Innovationen für die Küche

Entwicklungen, die unsere Essgewohnheiten verändern und die Nahrungsgrundlage sichern

21.04.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wie werden unsere Lebensmittel in Zukunft aussehen? (Bildquelle: © ra2 Studio / Fotolia.com)

Wie werden unsere Lebensmittel in Zukunft aussehen? (Bildquelle: © ra2 Studio / Fotolia.com)

Wie werden Menschen sich in Zukunft ernähren? Mit einem veganen Ersatz für Hühnereier und „in vitro-Burgern“? Vielleicht gäbe es dann als Beilage Turboreis oder Pommes aus krankheitsresistenten Kartoffeln. Aber: Werden die Innovationen im Lebensmittelsektor auch den globale Hunger bekämpfen?

Wie wird das Lebensmittel der Zukunft aussehen und wie werden diese produziert? Diesen Fragen widmen sich Wissenschaftler und Ingenieure in den Technologieschmieden in aller Welt. Eine der führenden ist das MIT, das Massachusetts Institute of Technology, in den USA. Im Folgenden fassen wir einige aktuelle Trends aus Labor, Landwirtschaft und Küche zusammen und stellen diese zur Diskussion.

Mithilfe neuer Technologien und innovativer Ansätze sollen die zukünftigen Herausforderungen im Landwirtschafts- und Lebensmittelsektor angegangen aber auch neue Geschmackserlebnisse kreiert werden. Vegane Alternativen zu Fisch und Fleisch sind neue Themen für die Industriestaaten der westlichen Welt. Vorrangig bleiben Probleme wie die Unterernährung, das Wachstum der Bevölkerung in den teilweise bereits überbevölkerten Regionen der Welt, die Knappheit an Ressourcen, Umweltverschmutzung oder der Klimawandel. Diese müssen angegangen werden. Der altbekannte Satz: „Technologies won’t save us“, stimmt nicht mehr. Denn technologische sowie gesellschaftliche Entwicklungen können dazu beitragen, die Lösung von Problemen zu beschleunigen. Gründe genug also, diese Trends etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.  

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Eine überzeugende Alternative zum Hühnerei wurde bislang nicht gefunden.

Eine überzeugende Alternative zum Hühnerei wurde bislang nicht gefunden.

Bildquelle: © Ren West / wikimedia.org / CC BY-SA 2.0

Die Nadel im Heuhaufen

Ein veganer Ersatz für das Hühnerei kann helfen, dass weniger Land, Wasser, Energie und andere Ressourcen verbraucht werden. Das Startup-Unternehmen Hampton Creek Foods aus San Francisco widmet sich dieser Aufgabe und erkennt damit einen Trend, der auch in Deutschland an Bedeutung gewinnt: Der komplette Verzicht auf tierische Produkte. Im Gegensatz zum konventionellen Ei, das 39 Kalorien pro Nahrungskalorie in der Herstellung verbraucht, würde die pflanzliche Version nur 2 Kalorien benötigen. Hampton Creek Foods ist eines der zahlreichen Startups im Lebensmittelsektor, die in den letzten Jahren gegründet und großzügig durch Venture-Kapital unterstützt wurden. Das Unternehmen vertreibt bereits erfolgreich vegane Alternativen für Mayonnaise, Plätzchen und Plätzchenteig.

Zwar wird Ersatz-Ei bereits in verarbeiteten Lebensmitteln verwendet. Eine überzeugende Alternative stellen diese bisher jedoch nicht dar. Alleine der Vegetarierbund in Deutschland listet auf seiner Website 10 Ei-Alternativen auf. Zu einer entsprechenden Marktrelevanz hat es bisher keine dieser Alternativen gebracht. Die Forschungsabteilung von Hampton Creek Foods durchforstet deshalb die Eiweiße von Millionen von Pflanzensorten nach ihren Eigenschaften und hält nach Alternativen zu tierischen Produkten Ausschau. Bisher konnten elf Proteine mit entsprechenden Eigenschaften identifiziert werden. Bereits sieben von ihnen durchliefen den Zulassungsprozess als Lebensmittel bei der als besonders streng geltenden US-Ernährungsbehörde FDA. Diese Suche nach entsprechenden pflanzlichen Eiweißen und Eiweißkombinationen gleicht der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ist diese Arbeit gemacht, lassen sich Lebensmittel kreieren, die obwohl pflanzlichen Ursprungs analog den tierischen Proteinen sind. Das vegane Hühnerei ist hierfür, so die Trendforscher, lediglich ein Anfang.

Die Herausforderung von Geschmack und Struktur

Ein anderes Startup Unternehmen, Beyond Meat, macht sich ebenfalls auf die Suche nach veganen Ersatzprodukten. Das Unternehmen will einen Fleischersatz entwickeln, der nicht mehr nur wie Fleisch aussieht, sondern endlich auch so schmeckt. Die Firma setzt beispielsweise auf eine Maschine, die „the steer“ genannt wird: Sie verwandelt Soja- und Erbsenprotein unter Zugabe von Wasser zu hühnchenähnlichen Streifen. Doch noch immer sind sowohl Geschmack als auch Textur des Endproduktes nicht zufriedenstellend, wie die Gegenüberstellung mit echtem Fleisch zeigt. Finanziell unterstützt wird das Unternehmen unter anderem von Persönlichkeiten wie Bill Gates oder den Twitter-Gründern Biz Stone und Evan Williams. Damit wird deutlich, dass das Silicon Valley auch in den Lebensmittelbereich vordringt.

Ein Burger für 300.000 Euro

Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt ein Labor der Maastricht Universität unter der Leitung des Biologen und Chirurgen Mark Post. Es präsentierte bereits im August 2013 in London den ersten „in vitro-Burger“. Dieser war zwar damals mit mehr als 300.000 Euro nicht gerade erschwinglich, soll aber heute, durch erfolgte Optimierungsschritte nur noch knapp 12 Euro kosten. Das Burger-Patty besteht aus Milliarden kultivierten Muskelzellen, die ihren Ursprung in einem Rinderkamm hatten und in einer Nährlösung heranwuchsen. Die Forscher brachten die Zellen dazu, Muskelgewebe zu bilden nachdem sie das Serum in der Nährlösung verringerten und somit die Zellteilung stoppten. In mehreren Lagen übereinandergelegt entsteht dann sogenanntes „Shmeat", zusammengesetzt aus Sheet für Schichten und Meat für Fleisch. Die dem Burger zu Grunde liegende (Bio)-Technologie wird schon länger in der Medizin verwendet, um menschliche Hautzellen für Transplantate bei Brandverletztungen zu züchten.

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Zahlreiche Startup Unternehmen wollen einen veganen Fleischersatz entwickeln.

Zahlreiche Startup Unternehmen wollen einen veganen Fleischersatz entwickeln.

Bildquelle: © iStock.com / Monica-photo

Grüne Gentechnik gegen den Klimawandel

Auch im Bereich der grünen Gentechnik sind Fortschritte zu vermelden. Durch neue Techniken könnte auf die immer noch hohen Verluste durch Krankheiten, wie sie der Mehltau verursacht, reagiert werden. Solche Pflanzenkrankheiten sind heute noch sehr kostspielig für Landwirte. Der Klimawandel mit seinen unsteten Wetterverhältnissen und das Eindringen von Schaderregern in neue Regionen verschärft diese Situation weiter. Gleichzeitig muss die Landwirtschaft das weltweite Bevölkerungswachstum im Blick behalten und dementsprechend auf gleicher bzw. sogar weniger Flächen mehr produzieren. Denn selbst in Ländern wie Deutschland mit einer langfristig rückläufigen Bevölkerungsentwicklung, gehen Tag für Tag landwirtschaftliche Flächen durch Infrastrukturmaßnahmen verloren.

Vor dem Hintergrund dieser schwierigen Ausgangslage bedrohen der Mehltau und andere Krankheiten beispielsweise ein Fünftel der Kartoffelernte weltweit. Auch die Bananen- und Weizenproduktion sind von Krankheiten und Schädlingen bedroht. Hier bietet, laut Aussagen der Forscher, die grüne Gentechnik interessante Lösungsansätze. Dabei führen die Forscher in der aktuellen Publikation wieder den Zeitgewinn an: Im Gegensatz zur konventionellen Züchtung, die mindestens 15 Jahre benötigen, könnten genetisch veränderte Pflanzen bereits nach sechs Monaten zum Einsatz kommen. Eine Hoffnung, die sich so im Moment nicht realisieren lässt. Aufwendige Zulassungsprozesse treiben die Kosten in die Höhe, so dass eine eigentlich sehr kostengünstige und zielgerichtete Technologie nur noch von großen Unternehmen angewendet werden kann.

Jedoch verschieben sich auch hier die Rahmenbedingungen. So werden in den letzten Jahren vermehrt gentechnische Pflanzen, die in Schwellenländern, wie z. B. Brasilien oder China entwickelt wurden, auf den Markt gebracht. Ein weiterer Vorteil ist nach Aussage der Technologen, dass die Züchtung präziser und gezielter gesteuert werden können. Die Zulassung für die Anwendung von mehltauresistenten Kartoffeln blieb in der EU, trotz der guten Ergebnisse in den Feldexperimenten, komplett aus.

Neue biotechnologische Methoden, die mithilfe molekularer Scheren bei der Editierung von Genomen z. B. mittels CRISPR-Cas9, arbeiten, lassen auf die Anwendung in kleinen und mittelständischen Betrieben hoffen. Mithilfe dieser neuen Techniken können einzelne Sequenzen, beispielsweise einer Kartoffelpflanzen-Zelle, kostengünstig, schnell und punktgenau editiert, also verändert werden. Es lassen sich aber auch Gene komplett ausgeschaltet oder zu einem anderen Zeitpunkt ablesen. Entgegen den bisherig genutzten Methoden, erzeugt die Genom Editierung keine transgenen Organismen. Mussten bisher den Pflanzen die Wunsch-Gene aus anderen Organismen, z. B. aus Bakterien oder anderen Pflanzenarten eingepflanzt werden, damit diese bestimmte Eigenschaften haben, können nun zelleigene Reparatursysteme genutzt werden.

Noch ist in Europa die juristische Einordnung dieser neuen Züchtungsmethoden offen. Ein Zuchtchampignon (Agaricus bisporus) hat jetzt erstmalig eine Zulassung als Lebensmittel in den USA erhalten. Dieser neigt nicht mehr zur Verbraunung und kann länger gelagert werden. Dafür genügte es den Forschern eines von sechs Genen auszuschalteten, welche für das Enzym Polyphenoloxidase kodieren.

Verdoppelung des Ertrags durch C4-Photosynthese

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Dem International Rice Research Institute (IRRI) ist es gelungen, Reispflanzen eine schnellere Photosynthese beizubringen.

Dem International Rice Research Institute (IRRI) ist es gelungen, Reispflanzen eine schnellere Photosynthese beizubringen.

Bildquelle: © Quinn Dombrowski / wikimedia.org / CC BY 2.0

Einer weiteren praktischen Anwendung der neuen Züchtungsmethoden widmet sich ein Konsortium aus zwölf Laboren. Unter der Leitung von Paul Quick vom International Rice Research Institute (IRRI) ist es gelungen, Reispflanzen eine effizientere Photosynthese beizubringen. Abgeguckt haben die Forscher sich den schnellen Stoffwechsel bei sogenannten C4-Pflanzen. Diese Pflanzen, wie Mais, Zuckerrohr oder andere schnell wachsende Gräser, binden den Kohlenstoff aus der Luft in Molekülen mit 4 Kohlenstoffatomen, bevor sie daraus hochmolekulare Kohlenhydrate bilden. Bei C3-Pflanzen wie Reis oder Weizen, die gemeinsam 40 Prozent der Weltbevölkerung ernähren, besteht das Zwischenprodukt aus drei Atomen.

Vor allem in trockenen Gebieten arbeitet der C4-Stoffwechselweg deutlich effizienter, sodass eine Umstellung von Reispflanzen auf eine C4-Photosynthese die Erträge pro Hektar um bis zu 50 Prozent steigern könnte. Noch ist die Anordnung der Mesophyllzellen, die für das Einfangen des Kohlendioxids verantwortlich sind, auf molekularer Ebene nicht verstanden. Die Gene, welche für die Anordnung verantwortlich sind, kennen die Forscher noch nicht.

Mit den herkömmlichen Züchtungsmethoden ist die Umstellung von C3 auf eine C4 Photosynthese nicht möglich. Gelingt diese beim Reis, würden sicherlich andere Kulturpflanzen folgen. Ertragssteigerungen von 50 % und mehr sind notwendig, um den steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln zu decken. Neue Ansätze in der Züchtung sind somit zwingend erforderlich. Appelle der Politik oder von Umweltgruppen Ernährungsgewohnheiten zu verändern oder Nahrungsmittel besser zu lagern und zu verteilen, genügt den Forschern nicht. Sie sehen die Lösung in einer gesteigerten Produktivität. 

Das Besteck zum Essen

Mehrere Probleme gleichzeitig lösen will ein indisches Unternehmen. Unter der Leitung von Narayana Peesapaty, einem ehemaligen Forschers des International Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics (ICRISAT) soll das weltweit erste essbare Besteck durch die Firma Bakeys zur Marktreife gebracht werden. Die Finanzierung des Vorhabens will das Unternehmen per Crowdfunding-Kampagne realisieren. Schon jetzt wurde der Zielbetrag um das zehnfache übertroffen. Das Besteck besteht aus Reis-, Weizen-, und Sorghum-Mehl und wird in mehreren Geschmacksrichtungen angeboten. In Anbetracht von 40 Milliarden Besteckteilen aus Plastik die alleine in den USA pro Jahr verschwendet werden, kommt einer solchen Erfindung eine große Relevanz zu. Bereits etablierte pflanzliche Bestecke die kompostierbar sind, benötigen immer noch zu viel Zeit und zu spezielle Bedingungen, um abgebaut zu werden. Dies soll sich mit dem essbaren Besteck ändern.

Nutzen oft fraglich

Der Ansatz vegane Alternativen für Fleisch und Eier zu finden ist vielversprechend. Anbaufläche, Energie, Wasser und andere Ressourcen können eingespart werden. Fraglich ist allerdings, ob die Masse damit begeistert werden kann. Zurzeit reichen die Ersatzprodukte jedenfalls im Bezug auf Geschmack und Textur nicht an das Original heran oder sind zu schwierig herzustellen. Ernstzunehmende Substitute jedoch könnten den Druck auf die Lebensmittelerzeuger senken. Der Kampf gegen den globalen Hunger braucht in jedem Fall neben technologiegetriebenen auch kulturelle und gesellschaftliche Innovationen. Diese wurden in den von den Wissenschaftlern und Ingenieuren vorgestellten Ansätzen nicht explizit erwähnt, was deutlich macht, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Europa und in anderen Ländern noch lange nicht ausgereizt ist.


Quellen:

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Wie werden unsere Lebensmittel in Zukunft aussehen? (Bildquelle: © ra2 Studio / Fotolia.com)