Innovatives Hybridsystems für Winterweizen

15.03.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Dr. Mario Gils ist Projektleiter von GABI-HYBWHEAT. (Quelle: © Dr. Mario Gils)

Dr. Mario Gils ist Projektleiter von GABI-HYBWHEAT. (Quelle: © Dr. Mario Gils)

Das Projekt GABI-HYBWHEAT ist eine innovative und praktikable Methode, die Hybridweizenproduktion eine dominierende Position in der Saatzucht zu verschaffen. Zur kommerziellen Produktion von Weizen-Hybridsaatgut müssen jedoch auch mehrere Voraussetzungen erfüllt werden. Projektleiter Dr. Mario Gils vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben erkärt das Besondere an dieser Methode.

Pflanzenforschung.de: Weshalb gibt es bei Weizen kaum Hybridzuchtlinien?

Dr. Mario Gils: Der Grund dafür liegt in den im Vergleich zur Linienzucht erhöhten Saatgutproduktionskosten. Die zurzeit üblichen Produktionsmethoden sind nicht geeignet, den weltweit kontinuierlich wachsenden Bedarf an Hochleistungs-Hybridweizen zu decken. Im Falle von selbstbestäubenden  Pflanzen müssen bei der Hybridzüchtung zwei technische Hürden überwunden werden: Um eine gerichtete Kreuzung durch Fremdbestäubung zu gewährleisten, muss einer der Kreuzungspartner – der „weibliche“ –  kastriert werden und ein geeigneter „männlicher“ Kreuzungspartner mit exzellenten Bestäubereigenschaften zur Verfügung stehen. 

Die Kastration der Blüten kann im einfachsten Falle durch das mechanische Entfernen der Staubbeutel, den Antheren, und anschließende Bestäubung erfolgen. In größerem Maßstab ist dies nur beim Mais praktikabel. Bei allen anderen bedeutenden Kulturpflanzen, so auch im Falle von Weizen, tritt die Selbstbefruchtung bereits vor Öffnung der Blüten auf. Sterilitätssysteme, die aus den „natürlichen genetischen Ressourcen“ entwickelt wurden – wie die cytoplasmatische männliche Sterilität – scheiterten bisher für Weizen. 

Das gegenwärtig angewandte Produktionsverfahren für Weizen beruht auf der chemischen Kastration des weiblichen Kreuzungspartners mit Hilfe eines toxischen Reagenz'. Der pollensterile Kreuzungspartner wird im Streifenanbau neben unbehandelten Bestäuberpflanzen angebaut. Die Methode birgt allerdings erhebliche Probleme. Die erfolgreiche Anwendung ist von optimalen Witterungsverhältnissen sowie einem exakten Timing bezüglich des pflanzlichen Entwicklungsstadiums abhängig. Es besteht neben den hohen Kosten für den Saatguterzeuger ein erhebliches Produktionsausfallrisiko.

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Das im Projekt HYBWHEAT entwickelte Hybridverfahren ist ein transgenes System.

Das im Projekt HYBWHEAT entwickelte Hybridverfahren ist ein transgenes System.

Bildquelle: © Rainer Sturm / pixelio.de

Pflanzenforschung.de: Auf welchen Trick setzt das Projekt GABI-HYBWHEAT, um dennoch Hybridweizen zu erzeugen?

Dr. Mario Gils: Der „split gene approach“ basiert auf der Teilung eines Barnase-Gens. Die Genfragmente werden in eine Pflanze übertragen und als Vorläuferprodukte unabhängig voneinander in männlichem Blütengewebe synthetisiert. Ihre funktionale Ergänzung erfolgt auf Proteinebene über Inteine. Da als Resultat ein giftiges Barnase-Protein entsteht, sollte eine Pflanze, die das geteilte Gen beinhaltet, pollensteril sein. Wir verwenden als weiblichen Hybridkreuzungspartner Pflanzen, in denen sich beide Barnase-Fragmente (ähnlich wie Allele eines Gens) auf identischen Positionen homologer Chromosomen befinden. Daher kommt es infolge einer Befruchtung durch den männlichen Kreuzungspartner zur erzwungenen Aufspaltung der Loci in der nächsten Generation. Jedes Individuum der hybriden Nachkommenschaft erhält nur eines der beiden Barnase-Genfragmente, ist somit fertil und liefert Ernteertrag.

Pflanzenforschung.de: Genetische Sterilitätsansätze sind nicht immer zuverlässig. Wie stabil ist der split gene approach mit Barnase?

Dr. Mario Gils: Endgültige Aussagen über die Stabilität des Systems können erst nach Freisetzungsversuchen gemacht werden. Bisherige Versuche unter Stressbedingungen lassen auf eine hohe Stabilität des Systems schließen.

Pflanzenforschung.de: Gentechnik ist in der Öffentlichkeit ein Reizthema. Weshalb könnten die transgenen Hybridweizenpflanzen aus GABI-HYBWHEAT davon ausgenommen werden?

Dr. Mario Gils: Das im Projekt Hybwheat entwickelte Hybridverfahren ist ein transgenes System. Es wird daher, wie alle vergleichbaren Technologien, Gegenstand der Gentechnik-Debatte sein. Es ist auch gar nicht primäres Ziel des Split-Gen-Ansatzes, dieses zu vermeiden, sondern effektiv und kostengünstig hybrides Weizensaatgut herzustellen. 

Im speziellen Falle wird allerdings durch die Pollensterilität die wahrscheinlichste Form einer unerwünschten Genübertragung per se unterbunden. Zusätzlich verhindert die Verwendung von Genfragmenten, dass  komplette Transgene, die zu einer Merkmalsausprägung führen, übertragen werden können. Diese Kombination von Eigenschaften verleiht der Technologie ein vergleichsweise hohes Sicherheitsniveau.

Pflanzenforschung.de: Wann könnten die ersten kommerziellen Hybridweizenlinien, die auf GABI-HYBWHEAT aufbauen, den Markt erreichen?

Dr. Mario Gils: Bis zur Markteinführung müssen neben der eigentlichen Systementwicklung  weitere  Schritte abgeschlossen sein: Diese umfassen die Deregulierung von Elite-Events, die amtliche Prüfung der Werteigenschaften der neuen Weizen-Varietäten, und deren Zulassung. Die Marketingphase der mit dem System erzeugten Hybridsorten könnte bei einer positiven Entwicklung ab dem Jahr 2020 erfolgen.


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