Frosttolerante Zuckerrüben könnten viel mehr Zucker liefern

Interview mit Prof. Ekkehard Neuhaus

26.11.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Dr. Ekkehard Neuhaus ist Professor für Pflanzenphysiologie an der Technischen Universität Kaiserslautern. (Quelle: Prof. Neuhaus)

Dr. Ekkehard Neuhaus ist Professor für Pflanzenphysiologie an der Technischen Universität Kaiserslautern. (Quelle: Prof. Neuhaus)

Zucker ist in unseren Breiten schon lange kein Luxusgut mehr. Angefangen hat alles mit der Entdeckung, dass heimische Rüben Zucker enthalten. Züchter konnten ihren Zuckergehalt in den letzten Jahrzehnten schon deutlich erhöhen. Nun ist ein weiterer Ertragssprung in Sicht: Der Pflanzenphysiologe Prof. Dr. Ekkehard Neuhaus von der Technischen Universität Kaiserslautern will dazu die Kältetoleranz von Zuckerrüben erhöhen.

Pflanzenforschung.de: Herr Neuhaus, für was interessieren sie sich besonders als Wissenschaftler?

Prof. Neuhaus: Mein Steckenpferd sind Transportprozesse in Pflanzenzellen, die in der Regel über die Pflanzenzellmembran ablaufen. Das sind enorm wichtige Prozesse, denn ungefähr 10 bis 20 Prozent aller Gene eines Organismus führen zur Produktion von Transportproteinen – das ist eine überraschend große Zahl! Nicht nur in Pflanzen, sondern in allen Organismen, also auch im Menschen oder Bakterien. Wir wollen verstehen, wie diese Proteine arbeiten, wie sie organisiert sind und welche Funktion sie im Stoffwechsel übernehmen. Vor allem der Energie- und der Zuckerstoffwechsel interessieren uns dabei besonders.

Pflanzenforschung.de: Da liegt die Zuckerrübe als Forschungsobjekt nahe...

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Der deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf entdeckte im Jahr 1747, dass auch Futterrüben Zucker enthalten. Wer mehr darüber erfahren möchte, wie aus Wild- die heutigen Nutzpflanzen wurden, kann sich unser Plantainment "Wilde Verwandte" ansehen.

Der deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf entdeckte im Jahr 1747, dass auch Futterrüben Zucker enthalten. Wer mehr darüber erfahren möchte, wie aus Wild- die heutigen Nutzpflanzen wurden, kann sich unser Plantainment "Wilde Verwandte" ansehen.

Bildquelle: © KWS

Prof. Neuhaus: Stimmt. Das hat sich ursprünglich aus der Grundlagenforschung ergeben: Wir haben eine Reihe bisher unbekannter Zuckertransportproteine auf molekularer Ebene in Modellpflanzen wie Arabidopsis thaliana identifiziert. Danach haben wir überprüft, ob es ähnliche Proteine in Nutzpflanzen gibt. Da kam die Zuckerrübe ins Spiel.

Pflanzenforschung.de: Aktuell wollen Sie im Projekt „Betahiemis“ die Winterhärte der Zuckerrübe verbessern. Wie kam es zu dem Projekt?

Prof. Neuhaus: Bereits in einem Vorgänger-Projekt – das nannte sich „BETAMORPHOSIS“ – haben wir das Zuckertransportprotein in den Wurzelzellen der Zuckerrübe identifiziert. Es ist dafür verantwortlich, dass Saccharose im Rübenkörper gespeichert wird. Das war ein Durchbruch und wir konnten unsere Ergebnisse im renommierten Magazin Nature Plants publizieren [Anmerkung d. Red. – wir berichteten: „Süßes Geheimnis gelüftet“]. Danach lag es nahe, sich mit der Optimierung der Zuckerrübe zu beschäftigen und so kam „Betahiemis“ als Folgeprojekt zustande.

Pflanzenforschung.de: Was versprechen Sie sich davon?  

Prof. Neuhaus: Heute wird die Zuckerrübe einjährig angebaut, sprich die Aussaat erfolgt im April, geerntet wird im gleichen Jahr zwischen Mitte September und Mitte Dezember. Die Zuckerrübe ist aber eigentlich eine zweijährige Pflanze. Sie ist also prinzipiell in der Lage, im Spätsommer oder Herbst gesät zu werden, zu Keimen und etwas heranzuwachsen. Später im Winter legt sie eine Ruhephase ein, um dann im Frühjahr wieder mit voller Kraft weiterzuwachsen. Sie hätte so also einen entscheidenden Vorsprung zur Bildung von Biomasse. So wäre der Zuckerertrag bei einem solchen Anbauschema deutlich höher als beim heute praktizierten einjährigen Anbau – ein Plus von 20 Prozent halte ich für möglich. Doch das geht im Moment nur, wenn die Winter nicht allzu harsch sind. Ansonsten hat die Rübe große Probleme, den Winter zu überleben. Dieses Risiko ist für den Landwirt zu groß.

Pflanzenforschung.de: Und wie wollen sie sich diesem Ziel nähern?

Prof. Neuhaus: In der ersten Projektphase wollen wir zunächst einmal verstehen, was in der Rübe vorgeht, wenn die Temperaturen unter einen kritischen Wert fallen. Denn es ist nicht ganz klar, wie die Zuckerrübe physiologisch und genetisch darauf reagiert. Wir schauen uns an, welche Gene aktiv oder inaktiv sind und welche Metaboliten sie produziert. Und dann suchen wir nach Schlüsselfaktoren der Kältetoleranz, also nach vielversprechenden Metaboliten oder Genen, die wir in diesem Zusammenhang weiter untersuchen wollen.

Pflanzenforschung.de: Könnte es sein, dass die Zuckerrübe vielleicht über keine Anlagen verfügt, ausreichend kältetolerant zu werden?

Wildrüben sind in der Lage, auch kalte Winter zu überdauern. Im Verlauf der Züchtung ist diese Eigenschaft dann verloren gegangen. Aber die Anlagen dazu sollten noch in den Kulturrüben vorhanden sein. Und da wollen wir ansetzen, damit sie diese Eigenschaft wiederbekommt!

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Ziel des Forschungsprojekts

Ziel des Forschungsprojekts "Betahiemis" ist es, frosttolerante Zuckerrübenlinien durch die Kombination von genetischen, biochemischen und biotechnologischen Ansätzen zu entwickeln. Erfahren Sie mehr im Projektporträt: "Zuckerrübe: Auf der Suche nach der verlorenen Kältetoleranz"

Pflanzenforschung.de: Mit welchen Methoden arbeiten Sie, um die entscheidenden Faktoren für die Kältetoleranz zu finden?

Prof. Neuhaus: Wir wollen die Aktivitäten ausgewählter Enzyme und Transportprozesse innerhalb der Zelle modifizieren. Dazu müssen wir die entsprechenden Gene ein- oder ausschalten können. Dazu stehen uns etablierte Verfahren zur Verfügung, wie das relativ aufwändige TILLING – das wir einsetzen, um zuvor erzeugte Punktmutationen zu identifizieren – oder die Antisense-Methode, um bestimmte Gene gezielt zu blockieren. Aber um hier präzise arbeiten zu können, wollten wir vor allem deutlich zielgenauere Mutationsverfahren wie die Genome Editing-Methode CRISPR/Cas nutzen. Bei der Planung des Projektes sollte explizit CRISPR/Cas als ein Schwerpunktverfahren integriert werden. Doch das ist jetzt durch die Gesetzesauslegung des EuGH durchaus problematisch geworden.

Pflanzenforschung.de: Sie spielen auf das EuGH-Urteil vom Juli dieses Jahres an. Genom-Editing-Verfahren unterliegen im Gegensatz zu klassischen Mutagenese-Verfahren nach Auslegung des Gerichts dem EU-Gentechnikrecht. Mit Hilfe dieser Verfahren gezüchtete Pflanzen müssten nun in Europa ein äußerst aufwendiges und sehr teures Genehmigungsverfahren durchlaufen. Können Sie das nachvollziehen?

Prof. Neuhaus: Nein, das kann ich überhaupt nicht. Es wird auch von vielen Forschungseinrichtungen in ganz Europa aufs Schärfste verurteilt. Klassische Mutagenese-Verfahren mit Hilfe von krebserregenden Stoffen oder UV- bzw. Röntgenstrahlung erzeugen Tausende von zufälligen Mutationen in den Pflanzen. Wo diese stattfinden und welche Wirkung diese Genveränderungen haben, ist so gut wie unbekannt. Mit Genome Editing dagegen können wir punktgenau eine einzelne Mutation im Erbgut erzeugen. Und mittels Sequenzierung können wir danach sogar noch nachweisen, dass keine anderen ungewollten Veränderungen aufgetreten sind. Das ist viel direkter und diskreter als alles andere, was in der klassischen Züchtung ohne eine Gentechnikzulassung einfach erlaubt ist.

Wir hier in Deutschland und Europa können uns jetzt nur noch mit der Grundlagenforschung auf diesem Gebiet beschäftigen. Die praktische Anwendung dieser Methoden in der Züchtung – und damit die eigentliche Wertschöpfung – findet in Zukunft dann woanders statt. Das ist für Europa aus meiner Sicht eine Katastrophe.

Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!


Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Dr. Ekkehard Neuhaus ist Professor für Pflanzenphysiologie an der Technischen Universität Kaiserslautern. (Quelle: Prof. Neuhaus)

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