Grüne Oasen zum Durchatmen

Pflanzlicher Filter verbessert Luftqualität in Städten

08.11.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Einer der CityTrees steht vor dem Hauptgebäude der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. (Bildquelle: © HTW Dresden/Alena Flemming)

Einer der CityTrees steht vor dem Hauptgebäude der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. (Bildquelle: © HTW Dresden/Alena Flemming)

Die Verschmutzung der Atemluft wird in Ballungszentren weltweit zum Problem. Grüne Oasen zum Durchatmen können jedoch mit Hilfe des CityTrees, einer Erfindung des Dresdner Start-ups Green City Solutions, entstehen. Die etwa drei Meter breite und vier Meter hohe Wand ist vertikal bepflanzt und filtert Feinstaub, Kohlenstoffdioxid und Stickoxide aus der Luft – so viel wie 275 Bäume.

Smogwolken über asiatischen Städten wie Peking oder Neu Delhi sind aus den Nachrichten bekannt. Dort trauen sich die Menschen zeitweise nur mit Atemmaske auf die Straße. Doch auch in deutschen Großstädten wie Stuttgart, Hamburg, München oder Dresden stellen Schadstoffe in der Atemluft ein Problem dar. Der CityTree, ein pflanzlicher Luftfilter, könnte Abhilfe schaffen.

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Ein Wandelement besteht aus 1.682 Einzeltöpfen. In diesen wächst das Moos zu einer geschlossenen Filteroberfläche zusammen und bildet das Substrat für eine Deckbepflanzung.

Ein Wandelement besteht aus 1.682 Einzeltöpfen. In diesen wächst das Moos zu einer geschlossenen Filteroberfläche zusammen und bildet das Substrat für eine Deckbepflanzung.

Bildquelle: © Green City Solutions

Die Erfindung des Dresdner Start-ups Green City Solutions basiert auf der Erkenntnis, dass Pflanzen Schadstoffe aus der Luft filtern können. Das Pflanzen Kohlenstoffdioxid aufnehmen und in Sauerstoff umwandeln ist jedem bekannt. Erst kürzlich konnten Wissenschaftler zeigen, dass Pflanzen auch Stickoxide, also Stickstoffverbindungen, aus der Luft filtern und für ihren Stoffwechsel nutzbar machen.  

Mit ihrer technischen Lösung erreicht die Pflanzenwand die Filterleistung von 275 Bäumen und benötigt nur ein Prozent der Fläche. Diese Kompaktheit macht sie attraktiv für Innenstadtbereiche von Ballungszentren, als Begrenzung von Straßen oder Industriegebieten.

Basiselement der Wand ist Moos. Aufgrund der vielen winzigen Verästelungen ist dessen Oberfläche extrem groß. So kann es Nährstoffe direkt aus der Luft aufnehmen. Die Aufnahme der Nährstoffe erfolgt über Ionenaustausch: Die äußeren Zellwände der Moose sind positiv geladen. Dadurch werden Feinstaubpartikel elektrostatisch angezogen und gebunden. Im Feinstaub enthaltene Stickoxide nutzt das Moos als Nährstoffquelle. Der Stickstoff wirkt wie ein mineralischer Dünger. Auf dem Moos liegt ein Bakterienfilm. Dieser Biofilm kann anorganische Verbindungen, zum Beispiel Salze aufnehmen. Die Bakterien zersetzen daher auch Nitratverbindungen, die ebenfalls im Feinstaub enthalten sind.

Deckpflanzen werden je nach Ziel und Standort ausgewählt

Ein Wandelement besteht aus 1.682 Einzeltöpfen. In diesen wächst das Moos zu einer geschlossenen Filteroberfläche zusammen und bildet das Substrat für eine Deckbepflanzung. Gute Wachstumsbedingungen für andere Pflanze werden so garantiert. Die Deckpflanzen stellen ein Hindernis für die Luftzirkulation dar und sorgen dafür, dass die Luft sich langsamer über die Wand bewegt. Dadurch kann sich eine größere Menge an Feinstaub auf dem Moos absetzen. Gasförmige Emissionen werden in den Blättern der Deckpflanze umgewandelt.

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Schädliche Stoffe, die durch Autos in die Luft geblasen werden gefährden die Gesundheit.

Schädliche Stoffe, die durch Autos in die Luft geblasen werden gefährden die Gesundheit.

Bildquelle: © Stefan Redel/Fotolia.com

Aus welchen Pflanzen sich die Deckbepflanzung zusammensetzt, hängt davon ab, was man erreichen möchte. „Der CityTree kann unterschiedliche Ziele verfolgen, zum Beispiel die Feinstaubbindung, die Bindung von Stickoxiden oder eine hohe Kühlleistung. Wenn man viel Feinstaub aus der Luft filtern möchte, wählt man eher immergrüne Pflanzen, will man verstärkt Stickoxide binden, sind Laubpflanzen geeigneter“, erklärt Victor Splittgerber, einer der Gründer von Green City Solutions. Die Bepflanzung wird außerdem an die klimatischen Bedingungen vor Ort angepasst. In deutschen Städten eignen sich frostharte Sukkulenten wie Sempervivum, auch als Hauswurz bekannt, zum Beispiel besonders gut, um Feinstaub zu binden. Alle vier bis fünf Jahren müssen die Pflanzen ausgetauscht werden.

Platzwahl ist entscheidend

Nicht nur ästhetische, sondern auch funktionale Fragen sind für den richtigen Standort wichtig. Wird der Pflanzenwand am falschen Standort platziert, kann diese die Luftzirkulation stören. Was sogar zu einer höheren Schadstoffkonzentration in der Umgebung führen kann. Daher berechnet das Team um Viktor Splittgerber den optimalen Standort für jede Pflanzenwand individuell. „Auf Grundlage unserer Berechnungen wählen wir den Standort so, dass der CityTree viel nützt und auch städtebaulich passt“, so Splittgerber.

Die Pflanzenwand als Selbstversorger

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Schadstoff Tägliche Filterleistung der Pflanzenwand Entspricht Schadstoffmenge, die ein PKW auf folgender Strecke emittiert:
Treibhausgase (CO2- Äquivalente) 657 kg 4.620 km
Feinstaub 320 g 36.780 km
Stickoxide 12,8 g 41 km

Die Anlage arbeitet autark: Sie verfügt über einen Tank, in dem Regenwasser gesammelt wird. Sensoren überwachen die Feuchtigkeit in den einzelnen Töpfen. Wenn es notwendig ist, befördern elektrische Pumpen das Wasser aus dem Tank zu der Pflanze, die es benötigt. Der Strom für die Pumpen wird mit einem Solarmodul an der Oberseite der Hightech-Wand gewonnen.

Neben der Luftqualität hat die Pflanzenwand auch eine kühlende Funktion. Nimmt man auf einer der integrierten Sitzbänken Platz, ist ein kühler Luftzug zu spüren. So laden die Sitzplätze zum Verweilen und Durchatmen ein. Die Anlage kann außerdem um eine Ladestation für E-Bikes oder einen WiFi-Hotspot erweitert oder für Werbezwecke mit einem integrierten Bildschirm versehen werden. Bisher hat das Start-up Unternehmen 15 Pflanzenwände verkauft – sie reinigen die Luft unter anderem in Dresden, Oslo und Hong Kong.


Quellen:

  • Kuruthukulangarakoola, G.T. et al. (2016): Nitric oxide-fixation by non-symbiotic hemoglobin proteins in Arabidopsis thaliana under N-limited conditions. In: Plant, Cell & Environment, (31. Mai 2016), doi: 10.1111/pce.12773.
  • Umweltbundesamt (2012): Daten zum Verkehr. Ausgabe 2012.

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Titelbild: Einer der CityTrees steht vor dem Hauptgebäude der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. (Bildquelle: © HTW Dresden/Alena Flemming)