wirkstoff wird über die Blätter und andere grünen Pflanzenteile aufgenommen und hemmt das Wachstum der Pflanzen. Dabei wird ein spezielles Enzym (5-Enolpyruvylshikimat-3-phosphat-Synthase, kurz: EPSPS) blockiert, wodurch die enzymatische Produktion bestimmter Aminosäuren verhindert wird und die Pflanze letztlich abstirbt.

Da dieser Stoffwechselweg nur in Pflanzen, Bakterien und Pilzen vorkommt, geht man von einer geringen toxischen Wirkung für Tiere und Menschen aus. Dies ist jedoch nicht ganz unumstritten. Diskutiert wird, ob Nicht-Zielorganismen (z.B. Froschpopulationen) durch den Wirkstoff oder die Zusatzstoffe (Beistoffe) gefährdet sein könnten. Amphibien sind die am stärksten gefährdete Gruppe von Wirbeltieren und ihre Populationszahlen sinken weltweit. Auch der Kontakt der Tiere mit Chemikalien wie den Pestiziden wird als mögliche Ursache des Rückgangs diskutiert.

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In der Regel wird Glyphosat nach der Ernte und vor der Aussaat der Samen auf die Stoppelfelder gespritzt (Nacherntebehandlung).

In der Regel wird Glyphosat nach der Ernte und vor der Aussaat der Samen auf die Stoppelfelder gespritzt (Nacherntebehandlung).

Bildquelle: © Superingo / Fotolia.com

Die Pflanzenschutzmittelindustrie sieht hier jedoch nur eine geringe Gefährdung, da der Stoff nur bei unbeabsichtigtem Abdrift (z.B. durch Wind) oder einem unsachgemäßen Gebrauch in Gewässer gelangen kann und dann schnell vom Sediment absorbiert und von Mikroorganismen abgebaut wird. Allerdings wird dabei kaum berücksichtigt, dass Amphibien zwischen terrestrischen und aquatischen Lebensräumen wandern und auch an Land direkt mit den Pflanzenschutzmitteln in Berührung kommen können.

Das Aufeinandertreffen von Amphibien und Glyphosat

Auf ihrem Weg vom Gewässer über das Land und zurück passieren Amphibien oft auch landwirtschaftlich genutzte Flächen. Deutsche Forscher des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) haben nun die Wanderungen von Amphibien und den Zeitpunkt der Applikation von Glyphosat betrachtet und untersucht wie wahrscheinlich ein zeitliches Zusammentreffen auf dem Feld ist. Das rund 2.800 Hektar große Untersuchungsgebiet war reich an Teichen und enthielt 108 Felder auf denen sechs verschiedene Kulturpflanzen angebaut wurden, darunter Mais, Wintergerste und Winterraps. Im Untersuchungszeitraum von 2006-2008 wurde darin das Wanderverhalten von vier Amphibienarten betrachtet: Die Rotbauchunke (Bombina bombina), der Moorfrosch (Rana arvalis), die Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) und der Nördliche Kammmolch (Triturus cristatus). Die Forscher gingen davon aus, dass die untersuchten Amphibien am Tag 100 Meter zurücklegten. Dabei waren die Wanderperioden vom Alter der Amphibien und der Art abhängig und somit auch das zeitliche Zusammentreffen mit Glyphosat sehr unterschiedlich. Bei ihren Wanderungen kamen sie jedoch regelmäßig mit Glyphosat in Berührung, so das Ergebnis der Studie. 

Mehrere ungünstige Anwendungszeitpunkte im Bezug auf Amphibien

In der Regel wird Glyphosat nach der Ernte und vor der Aussaat der Samen auf die Stoppelfelder gespritzt (Nacherntebehandlung). Man kann es jedoch auch noch nach der Aussaat allerdings vor der Keimung der Nutzpflanzen anwenden (Vorauflauf-Anwendung). Eine weitere Anwendung ist die Vorerntebehandlung, bei der die Nutzpflanzen kurz vor der Ernte direkt besprüht werden, um den Reifeprozess zu beschleunigen (Sikkation). Meist wird es bei Getreide eingesetzt, damit die Ernte gleichmäßig abtrocknet.

Die Amphibien waren in der Studie regelmäßig zeitgleich mit der Applikation von Glyphosat auf den Feldern unterwegs und zwar bei den Nacherntehandlungen und Vorauflauf-Anwendungen von Glyphosat im Frühjahr (im Untersuchungsgebiet nur bei Mais angewendet) und mit dem Ausbringen auf die Stoppelfelder vor der Aussaat im späten Sommer und Herbst (alle angebauten Kulturpflanzen). Auch bei der Vorerntebehandlung im Sommer (nur bei Wintergerste angewendet) gab es zeitliche Überschneidungen mit den Jungtieren, die die Brutgewässer verließen, um auf Wanderschaft zu gehen. Bei den Berechnungen gingen die Forscher von einer Halbwertszeit des Stoffs von entweder 12 oder 47 Tagen aus. Die 47 Tage ergaben sich als typische Halbwertzeit von Glyphosat unter Feldbedingungen und stellen den ungünstigeren Fall dar. 12 Tage werden als durchschnittlicher Wert von der Pesticide Properties DataBase (PPDB) angegeben. Die Anzahl an Amphibien pro Population, die mit Glyphosat in Berührung kamen, schwankte stark je nachdem welcher Wert zugrundelag. Bei einer Halbwertszeit von 47 Tagen waren teilweise 100% der Amphibien einer Population betroffen.

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Eine junge Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) ist an der Uferzone seines Laichgewässers unterwegs. Jungtiere, die das Gewässer verlassen, um auf Wanderschaft zu gehen, waren in der Studie auch direkt betroffen.

Eine junge Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) ist an der Uferzone seines Laichgewässers unterwegs. Jungtiere, die das Gewässer verlassen, um auf Wanderschaft zu gehen, waren in der Studie auch direkt betroffen.

Bildquelle: © Christian Fischer/wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Terrestrische Lebensphasen zu oft vernachlässigt

Die Ergebnisse der Studie könnten zwar nur als Schätzungen betrachtet werden, da nicht jedes Individuum die in der Studie angesetzten 100 Meter an Tag zurücklegt und einige Amphibien sich zum Beutefang durchaus länger auf den Feldern aufhalten könnten, wodurch ihr Risiko steigt.

Für die Wissenschaftler zeigt die Studie aber, dass es bei der Wanderung von Amphibien über die Felder zeitliche Überschneidungen mit der Anwendung von Unkrautbekämpfungsmitteln, z.B. Glyphosat gibt, die bisher nicht berücksichtigt werden. Die Forscher sehen nun noch weiteren Forschungsbedarf: Die akuten und langfristigen Auswirkungen von Herbizid-Anwendungen und konkret auch von Glyphosat auf Amphibienpopulationen sollen weiter untersucht werden, sowohl in den Perioden, in denen sich die Amphibien in aquatischen Ökosystemen befinden, als auch in den terrestrischen Lebensphasen. Sie kritisieren, dass bei den Zulassungsverfahren von Pestiziden, wie Herbiziden, bisher die terrestrischen Lebensphasen der Amphibien nicht berücksichtigt werden und von zu niedrigen Konzentrationen ausgegangen wird.

Die Forscher weisen auch darauf hin, dass sich die landwirtschaftlichen Praktiken verändern und der Verbrauch an bestimmten Wirkstoffen wie beispielsweise Glyphosat stetig steigt. Von 2000 bis 2010 hat sich der Verbrauch des Wirkstoffs in Deutschland fast verdoppelt. Somit sei es umso dringender nötig, die direkte Wirkung herbizider Wirkstoffe aber auch der in den Formulierungen enthaltenen Beistoffe an jungen und ausgewachsenen Amphibien unter realistischen Feldbedingungen zu untersuchen, um deren Einsatz umweltverträglicher zu gestalten.


Quelle:
Berger, G., Graef, F. & Pfeffer, H. (2013): Glyphosate applications on arable fields considerably coincide with migrating amphibians. In: Scientific Reports 3: 2622, (10. September 2013), doi: 10.1038/srep02622.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Junger Moorfrosch (Rana arvalis) auf Wanderschaft. (Quelle: © Christian Fischer/ wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)