Grenze erreicht?

Hoher Lebensstandard und Ressourcenschonung schließen sich aus

23.02.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Planetare Grenze überschritten: Der Ressourcenverbrauch der Menschheit ist zu hoch. (Bildquelle: © Lev / Fotolia.com)

Planetare Grenze überschritten: Der Ressourcenverbrauch der Menschheit ist zu hoch. (Bildquelle: © Lev / Fotolia.com)

Wir alle wollen möglichst gut leben. Doch der dabei entstehende hohe Ressourcenverbrauch überschreitet heute schon die planetaren Belastbarkeitsgrenzen. Um die steigende Weltbevölkerung gut zu versorgen und zugleich unsere Lebensgrundlage zu erhalten, muss daher dringend ein Umdenken stattfinden.

Im Jahr 2100 werden schätzungsweise 11,2 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Wie wollen wir es dann schaffen, allen ein recht gutes Leben zu bieten, ohne die Ressourcen der Erde allzu sehr zu strapazieren? Schon jetzt leben wir alles andere als nachhaltig. Besonders die Industriestaaten haben immer noch einen enorm hohen Verbrauch an Flächen und sie setzten massiv Treibhausgase frei. In einer neuen Studie hat ein Forschungsteam jetzt berechnet, wie die einzelnen Länder bei der Ressourcennutzung und bei der Umsetzung sozialer Standards abschneiden und was in Zukunft anders laufen muss.

Planetare Belastbarkeitsgrenzen und soziale Standards

Die planetaren Belastbarkeitsgrenzen definieren die ökologische Belastbarkeit der Erde. Sie dienen dazu, den Ressourcenverbrauch der Menschheit zu erfassen und abzuschätzen, wann und in welchem Maß die Ressourcen übernutzt werden. Zu den neun Belastbarkeitsgrenzen zählen: Der Klimawandel, der Verlust an Biodiversität (Artenverlust), der übermäßige Einsatz von Stickstoff und Phosphor, der Verbrauch von Süßwasser, die Übersäuerung der Ozeane, der Ozonabbau, der Flächenverbrauch sowie die Verschmutzung der Umwelt durch neuartige Chemikalien und insbesondere der Luft mit allerlei Partikeln. Dabei werden drei Grenzen als besonders wichtig erachtet: Klima, Ozeane und Ozonschicht.

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Es wird zu viel Stickstoff freigesetzt - vor allem durch die Landwirtschaft und den Autoverkehr.

Es wird zu viel Stickstoff freigesetzt - vor allem durch die Landwirtschaft und den Autoverkehr.

Bildquelle: © Stefan Redel / Fotolia.com

Inzwischen sind bereits vier der neun Grenzen deutlich überschritten: zu viel Stickstoff wird freigesetzt (vor allem durch Landwirtschaft und Autoverkehr), der Verlust der Arten ist bedrohlich, der Klimawandel verstärkt sich durch zu hohe CO2-Freisetzungen und der Flächenverbrauch ist enorm.

Für seine Berechnungen nutzte das Forschungsteam vier planetare Belastbarkeitsgrenzen (Klimawandel,  Landnutzungsänderungen, Süßwassernutzung sowie – einzeln betrachtet - die biogeochemischen Stoffflüsse von Stickstoff und Phosphor) und rechnete den jeweiligen Einfluss der einzelnen Länder (insgesamt 151) auf diese Grenzen heraus. Dazu kamen der materielle und der ökologische Fußabdruck jedes Landes, so dass insgesamt sieben Faktoren untersucht wurden. In einer zweiten Berechnung wurden elf soziale Faktoren (Ernährung, Zugang zu sanitären Einrichtungen, Einkommen, Zugang zu Energie, Bildung, soziale Betreuung, Gleichheit, demokratische Mitbestimmung, Beschäftigung, hohe Lebenszufriedenheit und hohe Lebenserwartung) betrachtet. Für diese elf Faktoren wurden Schwellenwerte ermittelt, deren Erreichen oder Überschreiten ein „gutes Leben“ kennzeichnet.

Hohe soziale Standards versus Ressourcenverbrauch

Im Ergebnis nutzte die weitaus größte Zahl der 151 untersuchten Länder die Ressourcen über die planetaren Belastbarkeitsgrenzen hinaus. Besonders bei der CO2-Freisetzung lagen nur 34 Prozent der Länder innerhalb der erträglichen Grenze, beim ökologischen und materiellen Fußabdruck, bei der Landnutzung sowie bei Stickstoff und Phosphor waren es jeweils um die 45 Prozent. Nur beim Süßwasser blieben etwa 80 Prozent der untersuchten Länder unterhalb der planetaren Belastungsgrenze. Insgesamt überschritten 48 Länder alle sieben untersuchten Grenzen (unter anderem die USA, Griechenland, Spanien), während nur 16 Länder es schaffen, innerhalb aller Grenzen zu bleiben (unter anderem Nepal, Philippinen, Sri Lanka).

Bei den sozialen Faktoren sah die Situation gemischter aus: Nahezu 60 Prozent der untersuchten Länder erreichten hohe soziale Standards und fast 70 Prozent ein Pro-Kopf-Einkommen über 1,90 US-Dollar pro Tag (Werte unterhalb dieser Grenze werden als Indiz für extreme Armut gewertet). Allerdings hatten nur ein Viertel der Länder eine ausreichende Lebenszufriedenheit, nur ein Fünftel erreichte gute Ergebnisse bei demokratischer Mitbestimmung und Gleichheit. Die Schwellenwerte in allen elf sozialen Faktoren erreichten nur Österreich, die Niederland und Deutschland, weitere sieben Länder (größtenteils aus Europa) konnten bei zehn Faktoren die Schwellenwerte überschreiten. 35 Länder konnten gar keinen oder nur einen Schwellenwert bei den sozialen Faktoren erreichen (zum Beispiel Lesotho, Jemen, Bolivien, Niger).

Nur ein Land schafft den Brückenschlag zwischen Wohlstand und Ökologie – zumindest beinahe

Zusammenfassend zeigte sich, dass kein Land Wohlstand und Ökologie in Einklang bringen konnte. Die meisten Länder erreichten gute soziale Standards nur dann, wenn sie sechs oder sieben der planetaren Belastbarkeitsgrenzen überschritten Umgekehrt hatten Länder mit geringer Ressourcennutzung eklatante Defizite in sozialen Bereichen.

Das einzige Land, das in beiden Bereichen akzeptabel abschnitt, war Vietnam. Es überschritt nur die Grenze bei den CO2-Emissionen, erreichte aber die Schwellenwerte von sechs der elf untersuchten sozialen Faktoren. Die USA hatten dagegen gute Werte bei neun von elf sozialen Faktoren, überschritten aber alle sieben planetaren Belastungsgrenzen. Auch Deutschland erreichte alle Schwellenwerte der sozialen Faktoren, überschritt aber fünf der sieben planetaren Belastbarkeitsgrenzen.

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Die Züchtung neuer Sorten ist ein Lösungsansatz.

Die Züchtung neuer Sorten ist ein Lösungsansatz.

Bildquelle: © allexxandarx / Fotolia.com

Handeln – jetzt!

In Erwartung einer Weltbevölkerung von über 11 Milliarden Menschen im Jahr 2100 ist es also dringend Zeit für Veränderungen. Wie können wir die planetaren Ressourcen so nutzen, dass für alle Menschen ein vernünftiger Lebensstandard gesichert wird, ohne die  Lebensgrundlagen zu gefährden? Dazu sind radikale Umbrüche nötig. Einige Bedürfnisse (Ernährung, Zugang zu sanitären Anlagen und zu Energie sowie ein Pro-Kopf-Einkommen über 1,90 US-Dollar) könnten für sieben Milliarden Menschen jetzt schon erfüllt werden, ohne die planetaren Grenzen stark zu überschreiten, betonen die Forscher. Schwieriger wird es bei Faktoren für weiter reichende Ziele (unter anderem Lebenszufriedenheit, hohe Lebenserwartung, demokratische Mitbestimmung). Hier müssten die Versorgungssysteme zwei- bis sechsmal effektiver werden.

Die Berechnungen zeigen, dass der Ressourcenverbrauch in den Industriestaaten ohne große soziale Folgen gesenkt werden könnte. Das Stichwort hier heißt Genügsamkeit: Heute setzen die meisten Länder noch unbeirrt auf wirtschaftliches Wachstum.  Stattdessen wäre ein neues Ziel dieser Volkswirtschaften wünschenswert: Erhaltung des Status quo und mehr Gleichverteilung des Wohlstands (steady-state-economy). Zudem müssten die Versorgungssysteme umgebaut werden. Das bedeutet unter anderem einen Fokus auf erneuerbare Energien, die Herstellung von Produkten mit längerer Lebensdauer und die Abkehr von der „Wegwerfgesellschaft“.

Was kann die Pflanzenforschung tun?

Auch im Bereich Pflanzenforschung stehen in diesem Zusammenhang große Herausforderungen an. Da die Landwirtschaft der globale Ernährer und zugleich einer der Hauptverursacher der Ressourcenüberschreitung ist (zu hohe Stickstoffeinträge, Artenverlust, Landverbrauch), muss auch hier umgedacht werden. Ein Lösungsansatz – mit Sicherheit nicht der einzige Weg – ist die konsequente Nutzung neuer Techniken im Bereich Pflanzenzüchtung. Damit  müssen effizientere Kulturpflanzensorten geschaffen werden, die resistent gegen Schädlinge sind, vorhandene Nährstoffe besser nutzen oder mit Wasserknappheit besser zurechtkommen.

Auch eine effizientere Photosynthese unserer Nutzpflanzen könnte mehr CO2 binden und zeitgleich für höhere Erträge sorgen. Zum Schutz der Biodiversität ist es zusätzlich notwendig, vorhandene Ackerflächen effektiver zu nutzen und durch den Einsatz von Mischkulturen die Artenvielfalt zu fördern. Eine produktive und zugleich nachhaltige Landwirtschaft könnte viele – wenn auch nicht alle - globale Probleme quasi an der Wurzel packen.


Quelle:
O'Neill, D.W. et al. (2018): A good life for all within planetary boundaries. In: Nature Sustainability Vol 1, (Februar 2018), doi: 10.1038/s41893-018-0021-4.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Planetare Grenze überschritten: Der Ressourcenverbrauch der Menschheit ist zu hoch. (Bildquelle: © Lev / Fotolia.com)