Genübertragung durch Pfropfung

Baumtabak wird zur Biofabrik für begehrten Farbstoff

11.12.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

So sieht der lachsfarbener Baumtabak aus. (Bildquelle: © Prof. Dr. Ralph Bock, MPI-MP)

So sieht der lachsfarbener Baumtabak aus. (Bildquelle: © Prof. Dr. Ralph Bock, MPI-MP)

Die zahlreich in Blättern vorkommenden Chloroplasten eignen sich hervorragend, um pflanzenfremde Stoffe in größeren Mengen produzieren zu lassen. Doch nicht bei allen Pflanzen ist die dazu notwendige gentechnische Veränderung der Chloroplasten möglich. Wissenschaftler haben nun eine Methode entwickelt, mit der sich auch nicht transformierbare Pflanzen zu wertvollen Produktionsstätten umwandeln lassen, wie sie am Beispiel des Lachsfarbstoffs Astaxanthin demonstrieren konnten.

Lachse kehren zum Laichen stets an ihren Geburtsort zurück. Die weite Reise von den nahrungsreichen Lebensräumen der Fische zu ihrem Geburtsort bedeutet für die Lachse allerdings Stress. Gegen diesen oxidativen Zellstress hilft den Fischen ein Farbstoff namens Astaxanthin. Astaxanthin gehört zur Farbstoff-Gruppe der Karotinoide und kann die Oxidation von Substanzen verlangsamen oder sogar vollständig verhindern. Der überaus antioxidativ wirkende Stoff schützt die Tiere außerdem vor schädlichen UV-Strahlen. Lachse nehmen Astaxanthin über Mikroalgen, Plankton und Krebstiere auf, die zu ihrer natürlichen Nahrungsgrundlage gehören. Lagert der Lachs den Farbstoff ein, färbt sich sein Fleisch rosa.

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Lachs erhält seine typische rosa Fleischfarbe durch den Farbstoff Astaxanthin, der bei der Fischzucht durch die veränderte Fütterung extra zugeführt werden muss.

Lachs erhält seine typische rosa Fleischfarbe durch den Farbstoff Astaxanthin, der bei der Fischzucht durch die veränderte Fütterung extra zugeführt werden muss.

Bildquelle: © pixabay/CC0

Astaxanthin wird in der Aquakultur dem Fischfutter zugesetzt

In der Fischzucht sind Mikroalgen, Plankton und Krebse aus Kostengründen nicht im Futter enthalten. Übliches Lachsfutter in Aquakultur besteht zu rund zwei Dritteln aus pflanzlichen Bestandteilen und nur zu einem Fünftel aus Fischöl und -mehl. Wird dem Futter kein Astaxanthin zugesetzt, verliert das Fleisch des Lachses seine typische rosa Färbung – es wird weiß oder gräulich. Da sich ein so untypisch gefärbtes Fleisch schlecht verkaufen lässt, setzen viele Züchter dem Fischfutter Astaxanthin zu. Gewonnen wird der Farbstoff aus Krebstieren und Mikroalgen, wo er allerdings nur in geringen Konzentrationen vorliegt und aufwendig und teuer isoliert werden muss. Dabei fallen außerdem nicht verwertbare Abfallstoffe an, die den Isolationsprozess sowohl ökonomisch als auch ökologisch unrentabel machen.

Farbstoff in Chloroplasten herstellen lassen

Wissenschaftler des Max Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm haben nun den Stoffwechselweg zur Herstellung von Astaxanthin auf die Tabakpflanze übertragen. Damit lassen sich die Produktionskosten des gefragten Farbstoffes um ein Vielfaches verringern. Den genetischen Bauplan für Astaxanthin haben die Forscher dabei nicht in den Zellkern der Pflanze eingeschleust, sondern in die Chloroplasten.

Das hat gleich zwei Vorteile: Erstens gibt es in der Tabakpflanzenzelle sehr viele Chloroplasten, also Produktionsstätten für den rosa Farbstoff, aber nur einen Zellkern. Zweitens können gentechnisch veränderte Chloroplasten nicht durch Pollen verbreitet werden, da sie in der väterlichen Pflanze im Pollen abgebaut werden. Dieses Phänomen erhöht die Biosicherheit der gentechnisch veränderten Pflanzen – ein häufiger Kritikpunkt von Gentechnikgegnern.

Chloroplasten des Baumtabaks bisher nicht transformierbar

Mit der Produktion von Astaxanthin in Tabakpflanzen ist den Wissenschaftlern bereits ein großer Schritt in Richtung kostengünstige Herstellung gelungen. Als optimal erwies sich das System jedoch noch nicht, da die Tabakpflanze von Natur aus große Mengen Nikotin enthält – eines der stärksten Pflanzengifte überhaupt.

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Oben: Herkömmlicher Baumtabak Unten: Lachsfarbener Baumtabak mit neu-integriertem Stoffwechsel zur Astaxanthin-Produktion.

Oben: Herkömmlicher Baumtabak
Unten: Lachsfarbener Baumtabak mit neu-integriertem Stoffwechsel zur Astaxanthin-Produktion.

Bildquelle: © Prof. Dr. Ralph Bock, MPI-MP

Als Alternative bot sich der nah verwandte und mehrjährige Baumtabak an, der absolut nikotinfrei ist. Trotz intensiver Forschung war es aber bisher nicht möglich, in Chloroplasten des Baumtabaks neue Gene gentechnisch zu übertragen. Mit einem Trick gelang es den Forschern jetzt doch, Astaxanthin im Baumtabak zu produzieren.

Pfropfung ermöglicht horizontalen Gentransfer

„Bereits in früheren Experimenten hatten wir herausgefunden, dass die DNA von Chloroplasten über Pfropfungsstellen von einer Art auf eine andere übertragen werden kann“, erklärt Studienleiter Ralph Bock. Dieses Phänomen kommt in der Natur auch ohne menschliches Eingreifen vor und wird als horizontaler Gentransfer bezeichnet. Für Wissenschaftler bietet dieses Phänomen die Möglichkeit, nicht transformierbare Pflanzen mit den gewünschten Fremdgenen auszustatten.

Nachdem die Forscher Tabaksprossen auf Baumtabakpflanzen pfropften, entnahmen sie Gewebe aus der Pfropfungsstelle und regenerierten mit Hilfe der Gewebekultur Pflanzen daraus. So konnten die Wissenschaftler aus einzelnen Baumtabakzellen, welche die neue Chloroplasten-DNA aus dem Tabak in sich trugen, wieder vollständige Pflanzen mit den gewünschten neuen Eigenschaften gewinnen.

Weg geebnet für pflanzliche Produktionsstätten

Mit ihrem Experiment konnte die Forschergruppe nicht nur eine geeignete Produktionsstätte für Astaxanthin schaffen. Sie konnten damit auch grundsätzlich zeigen, dass durch Pfropfung ein horizontaler Austausch von Chloroplastengenen eingeleitet werden kann. Auf diese Weise lassen sich bisher nicht transformierbare Pflanze gentechnisch verändern.

Damit ist der Weg frei für die Herstellung zahlreicher anderer Stoffe, die kommerziell oder medizinisch von Interesse sind und deren Gewinnung wegen ihrer geringen natürlichen Konzentrationen in Pflanze oder anderen Organismen nicht rentabel war. Solche „Biofabriken“ könnten auch die aufwendige chemische Synthese dieser Stoffe im Labor ersetzen.


Quelle:
Lu, Y. et al. (2017): Horizontal Transfer of a Synthetic Metabolic Pathway between Plant Species. In: Current Biologie,27(19):3034-3041.e3, (9. Oktober 2017), doi: 10.1016/j.cub.2017.08.044.

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Titelbild: So sieht der lachsfarbener Baumtabak aus. (Bildquelle: © Prof. Dr. Ralph Bock, MPI-MP)