Grundwasser-Inventur alarmiert Wissenschaftler und Praktiker

20.08.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mehr als 99% des auf der Erde verfügbaren Süßwassers ist als Grundwasser gespeichert. (Quelle: © piu700 / pixelio.de)

Mehr als 99% des auf der Erde verfügbaren Süßwassers ist als Grundwasser gespeichert. (Quelle: © piu700 / pixelio.de)

Wasser ist die Basis allen Lebens. Wie sich Veränderungen in Ökosystemen und der Landwirtschaft, aber auch die Bevölkerungsentwicklung auf die Grundwasservorräte auswirken, haben Forscher mit Hilfe eines „Grundwasserfußabdrucks“ ermittelt. Fazit: Manche Grundwasserspeicher werden bereits heute stark übernutzt. Tendenz steigend.

Vom Grundwasser hängen Gesellschaften, Ökosysteme und ganze Industriezweige ab. Mehr als 99% des auf der Erde verfügbaren Süßwassers ist als Grundwasser gespeichert, so die Wissenschaftler. Obwohl es eine riesige Ressource ist, wird diese bereits stark genutzt. Mehr als 2 Milliarden Menschen trinken täglich Grundwasser. Die für die Bewässerung der Landwirtschaft genutzten Wasserressourcen bestehen zu 40% ebenfalls aus Grundwasser. Durch diese starke Nutzung beobachten Wissenschaftler seit Jahren in einigen Regionen einen starken Rückgang des Grundwasserspiegels. Bäche und Flüsse versiegen. 

Neue Qualität der Berechnung

Bisherige Untersuchungen des Wasserhaushalts fokussierten auf Vorkommen an oberflächigem Wasser. Hierzu zählen u.a. Bäche, Flüsse oder Seen. Den Blick in tiefere Regionen klammern diese Studien aus. Somit fehlte die Abschätzung der Grundwassernutzung, was die Aussagekraft der Studien schwächte. 

Um diese Lücke zu schließen, schlagen Forscher die Einführung des Grundwasser-Fußabdrucks vor. Dieser vergleicht, was in einen Grundwasserspeicher (Aquifer) hineinfließt, mit dem was daraus entnommen wird. Auch die zum Erhalt der Funktion eines Ökosystems notwendige Wassermenge fließt in diese Berechnungen ein. Sicherlich bleibt die Methode mit zahlreichen Unbekannten und Schätzwerten behaftet, trotzdem gibt sie einen ersten Eindruck auf die verfügbaren Ressourcen und die Regeneration des Grundwassers. 

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Karte der weltweiten geringsten Verfügbarkeit an sich erneuerndem Süßwasser pro Einwohner und Jahr.

Karte der weltweiten geringsten Verfügbarkeit an sich erneuerndem Süßwasser pro Einwohner und Jahr.

Bildquelle: © Snek01 / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Inventur zeigt Hot-Spots

Bei der nun vorliegenden ersten Analyse des globalen Grundwasser-Fußabdrucks zeigte sich, dass dieser Speicher im Durchschnitt um das 3,5-fache übernutzt wird. Mit anderen Worten: es wird 3,5 mal so viel Wasser entnommen wie neugebildet wird. 

So alarmierend diese Zahlen sind, die erste Inventur zeigte auch Positives: Nur wenige Regionen sind für diese Ungleichheit von Speicherung und Verbrauch verantwortlich. So sind es vor allem acht Grundwasserspeicher in China, Indien, Pakistan, Saudi Arabien, Ägypten, Mexiko und den USA, die heute stark übernutzt werden. In diesen regionalen Hot-Spots der Übernutzung leben rund 1,7 Milliarden Menschen. Damit ist weltweit knapp jeder vierte Mensch direkt betroffen. Darüber hinaus gefährdet diese Übernutzung auch die Leistungen der Ökosysteme in diesen Regionen. 

Insgesamt 80% der weltweiten Grundwasserspeicher weisen jedoch ein ausgeglichenes Verhältnis auf. Und gerade in den tropischen Gebieten können große Mengen Grundwasser genutzt werden, da sich diese schnell regenerieren. 

Stressindikator untermauert Relevanz

Ähnlich einer Ampel funktioniert ein von den Wissenschaftlern eingeführter Grundwasser- Stressindikator. Dieser setzt den Grundwasserfußabdruck mit der Fläche des jeweiligen Speichers ins Verhältnis. Ergibt dieses Verhältnis eine Zahl >1 ist die Grundwassernutzung des Speichers nicht mehr nachhaltig. Es wird mehr Grundwasser entnommen als in diesem Gebiet gebildet wird. In einer Region im Iran wurde ein Stressindikator von knapp 100 errechnet. Aber auch für die bevölkerungsreiche Region des oberen Ganges in Indien und Pakistan sowie für Saudi Arabien wurden Quotienten von 50 ermittelt. In diesen Gebieten herrscht somit ein akuter Handlungsdruck. Umgehend müssen Gegenmaßnahmen zur Stabilisierung und Auffrischung des Grundwassers ergriffen werden.  

Erstmals existiert mit dem Grundwasser-Fußabdruck ein Analysewerkzeug, mit dem sich die Grundwassersituation weltweit einschätzen lässt. In ihrer Publikation weisen die Wissenschaftler auch auf einige Schwächen des Systems hin. So wurden im Moment große Regionen sehr grobskalig betrachtet. Zukünftig will man sich auf die Analyse einzelner Regionen konzentrieren, so dass auch innerhalb eines Aquifers Unterschiede in Subregionen bei der Grundwasserbildung, Entnahme und den vom Grundwasser abhängigen Ökosystemen sichtbar werden. Mit diesen feinskaligeren Analysen lassen sich noch gezielter Gegenmaßnahmen ergreifen.

Ebenso denken die Wissenschaftler daran, auch die Wasserqualität in die Analysen zu integrieren. In manchen Regionen ist das Grundwasser stark mit Schadstoffen belastet. Diese können natürlichen, verstärkt jedoch menschlichen Ursprungs sein. Die Wassernutzung in Industrie und Landwirtschaft, aber auch durch die zunehmende Konzentration von Menschen in Metropolregionen sind Ursachen für Schadstoffeinträge in Grundwassersspeicher. 

Etabliertes Instrumentarium wird ergänzt

In ihrer Methode sehen die Forscher eine wichtige Ergänzung zu den bereits etablierten Analysen, wie die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks oder des Wasser-Fußabdrucks. Ebenso wird die Berechnung des virtuellen Wassers – also der Menge Wasser, die zur Herstellung eines Produkts über den gesamten Herstellungsprozess benötigt wird, durch den Grundwasser-Fußabdruck noch aussagekräftiger. 

Der Grundwasser-Fußabdruck kann aber auch als Planungswerkzeug genutzt werden, um landwirtschaftliche Erträge durch gezielte Bewässerungsmaßnahmen nachhaltig zu steigern. Ebenso denken die Wissenschaftler an die Übertragung der Methode auf andere Bereiche, die von regional stark unterschiedlichen, regenerativen Ressourcen abhängig sind. Als Anwendungsfelder sehen die Forscher die Fischerei oder die Forstwirtschaft. Vor allem aber gelingt es mit der nun vorgestellten Methode, Maßnahmen gegen die Übernutzung des Grundwassers gezielter auf die wirklichen Schwerpunktregionen zu konzentrieren. 


Quelle:
T. Gleeson et al. (2012): Water balance of global aquifers revealed by groundwater footprint. Nature (Vol. 488, S. 197-200); DOI:10.1038/nature11295

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Titelbild: Mehr als 99% des auf der Erde verfügbaren Süßwassers ist als Grundwasser gespeichert (Quelle: © piu700 / pixelio.de)