Hybridsystem für Winterweizen

15.03.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Winterweizen. (Quelle: © GABI)

Winterweizen. (Quelle: © GABI)

Hybridsorten erzielen besonders hohe Erträge. Doch beim Weizen ist es bislang nicht gelungen, ein rentables System für die Hybridzucht zu etablieren. Im Rahmen des Projektes GABI-HYBWHEAT soll ein gentechnisches Konzept realisiert werden, das dies ändern könnte.

Viele Hochleistungssorten in der industriellen Landwirtschaft setzen auf den Heterosiseffekt: Bei der Kreuzung von Inzuchtlinien entstehende Hybridpflanzen sind häufig besonders ertragreich. Sogar eine Ertragsverdoppelung gegenüber den Eltern ist bei Mais und Roggen bekannt. Für Weizen gibt es bislang jedoch kein wirtschaftlich erfolgreiches System, um Hybride zu produzieren.

Nötig dafür wäre zum einen ein weiblicher Kreuzungspartner, der männlich-steril ist, damit sich die kleistogamen Blüten nicht selbst befruchten. Zum anderen müsste der männliche Kreuzungspartner exzellente Bestäubereigenschaften haben. Beide Eigenschaften sind natürlicherweise in Weizen nicht vorhanden.
Es gibt verschiedene Ansätze, Hybride durch Sterilisation zu erzeugen: Die Nordsaat Saatzucht GmbH, einer der beiden Projektpartner in GABI-HYBWHEAT, kastriert die Pflanzen mit einem chemischen Reagenz.  Der Erfolg des Verfahrens hängt sehr vom richtigen Zeitpunkt und von den Wetterverhältnissen ab.

Ein anderer Ansatz ist die cytoplasmatische  Pollensterilität (cytoplasmatic male sterility, CMS), bei der durch Mutationen der mitochondriale DNS verhindert wird, dass die Pflanze fruchtbaren Pollen erzeugen kann. Allerdings ist diese Methode bei Weizen nicht sehr zuverlässig und aufgrund ihrer Komplexität durch konventionelle Züchtung schwer zu etablieren. Die Methode erfordert unter anderem als männlichen Kreuzungspartner eine Instandsetzungslinie, damit alle Kreuzungsnachkommen wieder fruchtbar sind – sonst gäbe es keinen Ertrag. Eine mechanische Kastration, bei der wie beim Mais das Pollen tragende Organ entfernt wird, ist bei einer kleinblütigen Pflanze wie Weizen nicht praktikabel.

Das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben, der zweite Projektpartner, entwickelt ein Verfahren, das es erlaubt, ausgehend von sterilen Pflanzen fruchtbare, ertragreiche Nachkommen zu produzieren. Der „split gene approach“, also der „Geteiltes-Gen-Ansatz“, ist ein gentechnisches Verfahren, das auf der Aufspaltung eines Transgens basiert. In diesem Fall handelt es sich um das Gen, das für das Protein Barnase kodiert, welches bei Expression in männlichem Blütengewebe Pollensterilität hervorrufen kann.

Im ersten Schritt haben die Forscher beide Genfragmente in eine Pflanze transformiert, in der die entsprechenden Proteinfragmente als Vorläuferprodukte unabhängig von einander gebildet werden. An die Fragmente sind so genannte Inteinsequenzen gebunden, die schließlich beide Barnase-Fragmente zu einem funktionsfähigen Protein zusammenfügen und damit die Pollensterilität herstellen. Im nächsten Schritt kreuzen die Forscher ein Enzym ein, das nach dem Zufallsprinzip eines der beiden Genfragmente aus jeder Zelle entfernt. Es entstehen „Mosaikpflanzen“, deren Nachkommen ausschließlich eines der beiden Genfragmente in sich tragen. Kreuzen die Forscher nun diese Mosaikpflanzen, resultieren unter anderem Nachkommen, die beide Genfragmente in sich tragen. Aufgrund der Methodik liegen diese Fragmente zwangsläufig auf gleichen Orten homologer (gepaarter) Chromosomen. Darin liegt das entscheidende Prinzip: Kreuzt man nun diese sterilen Pflanzen mit einem unbehandelten, fruchtbaren Partner, entsteht eine Hybridgeneration, die fruchtbar ist, da die Pflanzen lediglich eines der beiden Barnase-Fragmente tragen – die allein jedoch keine Sterilität hervorrufen können.

Elegant ist an diesem System nicht nur, dass die Fruchtbarkeit sich system-inherent wiederherstellt, ohne Instandsetzungslinien zu benötigen, und dass nur ein Kreuzungspartner gentechnologisch manipuliert werden muss. Auch hinsichtlich der Biosicherheit stellt es eine geschickte Lösung dar: Nachkommen der Hybridgeneration sind entweder nicht-transgene Pflanzen oder tragen lediglich eines der inaktiven Fragmente des Transgens in sich.
Obwohl der wissenschaftliche Ansatz sehr ambitioniert ist, liegt das Projekt grundsätzlich im Zeitplan. Das Projektteam ist zuversichtlich, dass der Funktionalitätsbeweis am Ende des Projektes vorliegt. In einigen Jahren könnte das System somit marktreif sein. Bis dahin ist ein Anschlussprojekt geplant, das die Entwicklung von der wissenschaftlichen zur präkommerziellen Phase überbrücken soll; damit die Vorteile der Hybridzucht so bald wie möglich auch effektiv für Weizen genutzt werden können.


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