Gefiedert, pfeilförmig oder einfach rund

So steuern Pflanzen unterschiedliche Blattformen

31.05.2019 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Blätter sind das Markenzeichen von Pflanzen schlechthin. Die Vielfalt der Formen scheint grenzenlos.(Bildquelle: © Marzena7/Pixabay/CC0)

Blätter sind das Markenzeichen von Pflanzen schlechthin. Die Vielfalt der Formen scheint grenzenlos.(Bildquelle: © Marzena7/Pixabay/CC0)

Blätter nehmen unterschiedlichste Formen an und sind charakteristische Erkennungsmerkmale von Pflanzen. Doch welche Gene bestimmen, ob ein Blatt tief gekerbt, aus einzelnen Untereinheiten zusammengesetzt oder schlicht aufgebaut ist? Diese Frage konnten Wissenschaftler nun beantworten.

Ganz am Anfang sehen alle Blätter gleich aus: Sie wachsen alle aus winzigen Knospen, die aus wenigen Zellen bestehen. Doch aus diesen Knospen entwickeln sich die unterschiedlichsten Blattformen: Einfach oval wie beim Spinat, tief gekerbt wie beim Rucola oder aus einzelnen Untereinheiten zusammengesetzt wie beim Schaumkraut.

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Mittels Mikroskopie und Computeranalyse können Forscher die Entstehung eines Blattes im Detail verfolgen.

Mittels Mikroskopie und Computeranalyse können Forscher die Entstehung eines Blattes im Detail verfolgen.

Bildquelle: © Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung

Entstehung der Blattformen

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung in Köln konnten nun zeigen, welche Gene dafür verantwortlich sind. Als Studienobjekte dienten die beiden nah verwandten Pflanzen Arabidopsis thaliana und das Schaumkraut (Cardamine hirsuta). Die Blätter von A. thaliana sind einfach und tragen kleine Randvorsprünge, die als Kerbverzahnungen bezeichnet werden. Bei C. hirsuta hingegen ist die Belaubung in verschiedene Blättchen gegliedert, die jeweils einem einfachen Blatt entsprechen.

Interdisziplinärer Ansatz bringt Klarheit über Blattentwicklung

„Um zu verstehen, wie unterschiedliche Blattformen entstehen, müssen wir untersuchen, welche Gene die Menge, Richtung und Dauer des Zellwachstums kontrollieren“, erklärt Studienleiter Miltos Tsiantis. Die Wissenschaftler beobachteten zunächst unter dem Mikroskop, welche Gene das Zellwachstum steuern und wie die Zellen wachsen. Anschließend fügten sie die genetischen und mikroskopischen Daten zusammen.

„Die Blattknospen sind unter älteren Blättern verborgen, was ihre Beobachtung unter einem konfokalen Mikroskop erschwert. Eine weitere Herausforderung ist, dass die Knospe relativ schnell wächst und ihre Form ständig ändert, was die Beobachtung der gesamten Struktur erschwert“, beschreibt Tsiantis.

Auxin und CUC2 zu Beginn Taktgeber

Für einige Stunden nach der Knospenbildung entwickeln sich die Blätter beider Pflanzenarten ähnlich. In beiden Pflanzenarten führen dieselben genetischen Prozesse dazu, dass sich langsam und schnell wachsende Zellen am Blattrand miteinander abwechseln. Dadurch wachsen den Blättern wiederholt Auswüchse. An diesen Prozessen sind in beiden Pflanzen das Hormon Auxin und der Transkriptionsfaktor CUC2 beteiligt. Dann bilden die beiden Arten jedoch unterschiedliche Formen: Beim Schaumkraut entstehen einzelne Untereinheiten, sogenannte Fiederblätter, während bei der Ackerschmalwand lediglich kleine Zähne am Blattrand wachsen.

Regulatorische Gene nur bei Schaumkraut aktiv

Verantwortlich für die unterschiedlichen Blattformen der beiden Pflanzen sind zwei regulatorische Gene, die in Arabidopsis nicht aktiv sind. Im Schaumkraut bremst das Gen rco das Wachstum der Zellen rund um die Auswüchse. In der Folge werden die Auswüchse tiefer eingeschnitten.

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Die Ackerschmalwand besitzt ganzrandige Blätter (links), das Behaarte Schaumkraut dagegen Fiederblätter (rechts)

Die Ackerschmalwand besitzt ganzrandige Blätter (links), das Behaarte Schaumkraut dagegen Fiederblätter (rechts)

Bildquelle: © Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung

Das stm-Gen aus der knox-Familie kontrolliert das Wachstum weiträumiger: Es verlangsamt die Reifung der Zellen und lässt sie so länger in eine Richtung wachsen. Dadurch entstehen große Fiederblätter. Die Kombination beider Effekte mündet in ein komplexes Blatt mit vielen Untereinheiten.

Arabidopsis bekommt ein komplexes Blatt mit Fiederblättern

Ihre neuen Erkenntnisse konnten sie gleich in der Praxis erproben, indem sie den Blättern der Modellpflanze Arabidopsis thaliana eine feingliedrige Form verliehen. Dazu schalteten die Forscher in einer Knospe die Gene rco und stm zu den richtigen Zeitpunkten und Orten an. Dadurch bildete die Knospe statt des üblichen einfachen Blattes ein komplexes. Tsiantis vergleicht das Ergebnis mit einem Spatz, dessen Schwanzfedern man in die eines Pfaus verwandelt hat.

Die Grundlagenforschung der Kölner Wissenschaftler hat einen praktischen Nutzen. Nach vorläufigen Erkenntnissen können komplexe Blätter unter bestimmten Bedingungen möglicherweise besser Kohlendioxid verwerten als einfache Blätter.

„Da komplexere Blätter bei kühleren Temperaturen häufiger vorkommen, kann man spekulieren, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Fähigkeit, CO2 zu fixieren, anderen physiologischen Funktionen und der Temperatur. Die Umwandlung einfacher in komplexe Blätter durch die Manipulation des Blattwachstums könnte eventuell den Ertrag mancher Nutzpflanzen steigern. Dieses Thema bedarf jedoch weiterer Forschung“, fasst Tsiantis zusammen.


Quelle: 
Kierzkowski, D. et al. (2019): A Growth-Based Framework for Leaf Shape Development and Diversity. In: Cell, Volume 177 (6), (23. May 2019), doi.org/10.1016/j.cell.2019.05.011.

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Titelbild: Blätter sind das Markenzeichen von Pflanzen schlechthin. Die Vielfalt der Formen scheint grenzenlos.(Bildquelle:© Marzena7/Pixabay/CC0)