Innovatives Verfahren zur Biokraftstoffproduktion ausgezeichnet

Ein „Deutscher Innovationspreis für Klima und Umwelt 2015“ geht an Clariant

18.02.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Übergabe des Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt in der Kategorie Prozessinnovation... (Bildquelle: © Kruppa/IKU)

Übergabe des Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt in der Kategorie Prozessinnovation... (Bildquelle: © Kruppa/IKU)

Die sunliquid®-Technologie zur Herstellung von Cellulose-Ethanol aus Agrarreststoffen des Spezialchemieunternehmens Clariant gewann den Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt 2015 in der Kategorie Prozessinnovationen. Das biotechnologische Verfahren kann Biokraftstoffe der zweiten Generation aus Reststoffen wie Stroh herstellen und dabei helfen, Treibhausgase einzusparen.

„Wir verwandeln Stroh zu Biokraftstoffen ohne Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion“, so erklärt Andre Koltermann, Leiter Group Biotechnology bei Clariant, kurz und bündig, um was es bei der sunliquid®-Technologie geht. Die Technologie überzeugte die Jury aus unabhängigen Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Politik, denen bei der Bewertung eine fachliche Analyse des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) zur Seite stand.

Aus Agrarreststoffen wird Biosprit

Sunliquid® ist ein biotechnologisches Verfahren, mit dem aus unterschiedlichsten Agrarreststoffen wie z. B. Getreidestroh oder Zuckerrohrbagasse in mehreren Schritten Biokraftstoffe der zweiten Generation hergestellt werden kann.

#####box#####

Bisher war es nur möglich, dass ein Teil der Pflanzen für die Herstellung von Biokraftstoffen – z. B. Öle oder Stärke, die von den Pflanzen synthetisiert werden – zum Einsatz kommen. Denn die anderen Pflanzenteile bestehen zu einem großen Teil aus Lignocellulose, das die Zellwand verholzter Pflanzen bildet. Enzyme, die diese Strukturen in ihre Einzelteile zerlegen sollen, tun sich schwer mit dem komplexen Molekül. Vor allem das darin eingelagerte Lignin, das Pflanzen ihre Standfestigkeit verleiht, ist eine harte Nuss. Daher war Cellulose-Biokraftstoff bisher nicht wirtschaftlich.

Während Biokraftstoffe der ersten Generation nur aus Teilen der Pflanze, wie z. B. Stärke von Getreide- oder Maiskörnern oder Zucker, hergestellt werden, können zur Produktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation Pflanzenreststoffe, die zu großen Teilen aus schwer verwertbaren Lignocellulose bestehen, verwendet werden. Die Verwertung der Lignocellulose ist dabei technologisch anspruchsvoll.

Hoch spezialisierte Hilfskräfte zersetzen die Rohstoffe

Die sunliquid®-Technologie ist ein mehrstufiger Prozess, bei dem zuerst die Agrarreststoffe zerkleinert und thermisch vorbehandelt werden. Danach können sich hochoptimierte rohstoffspezifische Enzyme (Biokatalysatoren) ans Werk machen und die in der Lignocellulose enthaltene Cellulose und Hemicellulose in fermentierbare Zucker (Glukose, Xylose und Arabinose) spalten. Anschließend wandeln speziell entwickelte Fermentationsorganismen die Zucker in Bio-Ethanol um.

Die spezifischen Enzyme sorgen im ersten Schritt für eine hohe Zuckerausbeute. Die dafür notwendigen Biokatalysatoren waren bisher immer der größte Kostentreiber des Prozesses. Beim sunliquid®-Verfahren werden sie direkt in der Anlage auf einem kleinen Teil des mechanisch und thermisch vorbehandelten Rohstoffs produziert. Das spart Kosten und macht die Anlagen unabhängiger von externen Lieferanten, die sonst zur Anlieferung der wichtigen kleinen Helfer nötig wären. Ebenfalls neu entwickelte Enzyme können im nächsten Schritt sowohl C5- als auch C6-Zucker in Ethanol verwandeln, was die Ethanolausbeute um etwa 50 Prozent erhöht.

Und was passiert mit dem schwer verwertbaren Lignin? Der in der Lignocellulose enthaltene Stoff wird abgesondert und verbrannt. Wodurch sich der Kreis schließt, denn zusammen mit anderen Nebenprodukten wird die gesamte für den Prozess benötigte Energie auf diesem Weg erzeugt und macht die Anlage energieautark.

Weniger Treibhausgase

Der gewonnene Biokraftstoff, das Cellulose-Ethanol, zeichnet sich durch eine besonders hohe Ersparnis von CO2-Emissionen im Vergleich zu fossilem Benzin aus. „Biokraftstoffe aus Agrarreststoffen spielen eine Schlüsselrolle, um die Mobilität weltweit nachhaltiger zu gestalten. Verglichen mit fossilen Kraftstoffen können Treibhausgasemissionen bis zu 95 Prozent reduziert werden“, führt Koltermann weiter aus. Das Verfahren könnte demnach einen Beitrag zu mehr Klimaschutz leisten, so die Botschaft, die auch die Juroren überzeugte.

#####1#####
Aus Stroh wird Biosprit: Agrarreststoffe wie z. B. Getreidestroh können mithilfe biotechnologischer Verfahren zu Biokraftstoffen der zweiten Generation verarbeitet werden.

Aus Stroh wird Biosprit: Agrarreststoffe wie z. B. Getreidestroh können mithilfe biotechnologischer Verfahren zu Biokraftstoffen der zweiten Generation verarbeitet werden.

Bildquelle: © iStock.com/RTimages

Nichts vom Teller in den Tank

Clariant hat den Prozess in der Demonstrationsanlage im bayerischen Straubing zur Marktreife entwickelt. Die nun ausgezeichnete Technologie wandelt Pflanzenreste nahezu vollständig in Bio-Ethanol um. Da als Rohstoff regional anfallende Reststoffe aus der Landwirtschaft dienen, die bisher nicht für die Biokraftstoffherstellung geeignet waren und auch keine essbaren Pflanzen eingesetzt werden, steht der Prozess nicht in direkter Konkurrenz zur Nahrungs- oder Futtermittelproduktion.

Schätzungen zufolge fallen allein in der Europäischen Union jährlich etwa 240 Millionen Tonnen Getreidestroh an. Davon muss ein Teil zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit auf dem Feld verbleiben, ein Teil wird als Einstreu in Tierställen verwendet, aber ein Teil davon kann als nachwachsender Rohstoff beispielsweise für die Biokraftstoffproduktion oder die chemische Industrie genutzt werden. In einigen Regionen ist das Verbrennen des Strohs auf dem Feld immer noch gängige Praxis. Durch die Nutzung  von Stroh wird hier gleichzeitig ein neuer nachhaltiger Treibstoff erzeugt und die Belastung der Luft durch Rauch und Feinstaub vermieden.  

Innovative und nachhaltige Projekte wurden ausgezeichnet

Der Deutsche Innovationspreis für Klima und Umwelt (IKU) wurde nun bereits zum fünften Mal vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) an innovative deutsche Unternehmen verliehen. Die feierliche Preisverleihung fand unter Beisein von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und dem Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, Holger Lösch, im Umweltministerium in Berlin statt. „Der Erfindergeist und die Innovationsbereitschaft der deutschen Industrie gehören zu den größten Trümpfen unserer Umwelt- und Klimapolitik. Gemeinsam werden wir zeigen, dass wir beim Klimaschutz vorangehen und trotzdem ein starkes Industrieland bleiben können“, so die Bundesumweltministerin bei der Preisverleihung. Der Preis ist mit 25 000 Euro dotiert und aus der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums gefördert.

Neben der Kategorie „Prozessinnovationen für den Klimaschutz“ - in der das sunliquid®-Verfahren gewann - wurden weitere Unternehmen in den Kategorien „Produkt und Dienstleistungsinnovationen für den Klimaschutz“, „Umweltfreundliche Technologien“, „Umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen“, „Klima- und Umweltschutztechnologietransfer in Entwicklungs- und Schwellenländern und Staaten Osteuropas“ ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde beim IKU 2015 zum ersten Mal der Sonderpreis „Innovation und biologische Vielfalt“ vergeben.


Ein ausführliches Interview zur sunliquid®-Technologie finden Sie hier: „Stroh ist nicht gleich Stroh

Weiterführende Informationen:

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Übergabe des Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt in der Kategorie Prozessinnovation: Markus Rarbach, Leiter Start-up Business Project Biofuels & Derivatives (Clariant), und Andre Koltermann, Leiter Group Biotechnology (Clariant), nahmen von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und Holger Lösch, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, den Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt in der Kategorie Prozessinnovation entgegen (v.l.n.r.). (Bildquelle: © Kruppa/IKU)