Grüne Revolution verpufft durch Klimawandel

10.12.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Reis. Um Erträge zu erhöhen, konzentrierten sich Züchtungsprogramme im Zuge der

Reis. Um Erträge zu erhöhen, konzentrierten sich Züchtungsprogramme im Zuge der "Grünen Revolution" vor allem auf die Selektion von Pflanzen mit geringer Halmhöhe. (Quelle: © Green/ wikipedia.de; CC BY-SA 3.0).

Heutige Hochertragssorten von Getreide sind nicht auf Wachstum, sondern auf hohen Kornertrag und kurze Halme gezüchtet. Deutsche Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass der seit Jahrzehnten steigende Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre den Ertrag dieser Zwergsorten verringert. Denn das CO2 lässt die Pflanzen wieder größer wachsen und untergräbt damit den Züchtungserfolg.

Das Ende der Grünen Revolution?

In den 1960er Jahren war sie der Star der Grünen Revolution, die  kleinwüchsige Reissorte IR8. Ihre hohen Erträge halfen, die damals prophezeite Nahrungsmittelknappheit abzuwenden. Um Erträge zu erhöhen, konzentrierten sich Züchtungsprogramme damals vor allem auf die Selektion von Pflanzen mit geringer Halmhöhe. Denn diese investieren weniger Nährstoffe und Energie in das vegetative Wachstum, sie speichern diese in den Körnern. Gleichzeitig konnten die kurzen, starken Halme die hohen Kornerträge ohne Probleme stemmen, während die meisten anderen Hochleistungssorten unter dem Gewicht der Körner einknickten. 

Heute ist IR8-Reis fast vollständig vom Markt verschwunden. Der Anbau lohnt sich nicht mehr. Denn die Erträge sind seitdem um etwa 15 Prozent gesunken, obwohl die genetische Ausstattung der Reispflanze sich nicht verändert hat. Was ist passiert? Neben schlechteren Böden und zunehmendem biotischem Stress, machen Wissenschaftler den Klimawandel für diese Entwicklung verantwortlich.

Ist der Klimawandel schuld?

Im Zuge des Klimawandels steigen nicht nur die Temperaturen weltweit an, auch die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre nimmt zu. Heute ist bereits 25 Prozent mehr CO2 in der Atmosphäre als in den 1960er Jahren. 

CO2 ist für Pflanzen unverzichtbar: Sie benutzen den Kohlenstoff zum Aufbau von Zucker und anderen wichtigen Stoffen. Eine erhöhte CO2-Konzentration erhöht die Kohlenstoffverfügbarkeit und kann, so die bisherige Ansicht, das Wachstum von Pflanzen steigern. Zu viel CO2 wirkt sich jedoch negativ auf die Erträge von Zwergsorten aus, fanden  Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam und der Universität Potsdam heraus.

Wachstumshormon genetisch abgeschaltet

Grundlage für die Studie war der genetische Mechanismus der Zwergenwüchsigkeit in IR8-Reis und anderen kleinwüchsigen Varietäten: Den Zwergpflanzen fehlt ein Enzym, das zur Herstellung des pflanzlichen Wachstumshormons Gibberellinsäure benötigt wird. Gibberellinsäure ist für das Längenwachstum von Pflanzen verantwortlich. Ohne das Hormon bleibt der Reis klein, aber kräftig und ertragreich. Derzeit wird der Biosyntheseweg von Gibberellinsäure in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana intensiv erforscht. Studien haben gezeigt, dass Umweltbedingungen die Synthese des Wachstumshormons beeinflussen.

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Die Kurve zeigt die historische Entwicklung der Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre, gemessen am Mauna Loa, Hawaii. Sie gilt als Beleg für den vom Menschen verursachten Anstieg der Treibhausgase, der für die Globale Erwärmung verantwortlich gemacht wir.

Die Kurve zeigt die historische Entwicklung der Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre, gemessen am Mauna Loa, Hawaii. Sie gilt als Beleg für den vom Menschen verursachten Anstieg der Treibhausgase, der für die Globale Erwärmung verantwortlich gemacht wir.

Bildquelle: © Sémhur / wikipedia.de; CC BY-SA 4.0

Am Beispiel von Arabidopsis-Pflanzen haben die Potsdamer Forscher nun untersucht, wie sich ein erhöhter CO2-Gehalt in der Luft auf das Biomassewachstum und den Stoffwechsel der Pflanzen auswirken und wie dies mit der Verfügbarkeit von Gibberellinsäure zusammenhängt. Hierzu züchteten sie Pflanzen, bei denen die Biosynthese von Gibberellinsäure genetisch herunter geregelt wurde. 

CO2 kurbelt das Wachstum wieder an

Die Forscher verglichen Arabidopsis-Pflanzen des Wildtyps mit den kleinwüchsigen Pflanzen, deren Fähigkeit zur Gibberellinsäure-Synthese geblockt war, bei normaler CO2-Konzentration in der Luft und bei erhöhter CO2-Konzentration. 

Die kleinwüchsigen Pflanzen produzierten bei normaler CO2-Konzentration bis zu dreimal weniger Biomasse als die Kontrollpflanzen. Bei erhöhtem CO2-Gehalt verschwand dieser Unterschied jedoch vollständig. Das Kohlendioxid hatte somit einen ähnlichen wachstumsstimulierenden Effekt wie die Gibberellinsäure. 

CO2 verändert den Stoffwechsel der Pflanzen

In den Zwergpflanzen bewirkte der erhöhte CO2-Gehalt zudem eine Umprogrammierung des Stoffwechsels. Während die Zwergpflanzen bei normaler CO2-Konzentration Stickstoff, Aminosäuren und Proteine in ihren Zellen anreicherten – blieb eine vergleichbare Speicherung bei erhöhtem CO2-Gehalt aus. Bei hohem CO2-Gehalt produzierten die Pflanzen zwar deutlich mehr Enzyme, die für die Photosynthese und die anorganische Stickstoffaufnahme benötigt werden, jedoch weniger zur Synthese organischer Säuren

Die Ergebnisse legen nahe, dass das Wachstumshormon Gibberellinsäure nur bei normalem CO2-Gehalt in der Luft für eine hohe Biomasseausbeute notwendig ist. Bei erhöhtem CO2-Gehalt wird die Wirkung des Hormons durch eine Veränderung des Stoffwechsels ersetzt. Die Transkriptionsanalyse bewies, dass der CO2-Gehalt keinen Einfluss auf die Aktivierung der für die Synthese von Gibberellinsäure notwendigen Gene hat. Dennoch beförderte ein hoher CO2-Gehalt die Expression von Wachstums relevanten Genen. CO2 stimuliert somit das Pflanzenwachstum unabhängig von Gibberellinsäure. Wie genau das gasförmige Kohlendioxid das Wachstum der Pflanzen beeinflusst, wollen die Forscher nun in weiteren Studien klären. 

Herausforderung für die Züchtung

Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass der Klimawandel die Errungenschaften der Grünen Revolution gefährdet. Durch das Herunterregeln des Wachstumshormons Gibberellinsäure wurden ertragreiche Zwergsorten der wichtigen Weltnahrungspflanzen gezüchtet. Nicht nur bei Reis haben sich heute Zwergsorten durchgesetzt, auch bei Weizen setzen Landwirte auf die kurzstieligen Sorten. 

Der anhaltende CO2-Anstieg in der Atmosphäre könnte den Züchtungsfortschritt dieser Zwergsorten Stück für Stück zunichte machen. Dies macht der Ertragsrückgang von IR8-Reis deutlich. Die Klimaerwärmung bedroht die Erträge durch sich verändernde Umweltbedingugnen und zusätzlich auf zellulärer Ebene. Denn die meisten Nutzpflanzen wachsen nur in einer geringen Temperaturspanne gut. Züchter stehen damit vor der Herausforderung, neue Pflanzen zu entwickeln, die unter den veränderten klimatischen Bedingungen weiterhin gute Erträge bringen. Eine Voraussetzung hierfür wird sein, die Wechselwirkungen zwischen züchterisch wichtigen Genveränderungen und sich verändernden Umweltbedingungen besser zu verstehen. 


Quelle:
Dimas M.R. et al. (2012): Action of gibberellins on growth and metabolism of Arabidopsis thaliana plants associated with high concentration of carbon dioxide. Plant Physiology Preview (22. Oktober 2012), doi: 10.1104/pp.112.204842

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Reis. Um Erträge zu erhöhen, konzentrierten sich Züchtungsprogramme im Zuge der "Grünen Revolution" vor allem auf die Selektion von Pflanzen mit geringer Halmhöhe. (Quelle: © Green/ wikipedia.de; CC BY-SA 3.0).