Im Erkenntnisrausch

19.08.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Hanf - vielversprechender Rohstoff für Medikamente. (Quelle: © iStockphoto.com/ EpicStockMedia)

Hanf - vielversprechender Rohstoff für Medikamente. (Quelle: © iStockphoto.com/ EpicStockMedia)

Start-up-Unternehmen veröffentlicht entziffertes Hanf-Genom im Internet. Die Daten sollen Wissenschaftlern bei der Entwicklung von Krebsmedikamenten helfen.

Hanfpflanzen (Cannabis sativa) sind vor allem bekannt für ihren rauschauslösenden Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC). Aber die Pflanze enthält viele weitere bioaktive Substanzen. Einige dieser Cannabinoide, zu denen auch THC zählt, sind pharmazeutisch hoch interessant. 

Studien verweisen auf eine therapeutische Wirkung von Hanf bei der Behandlung von Krebs, Verbrennungen und dem Grünen Star. In einigen Ländern wird THC unter strengen Auflagen erfolgreich zur Linderung häufiger Nebenwirkungen von Chemotherapien bei Krebs eingesetzt (Übelkeit, Erbrechen, mangelnder Appetit und Depressionen). In Experimenten mit Ratten konnten Wissenschaftler durch die Gabe von Cannabidiol (CBD), einem anderen Cannabinoid, Krebstumore bekämpfen - ohne psychoaktive Nebeneffekte. Hanf gilt daher als vielversprechende Arzneipflanze. Der Absatzmarkt für Medikamente auf Hanfbasis wächst jährlich um fast 50 Prozent.  

Millionen Puzzlesteine 

Wissenschaftler des US- amerikanischen Start-up-Unternehmens Medicinal Genomics haben die Rohversion des vollständigen Hanf-Genoms (Cannabis sativa) kürzlich frei zugänglich im Internet veröffentlicht - nicht wie in der Wissenschaft sonst üblich in einem wissenschaftlichen Fachmagazin. 

Die Genom-Sequenz besteht aus etwa 400 Millionen Basenpaaren und ist damit etwa dreimal so groß wie das Genom der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Die veröffentlichte Rohversion liegt derzeit in Hunderttausenden einzelnen Bruchstücken vor. In einem nächsten Schritt müssen die über 131 Milliarden Basen der Shotgun-Sequenz nun mit Hilfe der Bioinformatik in zusammenhängende Stücke zusammengefügt werden. 

Therapeutischer Hanf

Die Hanf-Forscher hoffen, dass ihre Daten Wissenschaftlern weltweit helfen werden, weitere pharmazeutisch wirksame Substanzen zu finden und deren Wirkungsweise besser zu verstehen. 

Gezielte Züchtungsprogramme könnten zudem neue „therapeutische Hanfsorten“ hervorbringen, bei denen die psychoaktive Wirkung des THCs unterdrückt wird, so die Vision der Forscher. Gleichzeitig könnten pharmazeutische Wirkstoffe mittels Klonierung in effizienteren Produktionssystemen hergestellt werden. Basierend auf Genomdaten kann die Pflanzenzüchtung zielgerichteter erfolgen. Langwierig und auch teuer bleibt sie trotz alledem.

Ab Herbst will Medicinal Genomics via iPad-App Erläuterungen zur Genomsequenz veröffentlichen. Ein Service nicht nur für Wissenschaftler, die an neuen Medikamenten forschen. Auch Freunde des Rausches mit entsprechender fachlicher Qualifikation könnten die Ergebnisse für die Züchtung neuer Sorten mit stärkerer Rauschwirkung nutzen. Ob dies dazu führen wird, dass sich mehr Hobbyzüchter mit Pflanzenforschung beschäftigen, ist jedoch fraglich.


Zum Weiterlesen:
Heidi Ledford (18.08.2011): Weed sequenced. No really – weed.
Manuel Guzmán (2003): Cannabinoids: potential anticancer agents. Nature Reviews Cancer 3, 745-755 (October 2003) | doi:10.1038/nrc1188 (Abstract).